Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Tieck lächelte fein: "Der Geist überwindet auch das!
Ich wünschte, Sie versuchten einmal die Maria Stuart.
Ich werde die Rolle gern mit Ihnen durchgehen -- wie
ich sie einst mit Friederike Bethmann durchging. Die glaubte
Anfangs auch, nur für naive und sentimentale Rollen ge¬
schaffen zu sein -- und sie wurde die größte Maria Stuart
ihrer Zeit. Sie sollen jetzt durch mich von der Beth¬
mann lernen -- auch, wie man in der Gartenßene
königlich stolz auf die Elisabeth zuschreiten kann: denn
ich bin Euer König!" -- ohne zu thun, als wollte
man ihr -- Eins versetzen, wie manche modernen be¬
rühmten Maria Stuarts diese Szene so gern spielen,"
schloß er scherzend, aber doch ein wenig verächtlich.

Ich dankte dem Meister von Herzen, versprach Alles,
auch mit der Mutter am Abende zur Vorlesung zu
kommen -- und ging bezaubert nach Hause. Tieck's
ganze bedeutende und so hinreißend liebenswürdige Per¬
sönlichkeit, das Magnetische seiner Augen, das Be¬
rauschende seiner Sprache, der Zauber seines Lächelns
hatten mich ganz gefangen. Wie weggeweht war Alles,
was ich über seine Eitelkeit, Herrschsucht, Ungerechtigkeit,
Empfindlichkeit und kleinliche Rachsucht gehört und was
mir das Herz selber so schwer und mißtrauisch gemacht
hatte.

Als Sternberg über meine Begeisterung lächelte:
"So ist es schon Vielen bei Tieck's erstem Sehen ergangen,
aber sie sind nur zu schnell furchtbar abgekühlt worden!"
-- da rief ich fast unartig: "So gönnen Sie mir doch

Tieck lächelte fein: »Der Geiſt überwindet auch das!
Ich wünſchte, Sie verſuchten einmal die Maria Stuart.
Ich werde die Rolle gern mit Ihnen durchgehen — wie
ich ſie einſt mit Friederike Bethmann durchging. Die glaubte
Anfangs auch, nur für naive und ſentimentale Rollen ge¬
ſchaffen zu ſein — und ſie wurde die größte Maria Stuart
ihrer Zeit. Sie ſollen jetzt durch mich von der Beth¬
mann lernen — auch, wie man in der Gartenſzene
königlich ſtolz auf die Eliſabeth zuſchreiten kann: denn
ich bin Euer König!« — ohne zu thun, als wollte
man ihr — Eins verſetzen, wie manche modernen be¬
rühmten Maria Stuarts dieſe Szene ſo gern ſpielen,«
ſchloß er ſcherzend, aber doch ein wenig verächtlich.

Ich dankte dem Meiſter von Herzen, verſprach Alles,
auch mit der Mutter am Abende zur Vorleſung zu
kommen — und ging bezaubert nach Hauſe. Tieck's
ganze bedeutende und ſo hinreißend liebenswürdige Per¬
ſönlichkeit, das Magnetiſche ſeiner Augen, das Be¬
rauſchende ſeiner Sprache, der Zauber ſeines Lächelns
hatten mich ganz gefangen. Wie weggeweht war Alles,
was ich über ſeine Eitelkeit, Herrſchſucht, Ungerechtigkeit,
Empfindlichkeit und kleinliche Rachſucht gehört und was
mir das Herz ſelber ſo ſchwer und mißtrauiſch gemacht
hatte.

Als Sternberg über meine Begeiſterung lächelte:
»So iſt es ſchon Vielen bei Tieck's erſtem Sehen ergangen,
aber ſie ſind nur zu ſchnell furchtbar abgekühlt worden!«
— da rief ich faſt unartig: »So gönnen Sie mir doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0401" n="373"/>
        <p>Tieck lächelte fein: »Der Gei&#x017F;t überwindet auch das!<lb/>
Ich wün&#x017F;chte, Sie ver&#x017F;uchten einmal die Maria Stuart.<lb/>
Ich werde die Rolle gern mit Ihnen durchgehen &#x2014; wie<lb/>
ich &#x017F;ie ein&#x017F;t mit Friederike Bethmann durchging. Die glaubte<lb/>
Anfangs auch, nur für naive und &#x017F;entimentale Rollen ge¬<lb/>
&#x017F;chaffen zu &#x017F;ein &#x2014; und &#x017F;ie wurde die größte Maria Stuart<lb/>
ihrer Zeit. Sie &#x017F;ollen jetzt durch mich von der Beth¬<lb/>
mann lernen &#x2014; auch, wie man in der Garten&#x017F;zene<lb/>
königlich &#x017F;tolz auf die Eli&#x017F;abeth zu&#x017F;chreiten kann: denn<lb/>
ich bin Euer <hi rendition="#g">König</hi>&#x2014; ohne zu thun, als wollte<lb/>
man ihr &#x2014; Eins ver&#x017F;etzen, wie manche modernen be¬<lb/>
rühmten Maria Stuarts die&#x017F;e Szene &#x017F;o gern &#x017F;pielen,«<lb/>
&#x017F;chloß er &#x017F;cherzend, aber doch ein wenig verächtlich.</p><lb/>
        <p>Ich dankte dem Mei&#x017F;ter von Herzen, ver&#x017F;prach Alles,<lb/>
auch mit der Mutter am Abende zur Vorle&#x017F;ung zu<lb/>
kommen &#x2014; und ging bezaubert nach Hau&#x017F;e. Tieck's<lb/>
ganze bedeutende und &#x017F;o hinreißend liebenswürdige Per¬<lb/>
&#x017F;önlichkeit, das Magneti&#x017F;che &#x017F;einer Augen, das Be¬<lb/>
rau&#x017F;chende &#x017F;einer Sprache, der Zauber &#x017F;eines Lächelns<lb/>
hatten mich ganz gefangen. Wie weggeweht war Alles,<lb/>
was ich über &#x017F;eine Eitelkeit, Herr&#x017F;ch&#x017F;ucht, Ungerechtigkeit,<lb/>
Empfindlichkeit und kleinliche Rach&#x017F;ucht gehört und was<lb/>
mir das Herz &#x017F;elber &#x017F;o &#x017F;chwer und mißtraui&#x017F;ch gemacht<lb/>
hatte.</p><lb/>
        <p>Als Sternberg über meine Begei&#x017F;terung lächelte:<lb/>
»So i&#x017F;t es &#x017F;chon Vielen bei Tieck's er&#x017F;tem Sehen ergangen,<lb/>
aber &#x017F;ie &#x017F;ind nur zu &#x017F;chnell furchtbar abgekühlt worden!«<lb/>
&#x2014; da rief ich fa&#x017F;t unartig: »So gönnen Sie mir doch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0401] Tieck lächelte fein: »Der Geiſt überwindet auch das! Ich wünſchte, Sie verſuchten einmal die Maria Stuart. Ich werde die Rolle gern mit Ihnen durchgehen — wie ich ſie einſt mit Friederike Bethmann durchging. Die glaubte Anfangs auch, nur für naive und ſentimentale Rollen ge¬ ſchaffen zu ſein — und ſie wurde die größte Maria Stuart ihrer Zeit. Sie ſollen jetzt durch mich von der Beth¬ mann lernen — auch, wie man in der Gartenſzene königlich ſtolz auf die Eliſabeth zuſchreiten kann: denn ich bin Euer König!« — ohne zu thun, als wollte man ihr — Eins verſetzen, wie manche modernen be¬ rühmten Maria Stuarts dieſe Szene ſo gern ſpielen,« ſchloß er ſcherzend, aber doch ein wenig verächtlich. Ich dankte dem Meiſter von Herzen, verſprach Alles, auch mit der Mutter am Abende zur Vorleſung zu kommen — und ging bezaubert nach Hauſe. Tieck's ganze bedeutende und ſo hinreißend liebenswürdige Per¬ ſönlichkeit, das Magnetiſche ſeiner Augen, das Be¬ rauſchende ſeiner Sprache, der Zauber ſeines Lächelns hatten mich ganz gefangen. Wie weggeweht war Alles, was ich über ſeine Eitelkeit, Herrſchſucht, Ungerechtigkeit, Empfindlichkeit und kleinliche Rachſucht gehört und was mir das Herz ſelber ſo ſchwer und mißtrauiſch gemacht hatte. Als Sternberg über meine Begeiſterung lächelte: »So iſt es ſchon Vielen bei Tieck's erſtem Sehen ergangen, aber ſie ſind nur zu ſchnell furchtbar abgekühlt worden!« — da rief ich faſt unartig: »So gönnen Sie mir doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/401
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/401>, abgerufen am 22.11.2024.