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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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An einem hellglänzenden Wintervormittag fuhr bei
uns ein eleganter Schlitten vor. Die sehr geschätzte und
gefeierte Gattin des reichen Kaufmanns Pleske begrüßte
die Mutter gleich mit den Worten: "Erlauben Sie mir,
Frau Rittmeisterin, Ihre liebe Tochter zu entführen, sie
soll unsere Rutschberge kennen lernen, ein entzückendes
Vergnügen ..."

"Aber morgen," schob ich etwas kleinlaut ein, "soll
die erste Probe von König Enzio stattfinden, übermorgen
die Benefizvorstellung, wenn ich nun heiser würde,
nicht spielen könnte -- der arme Pollert käme um seine
Einnahme ..."

"Sie und krank werden!" lachte Mad. Pleske, --
"Sie blühend Starke! Wir wollen Sie schon sorgfältig
in Pelze hüllen; dann speisen wir en petit comite bei
meiner Schwägerin, Mad. Ritter. Jetzt ist es 11 Uhr
-- um 3 Uhr kehren Sie zur Mama zurück."

"Meine Tochter muß auch die neue Rolle noch durch¬
gehen!" meinte die Mutter besorgt.

"Das kann sie Abends zur Genüge!" erwiederte
Mad. Pleske. "Bitte! verderben Sie uns nicht die
Freude ..."

Also warf ich mich in Eile in's Winterkostüm und
sauste bald in dem pelzgefütterten Schlitten mit dem sil¬
bernen Glockengeläute durch die Straßen dahin ... und
dann waren wir draußen bei den Rutschbergen, dem
reizendsten -- ja berauschenden Nationalvergnügen der
Petersburger.

Erinnerungen etc. 16

An einem hellglänzenden Wintervormittag fuhr bei
uns ein eleganter Schlitten vor. Die ſehr geſchätzte und
gefeierte Gattin des reichen Kaufmanns Pleske begrüßte
die Mutter gleich mit den Worten: »Erlauben Sie mir,
Frau Rittmeiſterin, Ihre liebe Tochter zu entführen, ſie
ſoll unſere Rutſchberge kennen lernen, ein entzückendes
Vergnügen …«

»Aber morgen,« ſchob ich etwas kleinlaut ein, »ſoll
die erſte Probe von König Enzio ſtattfinden, übermorgen
die Benefizvorſtellung, wenn ich nun heiſer würde,
nicht ſpielen könnte — der arme Pollert käme um ſeine
Einnahme …«

»Sie und krank werden!« lachte Mad. Pleske, —
»Sie blühend Starke! Wir wollen Sie ſchon ſorgfältig
in Pelze hüllen; dann ſpeiſen wir en petit comité bei
meiner Schwägerin, Mad. Ritter. Jetzt iſt es 11 Uhr
— um 3 Uhr kehren Sie zur Mama zurück.«

»Meine Tochter muß auch die neue Rolle noch durch¬
gehen!« meinte die Mutter beſorgt.

»Das kann ſie Abends zur Genüge!« erwiederte
Mad. Pleske. »Bitte! verderben Sie uns nicht die
Freude …«

Alſo warf ich mich in Eile in's Winterkoſtüm und
ſauſte bald in dem pelzgefütterten Schlitten mit dem ſil¬
bernen Glockengeläute durch die Straßen dahin … und
dann waren wir draußen bei den Rutſchbergen, dem
reizendſten — ja berauſchenden Nationalvergnügen der
Petersburger.

Erinnerungen ꝛc. 16
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[241/0269] An einem hellglänzenden Wintervormittag fuhr bei uns ein eleganter Schlitten vor. Die ſehr geſchätzte und gefeierte Gattin des reichen Kaufmanns Pleske begrüßte die Mutter gleich mit den Worten: »Erlauben Sie mir, Frau Rittmeiſterin, Ihre liebe Tochter zu entführen, ſie ſoll unſere Rutſchberge kennen lernen, ein entzückendes Vergnügen …« »Aber morgen,« ſchob ich etwas kleinlaut ein, »ſoll die erſte Probe von König Enzio ſtattfinden, übermorgen die Benefizvorſtellung, wenn ich nun heiſer würde, nicht ſpielen könnte — der arme Pollert käme um ſeine Einnahme …« »Sie und krank werden!« lachte Mad. Pleske, — »Sie blühend Starke! Wir wollen Sie ſchon ſorgfältig in Pelze hüllen; dann ſpeiſen wir en petit comité bei meiner Schwägerin, Mad. Ritter. Jetzt iſt es 11 Uhr — um 3 Uhr kehren Sie zur Mama zurück.« »Meine Tochter muß auch die neue Rolle noch durch¬ gehen!« meinte die Mutter beſorgt. »Das kann ſie Abends zur Genüge!« erwiederte Mad. Pleske. »Bitte! verderben Sie uns nicht die Freude …« Alſo warf ich mich in Eile in's Winterkoſtüm und ſauſte bald in dem pelzgefütterten Schlitten mit dem ſil¬ bernen Glockengeläute durch die Straßen dahin … und dann waren wir draußen bei den Rutſchbergen, dem reizendſten — ja berauſchenden Nationalvergnügen der Petersburger. Erinnerungen ꝛc. 16

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/269>, abgerufen am 20.05.2024.