Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

line Müller und die Peche, Anschütz, La Roche und Löwe,
Korn und Fichtner expreß dazu geboren seien, Bauern¬
feld's Stücke so zu spielen, wie sie gespielt werden
mußten.

Ich lernte Bauernfeld in Gesellschaften kennen und
freute mich, ein so seltenes Talent, reiches Wissen und
bezaubernde Liebenswürdigkeit durch die größte persönliche
Bescheidenheit nur noch gehoben zu sehen.

Für den dritten Abend meiner Anwesenheit in Wien
war eine Novität angekündigt: "Der Traum ein Leben",
von Grillparzer. Ganz Wien war in fieberhafter Auf¬
regung -- und das überfüllte strahlende Haus vor Er¬
wartung fast im Delirium. Und dann, als der Vorhang
endlich -- endlich aufrollte und die tiefpoetische Dichtung
"unseres Grillparzer's" durch "unseren Löwe" und "unseren
La Roche" so würdig verkörpert an dem strahlenden
Auge der Zuschauer vorüberzog ... da brach ein förm¬
licher Sturm von Jubel und Begeisterung los, abwechselnd
mit Pausen athemloser Spannung. Ja, das Publikum
spielte förmlich mit, wie ich es sonst nur im Theatre
francais
gesehen hatte. Die Geistesfunken, die von der
Bühne sprühten, blitzten zündend wieder in den Augen,
den belebten Physiognomien und in den einzelnen be¬
geisterten Ausrufen der enthusiasmirten Zuschauer. Wie
einst in den Pariser Theatern die jungen Heißsporne des
Quartier latin, so interessirte mich hier im Wiener
Burgtheater jetzt auch unter den Zuschauern am meisten
die akademische Jugend, die Kopf an Kopf im Parterre

line Müller und die Peche, Anſchütz, La Roche und Löwe,
Korn und Fichtner expreß dazu geboren ſeien, Bauern¬
feld's Stücke ſo zu ſpielen, wie ſie geſpielt werden
mußten.

Ich lernte Bauernfeld in Geſellſchaften kennen und
freute mich, ein ſo ſeltenes Talent, reiches Wiſſen und
bezaubernde Liebenswürdigkeit durch die größte perſönliche
Beſcheidenheit nur noch gehoben zu ſehen.

Für den dritten Abend meiner Anweſenheit in Wien
war eine Novität angekündigt: »Der Traum ein Leben«,
von Grillparzer. Ganz Wien war in fieberhafter Auf¬
regung — und das überfüllte ſtrahlende Haus vor Er¬
wartung faſt im Delirium. Und dann, als der Vorhang
endlich — endlich aufrollte und die tiefpoetiſche Dichtung
»unſeres Grillparzer's« durch »unſeren Löwe« und »unſeren
La Roche« ſo würdig verkörpert an dem ſtrahlenden
Auge der Zuſchauer vorüberzog … da brach ein förm¬
licher Sturm von Jubel und Begeiſterung los, abwechſelnd
mit Pauſen athemloſer Spannung. Ja, das Publikum
ſpielte förmlich mit, wie ich es ſonſt nur im Théâtre
français
geſehen hatte. Die Geiſtesfunken, die von der
Bühne ſprühten, blitzten zündend wieder in den Augen,
den belebten Phyſiognomien und in den einzelnen be¬
geiſterten Ausrufen der enthuſiasmirten Zuſchauer. Wie
einſt in den Pariſer Theatern die jungen Heißſporne des
Quartier latin, ſo intereſſirte mich hier im Wiener
Burgtheater jetzt auch unter den Zuſchauern am meiſten
die akademiſche Jugend, die Kopf an Kopf im Parterre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0299" n="271"/>
line Müller und die Peche, An&#x017F;chütz, La Roche und Löwe,<lb/>
Korn und Fichtner expreß dazu geboren &#x017F;eien, Bauern¬<lb/>
feld's Stücke &#x017F;o zu &#x017F;pielen, wie &#x017F;ie ge&#x017F;pielt werden<lb/>
mußten.</p><lb/>
        <p>Ich lernte Bauernfeld in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften kennen und<lb/>
freute mich, ein &#x017F;o &#x017F;eltenes Talent, reiches Wi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
bezaubernde Liebenswürdigkeit durch die größte per&#x017F;önliche<lb/>
Be&#x017F;cheidenheit nur noch gehoben zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Für den dritten Abend meiner Anwe&#x017F;enheit in Wien<lb/>
war eine Novität angekündigt: »Der Traum ein Leben«,<lb/>
von Grillparzer. Ganz Wien war in fieberhafter Auf¬<lb/>
regung &#x2014; und das überfüllte &#x017F;trahlende Haus vor Er¬<lb/>
wartung fa&#x017F;t im Delirium. Und dann, als der Vorhang<lb/>
endlich &#x2014; endlich aufrollte und die tiefpoeti&#x017F;che Dichtung<lb/>
»un&#x017F;eres Grillparzer's« durch »un&#x017F;eren Löwe« und »un&#x017F;eren<lb/>
La Roche« &#x017F;o würdig verkörpert an dem &#x017F;trahlenden<lb/>
Auge der Zu&#x017F;chauer vorüberzog &#x2026; da brach ein förm¬<lb/>
licher Sturm von Jubel und Begei&#x017F;terung los, abwech&#x017F;elnd<lb/>
mit Pau&#x017F;en athemlo&#x017F;er Spannung. Ja, das Publikum<lb/>
&#x017F;pielte förmlich mit, wie ich es &#x017F;on&#x017F;t nur im <hi rendition="#aq">Théâtre<lb/>
français</hi> ge&#x017F;ehen hatte. Die Gei&#x017F;tesfunken, die von der<lb/>
Bühne &#x017F;prühten, blitzten zündend wieder in den Augen,<lb/>
den belebten Phy&#x017F;iognomien und in den einzelnen be¬<lb/>
gei&#x017F;terten Ausrufen der enthu&#x017F;iasmirten Zu&#x017F;chauer. Wie<lb/>
ein&#x017F;t in den Pari&#x017F;er Theatern die jungen Heiß&#x017F;porne des<lb/><hi rendition="#aq">Quartier latin</hi>, &#x017F;o intere&#x017F;&#x017F;irte mich hier im Wiener<lb/>
Burgtheater jetzt auch unter den Zu&#x017F;chauern am mei&#x017F;ten<lb/>
die akademi&#x017F;che Jugend, die Kopf an Kopf im Parterre<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0299] line Müller und die Peche, Anſchütz, La Roche und Löwe, Korn und Fichtner expreß dazu geboren ſeien, Bauern¬ feld's Stücke ſo zu ſpielen, wie ſie geſpielt werden mußten. Ich lernte Bauernfeld in Geſellſchaften kennen und freute mich, ein ſo ſeltenes Talent, reiches Wiſſen und bezaubernde Liebenswürdigkeit durch die größte perſönliche Beſcheidenheit nur noch gehoben zu ſehen. Für den dritten Abend meiner Anweſenheit in Wien war eine Novität angekündigt: »Der Traum ein Leben«, von Grillparzer. Ganz Wien war in fieberhafter Auf¬ regung — und das überfüllte ſtrahlende Haus vor Er¬ wartung faſt im Delirium. Und dann, als der Vorhang endlich — endlich aufrollte und die tiefpoetiſche Dichtung »unſeres Grillparzer's« durch »unſeren Löwe« und »unſeren La Roche« ſo würdig verkörpert an dem ſtrahlenden Auge der Zuſchauer vorüberzog … da brach ein förm¬ licher Sturm von Jubel und Begeiſterung los, abwechſelnd mit Pauſen athemloſer Spannung. Ja, das Publikum ſpielte förmlich mit, wie ich es ſonſt nur im Théâtre français geſehen hatte. Die Geiſtesfunken, die von der Bühne ſprühten, blitzten zündend wieder in den Augen, den belebten Phyſiognomien und in den einzelnen be¬ geiſterten Ausrufen der enthuſiasmirten Zuſchauer. Wie einſt in den Pariſer Theatern die jungen Heißſporne des Quartier latin, ſo intereſſirte mich hier im Wiener Burgtheater jetzt auch unter den Zuſchauern am meiſten die akademiſche Jugend, die Kopf an Kopf im Parterre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/299
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/299>, abgerufen am 20.05.2024.