"Da öffneten sich die steinernen Lippen und im Nachtwandlertone entglitt es ihnen: "Wie ist's nur mög¬ lich -- mit so einem Gesicht -- mit so einem Gesicht ..."
"Was befehlen Excellenz?" stammelte ich, nun ganz aus dem Häuschen.
"Jetzt -- endlich belebten sich die steinernen Züge -- aber furchtbar für mich Aermsten. Und mit Donner und Blitz brach das Unwetter über mich los ... Excellenz packten mich am Arm und zerrten mich vor den hohen Spiegel und schrieen förmlich wie außer sich:
"Mit so einem Gesicht den Enzio spielen wollen -- auf unserem Burgtheater ... Herr, waren's denn nicht bei Trost -- mit so einem Schusterbub'ngesicht? Haben's denn nie in einen Spiegel g'schaut ... Jeses! Jeses! Mit so einem Fratzerl, das kein anständiger Mensch aufnimmt, wenn er's auf der Straß' liegen sieht ... König Enzio mit so einem Fratzerl ...
"Doch -- als wenn er jetzt plötzlich ein Verständniß dafür hätte, was in meinem armen Kadaver vorging -- in gutmüthigerem Tone fuhr der Intendant fort: "Nun -- nun -- war nit so bös gemeint, aber sein's g'scheidt, lassen's sich Honorar zahlen, reisen's nach Haus, aber nehmen's Rath an und spielen's nie mehr den König Enzio, denn mit so einem Gesicht -- mit so einem Schusterbub'ngesicht ..."
Da lachte Pauli herzlich mit mir in der Salon- Fensternische dieses aufrichtigsten aller Intendanten: "Nun, da können wir ja von Glück sagen, wenn wir
»Da öffneten ſich die ſteinernen Lippen und im Nachtwandlertone entglitt es ihnen: »Wie iſt's nur mög¬ lich — mit ſo einem Geſicht — mit ſo einem Geſicht …«
»Was befehlen Excellenz?« ſtammelte ich, nun ganz aus dem Häuschen.
»Jetzt — endlich belebten ſich die ſteinernen Züge — aber furchtbar für mich Aermſten. Und mit Donner und Blitz brach das Unwetter über mich los … Excellenz packten mich am Arm und zerrten mich vor den hohen Spiegel und ſchrieen förmlich wie außer ſich:
»Mit ſo einem Geſicht den Enzio ſpielen wollen — auf unſerem Burgtheater … Herr, waren's denn nicht bei Troſt — mit ſo einem Schuſterbub'ngeſicht? Haben's denn nie in einen Spiegel g'ſchaut … Jeſes! Jeſes! Mit ſo einem Fratzerl, das kein anſtändiger Menſch aufnimmt, wenn er's auf der Straß' liegen ſieht … König Enzio mit ſo einem Fratzerl …
»Doch — als wenn er jetzt plötzlich ein Verſtändniß dafür hätte, was in meinem armen Kadaver vorging — in gutmüthigerem Tone fuhr der Intendant fort: »Nun — nun — war nit ſo bös gemeint, aber ſein's g'ſcheidt, laſſen's ſich Honorar zahlen, reiſen's nach Haus, aber nehmen's Rath an und ſpielen's nie mehr den König Enzio, denn mit ſo einem Geſicht — mit ſo einem Schuſterbub'ngeſicht …«
Da lachte Pauli herzlich mit mir in der Salon- Fenſterniſche dieſes aufrichtigſten aller Intendanten: »Nun, da können wir ja von Glück ſagen, wenn wir
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»Da öffneten ſich die ſteinernen Lippen und im
Nachtwandlertone entglitt es ihnen: »Wie iſt's nur mög¬
lich — mit ſo einem Geſicht — mit ſo einem Geſicht …«
»Was befehlen Excellenz?« ſtammelte ich, nun ganz
aus dem Häuschen.
»Jetzt — endlich belebten ſich die ſteinernen Züge —
aber furchtbar für mich Aermſten. Und mit Donner
und Blitz brach das Unwetter über mich los … Excellenz
packten mich am Arm und zerrten mich vor den hohen
Spiegel und ſchrieen förmlich wie außer ſich:
»Mit ſo einem Geſicht den Enzio ſpielen wollen —
auf unſerem Burgtheater … Herr, waren's denn nicht
bei Troſt — mit ſo einem Schuſterbub'ngeſicht? Haben's
denn nie in einen Spiegel g'ſchaut … Jeſes! Jeſes! Mit
ſo einem Fratzerl, das kein anſtändiger Menſch aufnimmt,
wenn er's auf der Straß' liegen ſieht … König Enzio
mit ſo einem Fratzerl …
»Doch — als wenn er jetzt plötzlich ein Verſtändniß
dafür hätte, was in meinem armen Kadaver vorging —
in gutmüthigerem Tone fuhr der Intendant fort: »Nun
— nun — war nit ſo bös gemeint, aber ſein's g'ſcheidt,
laſſen's ſich Honorar zahlen, reiſen's nach Haus, aber
nehmen's Rath an und ſpielen's nie mehr den König
Enzio, denn mit ſo einem Geſicht — mit ſo einem
Schuſterbub'ngeſicht …«
Da lachte Pauli herzlich mit mir in der Salon-
Fenſterniſche dieſes aufrichtigſten aller Intendanten:
»Nun, da können wir ja von Glück ſagen, wenn wir
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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