Was aber wohl Ludwig Devrient und Pius Alex¬ ander Wolff -- oder Auguste Stich und Amalie Wolff dazu gesagt hätten, wenn ihnen ein weiblicher Hamlet hätte über ihre liebe, so hoch gehaltene Bühne stolziren wollen ... oder gar William Shakespeare?
Ja, die Zeiten sind sehr -- sehr anders geworden!
Meine Ferien bis zu meinem Wiener Gastspiele verlebten wir in dem reizenden Baden bei Wien. Das war so recht ein grünes, friedliches Plätzchen, das Pester Martyrium zu vergessen und davon auszuruhen. Durch das liebliche Thal mit den sauberen Bauernhäuschen und zierlichen Villen führt ein anmuthiger Promenaden¬ weg. Sonntags war hier das ganze lustige und glän¬ zende Wien zu sehen: an der Spitze Kaiser Franz mit den Prinzen und Prinzessinnen. Auch in der Woche kam der leutselige Monarch manchmal nach Baden. Er war hier, wie in Wien, die populärste Figur, und sah so recht väterlich wohlwollend aus. Und doch er¬ zählte man sich lachend, daß er sich von seinen Ministern -- seine Fasserl nicht aufschlagen ließ.
Die Minister waren nämlich, wie gerade nicht selten, in der größten Geldklemme. Sie stellten sogar Staatsbankerott in Aussicht, wenn der Kaiser nicht mit seinem großen Privatvermögen, das in Fässern in den Gewölben der Burg lagerte, zu Hülfe käme.
Was aber wohl Ludwig Devrient und Pius Alex¬ ander Wolff — oder Auguſte Stich und Amalie Wolff dazu geſagt hätten, wenn ihnen ein weiblicher Hamlet hätte über ihre liebe, ſo hoch gehaltene Bühne ſtolziren wollen … oder gar William Shakeſpeare?
Ja, die Zeiten ſind ſehr — ſehr anders geworden!
Meine Ferien bis zu meinem Wiener Gaſtſpiele verlebten wir in dem reizenden Baden bei Wien. Das war ſo recht ein grünes, friedliches Plätzchen, das Peſter Martyrium zu vergeſſen und davon auszuruhen. Durch das liebliche Thal mit den ſauberen Bauernhäuschen und zierlichen Villen führt ein anmuthiger Promenaden¬ weg. Sonntags war hier das ganze luſtige und glän¬ zende Wien zu ſehen: an der Spitze Kaiſer Franz mit den Prinzen und Prinzeſſinnen. Auch in der Woche kam der leutſelige Monarch manchmal nach Baden. Er war hier, wie in Wien, die populärſte Figur, und ſah ſo recht väterlich wohlwollend aus. Und doch er¬ zählte man ſich lachend, daß er ſich von ſeinen Miniſtern — ſeine Faſſerl nicht aufſchlagen ließ.
Die Miniſter waren nämlich, wie gerade nicht ſelten, in der größten Geldklemme. Sie ſtellten ſogar Staatsbankerott in Ausſicht, wenn der Kaiſer nicht mit ſeinem großen Privatvermögen, das in Fäſſern in den Gewölben der Burg lagerte, zu Hülfe käme.
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Was aber wohl Ludwig Devrient und Pius Alex¬
ander Wolff — oder Auguſte Stich und Amalie Wolff
dazu geſagt hätten, wenn ihnen ein weiblicher Hamlet
hätte über ihre liebe, ſo hoch gehaltene Bühne ſtolziren
wollen … oder gar William Shakeſpeare?
Ja, die Zeiten ſind ſehr — ſehr anders geworden!
Meine Ferien bis zu meinem Wiener Gaſtſpiele
verlebten wir in dem reizenden Baden bei Wien. Das
war ſo recht ein grünes, friedliches Plätzchen, das Peſter
Martyrium zu vergeſſen und davon auszuruhen. Durch
das liebliche Thal mit den ſauberen Bauernhäuschen
und zierlichen Villen führt ein anmuthiger Promenaden¬
weg. Sonntags war hier das ganze luſtige und glän¬
zende Wien zu ſehen: an der Spitze Kaiſer Franz mit
den Prinzen und Prinzeſſinnen. Auch in der Woche
kam der leutſelige Monarch manchmal nach Baden.
Er war hier, wie in Wien, die populärſte Figur, und
ſah ſo recht väterlich wohlwollend aus. Und doch er¬
zählte man ſich lachend, daß er ſich von ſeinen Miniſtern
— ſeine Faſſerl nicht aufſchlagen ließ.
Die Miniſter waren nämlich, wie gerade nicht
ſelten, in der größten Geldklemme. Sie ſtellten ſogar
Staatsbankerott in Ausſicht, wenn der Kaiſer nicht mit
ſeinem großen Privatvermögen, das in Fäſſern in den
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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