und Blüthen an jenem Rosenstock zählten, der meinen ersten Berliner Geburtstagstisch schmückte.
Friedrich Witthauer ruht seit 1846 auf dem Fried¬ hofe zu Meran.
Sepperl hatte den elegantesten Wagen besorgt, den er hatte finden können, und als wir drin saßen, drehte er sich mit verklärtem Gesicht vom Bock zu uns um und sagte, als hätten wir schon ein Dutzend Jahre Salz und Brod mit einander gegessen: "I freu mi närrisch auf den Prater, da wird's auch Ihna schon g'fallen, Ihro Gnaden ... es giebt nichts Lustigers auf der Welt, als unsern lieben Prater."
Und hinaus ging's in den lustigen Prater, und ich wurde fast wieder zum Kind, da wir durch die glück¬ strahlenden, jubelnden, sonntäglich geputzten Spazier¬ gänger dahinrollten, und beim Besuch der "Buden" mit Wunderthieren und tanzenden Zwergen, Riesendamen, Panoramas, Hasen, die Pistolen abfeuerten, und Hunden und Affen in den Kostümen der Pompadour und ihres Hofstaats, den Frohsinn, die Harmlosigkeit und beneidens¬ werthe Naivetät des Wiener Völkchens: Bürger und Soldaten, Kindermädchen und Studenten, Gesellen und Meisterinnen, -- Alles bunt durch einander und gleich entzückt von den gebotenen Genüssen, -- in vollster Natürlichkeit und Freiheit genießen konnten.
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und Blüthen an jenem Roſenſtock zählten, der meinen erſten Berliner Geburtstagstiſch ſchmückte.
Friedrich Witthauer ruht ſeit 1846 auf dem Fried¬ hofe zu Meran.
Sepperl hatte den eleganteſten Wagen beſorgt, den er hatte finden können, und als wir drin ſaßen, drehte er ſich mit verklärtem Geſicht vom Bock zu uns um und ſagte, als hätten wir ſchon ein Dutzend Jahre Salz und Brod mit einander gegeſſen: »I freu mi närriſch auf den Prater, da wird's auch Ihna ſchon g'fallen, Ihro Gnaden … es giebt nichts Luſtigers auf der Welt, als unſern lieben Prater.«
Und hinaus ging's in den luſtigen Prater, und ich wurde faſt wieder zum Kind, da wir durch die glück¬ ſtrahlenden, jubelnden, ſonntäglich geputzten Spazier¬ gänger dahinrollten, und beim Beſuch der »Buden« mit Wunderthieren und tanzenden Zwergen, Rieſendamen, Panoramas, Haſen, die Piſtolen abfeuerten, und Hunden und Affen in den Koſtümen der Pompadour und ihres Hofſtaats, den Frohſinn, die Harmloſigkeit und beneidens¬ werthe Naivetät des Wiener Völkchens: Bürger und Soldaten, Kindermädchen und Studenten, Geſellen und Meiſterinnen, — Alles bunt durch einander und gleich entzückt von den gebotenen Genüſſen, — in vollſter Natürlichkeit und Freiheit genießen konnten.
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und Blüthen an jenem Roſenſtock zählten, der meinen
erſten Berliner Geburtstagstiſch ſchmückte.
Friedrich Witthauer ruht ſeit 1846 auf dem Fried¬
hofe zu Meran.
Sepperl hatte den eleganteſten Wagen beſorgt, den
er hatte finden können, und als wir drin ſaßen, drehte
er ſich mit verklärtem Geſicht vom Bock zu uns um und
ſagte, als hätten wir ſchon ein Dutzend Jahre Salz
und Brod mit einander gegeſſen: »I freu mi närriſch
auf den Prater, da wird's auch Ihna ſchon g'fallen,
Ihro Gnaden … es giebt nichts Luſtigers auf der Welt,
als unſern lieben Prater.«
Und hinaus ging's in den luſtigen Prater, und ich
wurde faſt wieder zum Kind, da wir durch die glück¬
ſtrahlenden, jubelnden, ſonntäglich geputzten Spazier¬
gänger dahinrollten, und beim Beſuch der »Buden« mit
Wunderthieren und tanzenden Zwergen, Rieſendamen,
Panoramas, Haſen, die Piſtolen abfeuerten, und Hunden
und Affen in den Koſtümen der Pompadour und ihres
Hofſtaats, den Frohſinn, die Harmloſigkeit und beneidens¬
werthe Naivetät des Wiener Völkchens: Bürger und
Soldaten, Kindermädchen und Studenten, Geſellen und
Meiſterinnen, — Alles bunt durch einander und gleich
entzückt von den gebotenen Genüſſen, — in vollſter
Natürlichkeit und Freiheit genießen konnten.
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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