Und dann saßen wir unter den frühlingsgrünen Praterbäumen an zierlich servirten Tischchen und tranken bei Lanner's entzückenden Walzern echten Wiener Kaffee mit Obers (Sahne) -- -- und endlich konnte ich mein langjähriges Sehnen nach Wiener -- Kipfeln stillen! Ja, erst jetzt begriff ich ganz jene Kipfel-Anekdote, die mir in Petersburg ein österreichischer Gesandtschafts- Attache erzählt hatte, und die ich jetzt wieder zum Besten gab: "Die Donau war über ihre Ufer getreten, und einzelne Dörfer waren von allem Verdienst abgeschnitten. Regierungskommissäre besuchten in Kähnen die einzelnen Hütten, um -- wo's Noth that -- Lebensmittel zu spenden. Eine Frau erhielt reichlich Brod und Mehl und Kaffee, -- als aber Kommissäre weiter ruderten, da rief sie ihnen nach: "Ah! Herr Kommissär -- -- und nicht a anzigs Kipfel haben's mi mitbracht? Dös ist schändlich ... Nu, i bitt schön, vergessen's das nächste Mal nicht die Kipfel, -- das ist mei anzig Leidenschaft ..."
Und schon jetzt theilte ich die einzige Leidenschaft der guten Frau.
Wir sprachen über das Gastspiel von Amalie Wolff. Sie hatte bereits Frau Feldern in Töpfer's "Hermann und Dorothea" gegeben -- ohne sonderlichen Erfolg.
"Das begreif ich nicht, -- Amalie Wolff's Feldern entzückte stets ganz Berlin durch die Lebensfrische und Lebenswahrheit ... Sie schuf ein wahres Genrebild aus dieser dankbaren Rolle ..."
Und dann ſaßen wir unter den frühlingsgrünen Praterbäumen an zierlich ſervirten Tiſchchen und tranken bei Lanner's entzückenden Walzern echten Wiener Kaffee mit Obers (Sahne) — — und endlich konnte ich mein langjähriges Sehnen nach Wiener — Kipfeln ſtillen! Ja, erſt jetzt begriff ich ganz jene Kipfel-Anekdote, die mir in Petersburg ein öſterreichiſcher Geſandtſchafts- Attaché erzählt hatte, und die ich jetzt wieder zum Beſten gab: »Die Donau war über ihre Ufer getreten, und einzelne Dörfer waren von allem Verdienſt abgeſchnitten. Regierungskommiſſäre beſuchten in Kähnen die einzelnen Hütten, um — wo's Noth that — Lebensmittel zu ſpenden. Eine Frau erhielt reichlich Brod und Mehl und Kaffee, — als aber Kommiſſäre weiter ruderten, da rief ſie ihnen nach: »Ah! Herr Kommiſſär — — und nicht a anzigs Kipfel haben's mi mitbracht? Dös iſt ſchändlich … Nu, i bitt ſchön, vergeſſen's das nächſte Mal nicht die Kipfel, — das iſt mei anzig Leidenſchaft …«
Und ſchon jetzt theilte ich die einzige Leidenſchaft der guten Frau.
Wir ſprachen über das Gaſtſpiel von Amalie Wolff. Sie hatte bereits Frau Feldern in Töpfer's »Hermann und Dorothea« gegeben — ohne ſonderlichen Erfolg.
»Das begreif ich nicht, — Amalie Wolff's Feldern entzückte ſtets ganz Berlin durch die Lebensfriſche und Lebenswahrheit … Sie ſchuf ein wahres Genrebild aus dieſer dankbaren Rolle …«
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Und dann ſaßen wir unter den frühlingsgrünen
Praterbäumen an zierlich ſervirten Tiſchchen und tranken
bei Lanner's entzückenden Walzern echten Wiener Kaffee
mit Obers (Sahne) — — und endlich konnte ich mein
langjähriges Sehnen nach Wiener — Kipfeln ſtillen!
Ja, erſt jetzt begriff ich ganz jene Kipfel-Anekdote, die
mir in Petersburg ein öſterreichiſcher Geſandtſchafts-
Attaché erzählt hatte, und die ich jetzt wieder zum Beſten
gab: »Die Donau war über ihre Ufer getreten, und
einzelne Dörfer waren von allem Verdienſt abgeſchnitten.
Regierungskommiſſäre beſuchten in Kähnen die einzelnen
Hütten, um — wo's Noth that — Lebensmittel zu
ſpenden. Eine Frau erhielt reichlich Brod und Mehl
und Kaffee, — als aber Kommiſſäre weiter ruderten,
da rief ſie ihnen nach: »Ah! Herr Kommiſſär — —
und nicht a anzigs Kipfel haben's mi mitbracht? Dös
iſt ſchändlich … Nu, i bitt ſchön, vergeſſen's das
nächſte Mal nicht die Kipfel, — das iſt mei anzig
Leidenſchaft …«
Und ſchon jetzt theilte ich die einzige Leidenſchaft der
guten Frau.
Wir ſprachen über das Gaſtſpiel von Amalie Wolff.
Sie hatte bereits Frau Feldern in Töpfer's »Hermann
und Dorothea« gegeben — ohne ſonderlichen Erfolg.
»Das begreif ich nicht, — Amalie Wolff's Feldern
entzückte ſtets ganz Berlin durch die Lebensfriſche und
Lebenswahrheit … Sie ſchuf ein wahres Genrebild aus
dieſer dankbaren Rolle …«
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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