Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

großen Jubel des ganzen Hauses aus dem zweiten Range
in's Parterre hinab und so geschickt auf den Kopf einer
alten fetten Jüdin, daß er ihre Dormeuse und ihren
ganzen Schatz falscher Rabenlocken mit sich fortriß ...
Das ganze Haus brach natürlich vor Entzücken in einen
rasenden Beifallsturm aus.

Aber ich sollte in Pest noch reichere Bühnen¬
erfahrungen machen und zum ersten Mal mit einem --
geprügelten Liebhaber spielen.

Schon in der Probe von "Maria Petenbec" bemerkte
ich, daß mein feuriger Verehrer stets die linke Seite des
Gesichts mit seinem Taschentuch bedeckt hielt.

"Haben Sie Zahnschmerzen, Herr Grohmann?"
fragte ich theilnehmend.

"Das gerade nicht," sagte er etwas verlegen und
lüftete ein wenig das Tuch. Ich sah große blaugrüne
Flecken.

Noch immer arglos sagte ich: "Sie hätten sich die
Augen aus dem Kopf fallen können -- gewiß ist diese
entsetzliche Bühne Schuld daran ..."

Da lächelte er -- über meine Unschuld. "Auch
das nicht! Ich gerieth nur gestern Abend in einer Wein¬
stube mit einigen Studenten in Streit über Deutschthum
und Magyarenthum ... und zuletzt blieb es nicht bei
Worten. Aber Bruder Studio hat auch seine Püffe
bekommen ..."

"O weh! -- Da werden Sie sicher heute Abend
ausgepfiffen und -- ich mit Ihnen ... Es muß entsetzlich

großen Jubel des ganzen Hauſes aus dem zweiten Range
in's Parterre hinab und ſo geſchickt auf den Kopf einer
alten fetten Jüdin, daß er ihre Dormeuſe und ihren
ganzen Schatz falſcher Rabenlocken mit ſich fortriß …
Das ganze Haus brach natürlich vor Entzücken in einen
raſenden Beifallſturm aus.

Aber ich ſollte in Peſt noch reichere Bühnen¬
erfahrungen machen und zum erſten Mal mit einem —
geprügelten Liebhaber ſpielen.

Schon in der Probe von »Maria Petenbec« bemerkte
ich, daß mein feuriger Verehrer ſtets die linke Seite des
Geſichts mit ſeinem Taſchentuch bedeckt hielt.

»Haben Sie Zahnſchmerzen, Herr Grohmann?«
fragte ich theilnehmend.

»Das gerade nicht,« ſagte er etwas verlegen und
lüftete ein wenig das Tuch. Ich ſah große blaugrüne
Flecken.

Noch immer arglos ſagte ich: »Sie hätten ſich die
Augen aus dem Kopf fallen können — gewiß iſt dieſe
entſetzliche Bühne Schuld daran …«

Da lächelte er — über meine Unſchuld. »Auch
das nicht! Ich gerieth nur geſtern Abend in einer Wein¬
ſtube mit einigen Studenten in Streit über Deutſchthum
und Magyarenthum … und zuletzt blieb es nicht bei
Worten. Aber Bruder Studio hat auch ſeine Püffe
bekommen …«

»O weh! — Da werden Sie ſicher heute Abend
ausgepfiffen und — ich mit Ihnen … Es muß entſetzlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="290"/>
großen Jubel des ganzen Hau&#x017F;es aus dem zweiten Range<lb/>
in's Parterre hinab und &#x017F;o ge&#x017F;chickt auf den Kopf einer<lb/>
alten fetten Jüdin, daß er ihre Dormeu&#x017F;e und ihren<lb/>
ganzen Schatz fal&#x017F;cher Rabenlocken mit &#x017F;ich fortriß &#x2026;<lb/>
Das ganze Haus brach natürlich vor Entzücken in einen<lb/>
ra&#x017F;enden Beifall&#x017F;turm aus.</p><lb/>
        <p>Aber ich &#x017F;ollte in Pe&#x017F;t noch reichere Bühnen¬<lb/>
erfahrungen machen und zum er&#x017F;ten Mal mit einem &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">geprügelten</hi> Liebhaber &#x017F;pielen.</p><lb/>
        <p>Schon in der Probe von »Maria Petenbec« bemerkte<lb/>
ich, daß mein feuriger Verehrer &#x017F;tets die linke Seite des<lb/>
Ge&#x017F;ichts mit &#x017F;einem Ta&#x017F;chentuch bedeckt hielt.</p><lb/>
        <p>»Haben Sie Zahn&#x017F;chmerzen, Herr Grohmann?«<lb/>
fragte ich theilnehmend.</p><lb/>
        <p>»Das gerade nicht,« &#x017F;agte er etwas verlegen und<lb/>
lüftete ein wenig das Tuch. Ich &#x017F;ah große blaugrüne<lb/>
Flecken.</p><lb/>
        <p>Noch immer arglos &#x017F;agte ich: »Sie hätten &#x017F;ich die<lb/>
Augen aus dem Kopf fallen können &#x2014; gewiß i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
ent&#x017F;etzliche Bühne Schuld daran &#x2026;«</p><lb/>
        <p>Da lächelte er &#x2014; über meine Un&#x017F;chuld. »Auch<lb/>
das nicht! Ich gerieth nur ge&#x017F;tern Abend in einer Wein¬<lb/>
&#x017F;tube mit einigen Studenten in Streit über Deut&#x017F;chthum<lb/>
und Magyarenthum &#x2026; und zuletzt blieb es nicht bei<lb/>
Worten. Aber Bruder Studio hat auch &#x017F;eine Püffe<lb/>
bekommen &#x2026;«</p><lb/>
        <p>»O weh! &#x2014; Da werden Sie &#x017F;icher heute Abend<lb/>
ausgepfiffen und &#x2014; ich mit Ihnen &#x2026; Es muß ent&#x017F;etzlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0318] großen Jubel des ganzen Hauſes aus dem zweiten Range in's Parterre hinab und ſo geſchickt auf den Kopf einer alten fetten Jüdin, daß er ihre Dormeuſe und ihren ganzen Schatz falſcher Rabenlocken mit ſich fortriß … Das ganze Haus brach natürlich vor Entzücken in einen raſenden Beifallſturm aus. Aber ich ſollte in Peſt noch reichere Bühnen¬ erfahrungen machen und zum erſten Mal mit einem — geprügelten Liebhaber ſpielen. Schon in der Probe von »Maria Petenbec« bemerkte ich, daß mein feuriger Verehrer ſtets die linke Seite des Geſichts mit ſeinem Taſchentuch bedeckt hielt. »Haben Sie Zahnſchmerzen, Herr Grohmann?« fragte ich theilnehmend. »Das gerade nicht,« ſagte er etwas verlegen und lüftete ein wenig das Tuch. Ich ſah große blaugrüne Flecken. Noch immer arglos ſagte ich: »Sie hätten ſich die Augen aus dem Kopf fallen können — gewiß iſt dieſe entſetzliche Bühne Schuld daran …« Da lächelte er — über meine Unſchuld. »Auch das nicht! Ich gerieth nur geſtern Abend in einer Wein¬ ſtube mit einigen Studenten in Streit über Deutſchthum und Magyarenthum … und zuletzt blieb es nicht bei Worten. Aber Bruder Studio hat auch ſeine Püffe bekommen …« »O weh! — Da werden Sie ſicher heute Abend ausgepfiffen und — ich mit Ihnen … Es muß entſetzlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/318
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/318>, abgerufen am 20.05.2024.