satyrische Winkler diese nicht geduldig einsteckte, sondern in gleicher Münze erwiderte, können Sie sich denken."
Das war der Prolog zu meiner ersten Vorstellung bei Ludwig Tieck. Ich lachte wohl Anfangs über die possirlichen Situationen jener Banditenbildergeschichte, die Sternberg mir mit so vieler Laune und drastischer Mimik gezeichnet hatte -- aber dann wurde mir doch das Herz etwas schwer bei dem Gedanken: wie wird Dir es mit deiner Lachlust und übermüthig ungezügelten Zunge bei diesem empfindlichen Dramaturgen ergehen?!
Nicht ohne Herzklopfen betrat ich das durch Tieck so berühmt gewordene Eckhaus am Altmarkt.
Eine alte, freundliche Magd empfing uns mit den Worten: "Der Herr Hofrath erwartet Sie!"
"Ein gutes Omen!" flüsterte mir Sternberg zu, der meine Befangenheit bemerkte, "Nicht Jeder darf sich eines solchen Empfanges rühmen. Sie sind ihm sehr willkommen!"
Wir traten in einen geräumigen Salon. Zugleich öffnete sich die Thüre des Nebenzimmers und -- vor mir stand der berühmte Dichter in seiner ganzen bezaubernden Liebenswürdigkeit.
Tieck war damals bereits 61 Jahre alt, hatte aber in seiner Persönlichkeit und besonders in seinem Wesen etwas ungemein Frisches, anmuthig Jugendliches. Er trug einen langen schwarzen, talarartigen Sammetrock mit weiten Aermeln a la Raphael und ein schwarzes Sammetkäppchen, welches ein wenig kokett aussah, dem
ſatyriſche Winkler dieſe nicht geduldig einſteckte, ſondern in gleicher Münze erwiderte, können Sie ſich denken.«
Das war der Prolog zu meiner erſten Vorſtellung bei Ludwig Tieck. Ich lachte wohl Anfangs über die poſſirlichen Situationen jener Banditenbildergeſchichte, die Sternberg mir mit ſo vieler Laune und draſtiſcher Mimik gezeichnet hatte — aber dann wurde mir doch das Herz etwas ſchwer bei dem Gedanken: wie wird Dir es mit deiner Lachluſt und übermüthig ungezügelten Zunge bei dieſem empfindlichen Dramaturgen ergehen?!
Nicht ohne Herzklopfen betrat ich das durch Tieck ſo berühmt gewordene Eckhaus am Altmarkt.
Eine alte, freundliche Magd empfing uns mit den Worten: »Der Herr Hofrath erwartet Sie!«
»Ein gutes Omen!« flüſterte mir Sternberg zu, der meine Befangenheit bemerkte, »Nicht Jeder darf ſich eines ſolchen Empfanges rühmen. Sie ſind ihm ſehr willkommen!«
Wir traten in einen geräumigen Salon. Zugleich öffnete ſich die Thüre des Nebenzimmers und — vor mir ſtand der berühmte Dichter in ſeiner ganzen bezaubernden Liebenswürdigkeit.
Tieck war damals bereits 61 Jahre alt, hatte aber in ſeiner Perſönlichkeit und beſonders in ſeinem Weſen etwas ungemein Friſches, anmuthig Jugendliches. Er trug einen langen ſchwarzen, talarartigen Sammetrock mit weiten Aermeln à la Raphael und ein ſchwarzes Sammetkäppchen, welches ein wenig kokett ausſah, dem
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ſatyriſche Winkler dieſe nicht geduldig einſteckte, ſondern
in gleicher Münze erwiderte, können Sie ſich denken.«
Das war der Prolog zu meiner erſten Vorſtellung
bei Ludwig Tieck. Ich lachte wohl Anfangs über die
poſſirlichen Situationen jener Banditenbildergeſchichte, die
Sternberg mir mit ſo vieler Laune und draſtiſcher Mimik
gezeichnet hatte — aber dann wurde mir doch das Herz
etwas ſchwer bei dem Gedanken: wie wird Dir es mit
deiner Lachluſt und übermüthig ungezügelten Zunge bei
dieſem empfindlichen Dramaturgen ergehen?!
Nicht ohne Herzklopfen betrat ich das durch Tieck
ſo berühmt gewordene Eckhaus am Altmarkt.
Eine alte, freundliche Magd empfing uns mit den
Worten: »Der Herr Hofrath erwartet Sie!«
»Ein gutes Omen!« flüſterte mir Sternberg zu,
der meine Befangenheit bemerkte, »Nicht Jeder darf ſich
eines ſolchen Empfanges rühmen. Sie ſind ihm ſehr
willkommen!«
Wir traten in einen geräumigen Salon. Zugleich
öffnete ſich die Thüre des Nebenzimmers und — vor mir
ſtand der berühmte Dichter in ſeiner ganzen bezaubernden
Liebenswürdigkeit.
Tieck war damals bereits 61 Jahre alt, hatte aber
in ſeiner Perſönlichkeit und beſonders in ſeinem Weſen
etwas ungemein Friſches, anmuthig Jugendliches. Er
trug einen langen ſchwarzen, talarartigen Sammetrock
mit weiten Aermeln à la Raphael und ein ſchwarzes
Sammetkäppchen, welches ein wenig kokett ausſah, dem
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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