Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

fehlte ihm nicht mehr als Alles zu dieser Rolle: Adel
und Schönheit der Gestalt, seelenvolles Organ und
poetischer Geistesschwung. Der arme Pollert hatte wirk¬
lich eins der flachsten, alltäglichsten Semmelgesichter, die
mir vorgekommen sind. Das Fiasko blieb auch nicht aus
-- König Enzio-Pollert fiel mehr als glänzend durch,
und nur der Gutmüthigkeit der Wiener hatte er es zu
danken, daß er seine Partie zu Ende spielen durfte.

"Doch -- lasse ich Freund Pollert jetzt selber seine
Geschichte weiter erzählen. Er begann stets mit einem
tiefen Seufzer: Der Intendant ließ mich am Morgen
nach diesem qualvollsten Abende meines Lebens zu sich
bitten. Mir war nicht allzu gut dabei zu Muth, als
ich das Empfangzimmer betrat. Graf Fürstenberg stand
in der Mitte des Zimmers -- kerzengerade, und meine
tiefe Verbeugung nicht durch das kleinste Kopfnicken
erwidernd. Dabei sah er mich so starr an, als
hätte ich die versteinernde Eigenschaft des Gorgonen¬
hauptes.

"Excellenz haben befohlen ..." stotterte ich nach
einer peinlichen Minute.

"Keine Antwort -- Excellenz starrten mich nur noch
steinerner an.

"Mir wurde ganz unheimlich zu Muth. Sollten
Excellenz an momentanem -- Nachtwandeln leiden?
Dann nahm ich mein Herz in beide Hände und begann
von Neuem: Excellenz hatten die Gewogenheit zu
befehlen . ."

fehlte ihm nicht mehr als Alles zu dieſer Rolle: Adel
und Schönheit der Geſtalt, ſeelenvolles Organ und
poetiſcher Geiſtesſchwung. Der arme Pollert hatte wirk¬
lich eins der flachſten, alltäglichſten Semmelgeſichter, die
mir vorgekommen ſind. Das Fiasko blieb auch nicht aus
— König Enzio-Pollert fiel mehr als glänzend durch,
und nur der Gutmüthigkeit der Wiener hatte er es zu
danken, daß er ſeine Partie zu Ende ſpielen durfte.

»Doch — laſſe ich Freund Pollert jetzt ſelber ſeine
Geſchichte weiter erzählen. Er begann ſtets mit einem
tiefen Seufzer: Der Intendant ließ mich am Morgen
nach dieſem qualvollſten Abende meines Lebens zu ſich
bitten. Mir war nicht allzu gut dabei zu Muth, als
ich das Empfangzimmer betrat. Graf Fürſtenberg ſtand
in der Mitte des Zimmers — kerzengerade, und meine
tiefe Verbeugung nicht durch das kleinſte Kopfnicken
erwidernd. Dabei ſah er mich ſo ſtarr an, als
hätte ich die verſteinernde Eigenſchaft des Gorgonen¬
hauptes.

»Excellenz haben befohlen …« ſtotterte ich nach
einer peinlichen Minute.

»Keine Antwort — Excellenz ſtarrten mich nur noch
ſteinerner an.

»Mir wurde ganz unheimlich zu Muth. Sollten
Excellenz an momentanem — Nachtwandeln leiden?
Dann nahm ich mein Herz in beide Hände und begann
von Neuem: Excellenz hatten die Gewogenheit zu
befehlen . .«

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0343" n="315"/>
fehlte ihm nicht mehr als Alles zu die&#x017F;er Rolle: Adel<lb/>
und Schönheit der Ge&#x017F;talt, &#x017F;eelenvolles Organ und<lb/>
poeti&#x017F;cher Gei&#x017F;tes&#x017F;chwung. Der arme Pollert hatte wirk¬<lb/>
lich eins der flach&#x017F;ten, alltäglich&#x017F;ten Semmelge&#x017F;ichter, die<lb/>
mir vorgekommen &#x017F;ind. Das Fiasko blieb auch nicht aus<lb/>
&#x2014; König Enzio-Pollert fiel mehr als glänzend durch,<lb/>
und nur der Gutmüthigkeit der Wiener hatte er es zu<lb/>
danken, daß er &#x017F;eine Partie zu Ende &#x017F;pielen durfte.</p><lb/>
        <p>»Doch &#x2014; la&#x017F;&#x017F;e ich Freund Pollert jetzt &#x017F;elber &#x017F;eine<lb/>
Ge&#x017F;chichte weiter erzählen. Er begann &#x017F;tets mit einem<lb/>
tiefen Seufzer: Der Intendant ließ mich am Morgen<lb/>
nach die&#x017F;em qualvoll&#x017F;ten Abende meines Lebens zu &#x017F;ich<lb/>
bitten. Mir war nicht allzu gut dabei zu Muth, als<lb/>
ich das Empfangzimmer betrat. Graf Für&#x017F;tenberg &#x017F;tand<lb/>
in der Mitte des Zimmers &#x2014; kerzengerade, und meine<lb/>
tiefe Verbeugung nicht durch das klein&#x017F;te Kopfnicken<lb/>
erwidernd. Dabei &#x017F;ah er mich &#x017F;o &#x017F;tarr an, als<lb/>
hätte ich die ver&#x017F;teinernde Eigen&#x017F;chaft des Gorgonen¬<lb/>
hauptes.</p><lb/>
        <p>»Excellenz haben befohlen &#x2026;« &#x017F;totterte ich nach<lb/>
einer peinlichen Minute.</p><lb/>
        <p>»Keine Antwort &#x2014; Excellenz &#x017F;tarrten mich nur noch<lb/>
&#x017F;teinerner an.</p><lb/>
        <p>»Mir wurde ganz unheimlich zu Muth. Sollten<lb/>
Excellenz an momentanem &#x2014; Nachtwandeln leiden?<lb/>
Dann nahm ich mein Herz in beide Hände und begann<lb/>
von Neuem: Excellenz hatten die Gewogenheit zu<lb/>
befehlen . .«<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0343] fehlte ihm nicht mehr als Alles zu dieſer Rolle: Adel und Schönheit der Geſtalt, ſeelenvolles Organ und poetiſcher Geiſtesſchwung. Der arme Pollert hatte wirk¬ lich eins der flachſten, alltäglichſten Semmelgeſichter, die mir vorgekommen ſind. Das Fiasko blieb auch nicht aus — König Enzio-Pollert fiel mehr als glänzend durch, und nur der Gutmüthigkeit der Wiener hatte er es zu danken, daß er ſeine Partie zu Ende ſpielen durfte. »Doch — laſſe ich Freund Pollert jetzt ſelber ſeine Geſchichte weiter erzählen. Er begann ſtets mit einem tiefen Seufzer: Der Intendant ließ mich am Morgen nach dieſem qualvollſten Abende meines Lebens zu ſich bitten. Mir war nicht allzu gut dabei zu Muth, als ich das Empfangzimmer betrat. Graf Fürſtenberg ſtand in der Mitte des Zimmers — kerzengerade, und meine tiefe Verbeugung nicht durch das kleinſte Kopfnicken erwidernd. Dabei ſah er mich ſo ſtarr an, als hätte ich die verſteinernde Eigenſchaft des Gorgonen¬ hauptes. »Excellenz haben befohlen …« ſtotterte ich nach einer peinlichen Minute. »Keine Antwort — Excellenz ſtarrten mich nur noch ſteinerner an. »Mir wurde ganz unheimlich zu Muth. Sollten Excellenz an momentanem — Nachtwandeln leiden? Dann nahm ich mein Herz in beide Hände und begann von Neuem: Excellenz hatten die Gewogenheit zu befehlen . .«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/343
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/343>, abgerufen am 22.11.2024.