uraltes Haus, das erst 1841 durch Semper's herrliches architektonisch prächtiges Theater -- heute auch schon eine Brandruine! -- ersetzt wurde. Etwas Schmuck¬ loseres kann man sich kaum denken, als dies alte Dresdener Hoftheater. Es hatte eine melancholische, trübe grüne Farbe und von Luxus keine Spur. Dabei war es kaum nothdürftig beleuchtet. Das Posener, Grazer, selbst das Linzer Schauspielhaus, in denen ich kürzlich gastirt hatte, schauten frohmüthiger darein.
Das Publikum nahm geräuschlos Platz und erschien einfach, gar nicht aufgeputzt. Es fehlten die glänzenden Uniformen Petersburgs, die eleganten Damen Wiens, die schönen Prinzen und Prinzessinnen Berlins in den Hoflogen. Aber wie sympathisch wurde mir während der Vorstellung dieses Publikum! Wie heimelte es mich an, -- ja, wie rührte mich das aufmerksame, fast andächtige Lauschen, mich an die Blütezeit klassischer Kunst in Berlin erinnernd, wenn Ludwig Devrient, Alexander Wolff, Rebenstein, Lemm, Auguste Stich, Amalie Wolff, Louise v. Holtei die Zuschauer entzückten, rührten, erhoben!
Der Beifall zeigte sich nicht überlaut. Nur hin und wieder, bei besonders ergreifenden Stellen, brach er los -- unaufhaltsam -- aus vollem Herzen!
Als Tasso bei der wieder erlangten Freiheit aufjubelt -- da jubelte das bewegte Publikum stürmisch mit. Aber, wie gab Emil Devrient auch diesen Tasso! Alles war ideal schön -- harmonisch -- edel an dem Künstler: der
uraltes Haus, das erſt 1841 durch Semper's herrliches architektoniſch prächtiges Theater — heute auch ſchon eine Brandruine! — erſetzt wurde. Etwas Schmuck¬ loſeres kann man ſich kaum denken, als dies alte Dresdener Hoftheater. Es hatte eine melancholiſche, trübe grüne Farbe und von Luxus keine Spur. Dabei war es kaum nothdürftig beleuchtet. Das Poſener, Grazer, ſelbſt das Linzer Schauſpielhaus, in denen ich kürzlich gaſtirt hatte, ſchauten frohmüthiger darein.
Das Publikum nahm geräuſchlos Platz und erſchien einfach, gar nicht aufgeputzt. Es fehlten die glänzenden Uniformen Petersburgs, die eleganten Damen Wiens, die ſchönen Prinzen und Prinzeſſinnen Berlins in den Hoflogen. Aber wie ſympathiſch wurde mir während der Vorſtellung dieſes Publikum! Wie heimelte es mich an, — ja, wie rührte mich das aufmerkſame, faſt andächtige Lauſchen, mich an die Blütezeit klaſſiſcher Kunſt in Berlin erinnernd, wenn Ludwig Devrient, Alexander Wolff, Rebenſtein, Lemm, Auguſte Stich, Amalie Wolff, Louiſe v. Holtei die Zuſchauer entzückten, rührten, erhoben!
Der Beifall zeigte ſich nicht überlaut. Nur hin und wieder, bei beſonders ergreifenden Stellen, brach er los — unaufhaltſam — aus vollem Herzen!
Als Taſſo bei der wieder erlangten Freiheit aufjubelt — da jubelte das bewegte Publikum ſtürmiſch mit. Aber, wie gab Emil Devrient auch dieſen Taſſo! Alles war ideal ſchön — harmoniſch — edel an dem Künſtler: der
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uraltes Haus, das erſt 1841 durch Semper's herrliches
architektoniſch prächtiges Theater — heute auch ſchon
eine Brandruine! — erſetzt wurde. Etwas Schmuck¬
loſeres kann man ſich kaum denken, als dies alte Dresdener
Hoftheater. Es hatte eine melancholiſche, trübe grüne
Farbe und von Luxus keine Spur. Dabei war es kaum
nothdürftig beleuchtet. Das Poſener, Grazer, ſelbſt das
Linzer Schauſpielhaus, in denen ich kürzlich gaſtirt hatte,
ſchauten frohmüthiger darein.
Das Publikum nahm geräuſchlos Platz und erſchien
einfach, gar nicht aufgeputzt. Es fehlten die glänzenden
Uniformen Petersburgs, die eleganten Damen Wiens,
die ſchönen Prinzen und Prinzeſſinnen Berlins in den
Hoflogen. Aber wie ſympathiſch wurde mir während
der Vorſtellung dieſes Publikum! Wie heimelte es mich
an, — ja, wie rührte mich das aufmerkſame, faſt
andächtige Lauſchen, mich an die Blütezeit klaſſiſcher
Kunſt in Berlin erinnernd, wenn Ludwig Devrient,
Alexander Wolff, Rebenſtein, Lemm, Auguſte Stich,
Amalie Wolff, Louiſe v. Holtei die Zuſchauer entzückten,
rührten, erhoben!
Der Beifall zeigte ſich nicht überlaut. Nur hin und
wieder, bei beſonders ergreifenden Stellen, brach er
los — unaufhaltſam — aus vollem Herzen!
Als Taſſo bei der wieder erlangten Freiheit aufjubelt
— da jubelte das bewegte Publikum ſtürmiſch mit. Aber,
wie gab Emil Devrient auch dieſen Taſſo! Alles war
ideal ſchön — harmoniſch — edel an dem Künſtler: der
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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