diesen Traum, er beglückt mich ja so sehr! Und an mir soll es sicher nicht liegen, daß ich so bald daraus erwache, wie Andere. Es wird stets mein Stolz sein, von Ludwig Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich versuchen, die größte Geduld mit seinen Eigenheiten und kleinen Schwächen zu haben, ohne mir selber untreu zu werden ... und sollte ich nach Jahren dennoch in Un¬ gnade fallen, in Tieck's Hause Enttäuschungen und Kränkungen erfahren haben -- so werde ich mich doch stets dankbar dieser heutigen und -- so Gott will -- noch vieler solcher Gnadenstunden bei Ludwig Tieck erinnern ..."
Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und tranken vielen starken schwarzen Kaffee, -- zur Nerven¬ stärkung vor der gefürchteten ersten Vorlesung bei Tieck. Schönstens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem Altmarkt. Der Mutter hatten der schwarze Kaffee und die Angst vor der Vorlesung rothe Bäckchen gemacht, und die standen ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den schon seit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬ liebst. Ich war stolz auf die schöne Mutter und gefiel mir in dem modischen Wiener Staate des Herrn von Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufstiegen, bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬ lesung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den kleinsten Blick an das Elend von Alexander und Darius zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns
dieſen Traum, er beglückt mich ja ſo ſehr! Und an mir ſoll es ſicher nicht liegen, daß ich ſo bald daraus erwache, wie Andere. Es wird ſtets mein Stolz ſein, von Ludwig Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich verſuchen, die größte Geduld mit ſeinen Eigenheiten und kleinen Schwächen zu haben, ohne mir ſelber untreu zu werden … und ſollte ich nach Jahren dennoch in Un¬ gnade fallen, in Tieck's Hauſe Enttäuſchungen und Kränkungen erfahren haben — ſo werde ich mich doch ſtets dankbar dieſer heutigen und — ſo Gott will — noch vieler ſolcher Gnadenſtunden bei Ludwig Tieck erinnern …«
Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und tranken vielen ſtarken ſchwarzen Kaffee, — zur Nerven¬ ſtärkung vor der gefürchteten erſten Vorleſung bei Tieck. Schönſtens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem Altmarkt. Der Mutter hatten der ſchwarze Kaffee und die Angſt vor der Vorleſung rothe Bäckchen gemacht, und die ſtanden ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den ſchon ſeit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬ liebſt. Ich war ſtolz auf die ſchöne Mutter und gefiel mir in dem modiſchen Wiener Staate des Herrn von Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufſtiegen, bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬ leſung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den kleinſten Blick an das Elend von Alexander und Darius zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0402"n="374"/>
dieſen Traum, er beglückt mich ja ſo ſehr! Und an mir<lb/>ſoll es ſicher nicht liegen, daß ich ſo bald daraus erwache,<lb/>
wie Andere. Es wird ſtets mein Stolz ſein, von Ludwig<lb/>
Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich<lb/>
verſuchen, die größte Geduld mit ſeinen Eigenheiten und<lb/>
kleinen Schwächen zu haben, ohne mir ſelber untreu zu<lb/>
werden … und ſollte ich nach Jahren dennoch in Un¬<lb/>
gnade fallen, in Tieck's Hauſe Enttäuſchungen und<lb/>
Kränkungen erfahren haben —ſo werde ich mich doch<lb/>ſtets dankbar dieſer heutigen und —ſo Gott will — noch<lb/>
vieler ſolcher Gnadenſtunden bei Ludwig Tieck erinnern …«</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und<lb/>
tranken vielen ſtarken ſchwarzen Kaffee, — zur Nerven¬<lb/>ſtärkung vor der gefürchteten erſten Vorleſung bei Tieck.<lb/>
Schönſtens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem<lb/>
Altmarkt. Der Mutter hatten der ſchwarze Kaffee und<lb/>
die Angſt vor der Vorleſung rothe Bäckchen gemacht,<lb/>
und die ſtanden ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den<lb/>ſchon ſeit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬<lb/>
liebſt. Ich war ſtolz auf die ſchöne Mutter und gefiel<lb/>
mir in dem modiſchen Wiener Staate des Herrn von<lb/>
Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufſtiegen,<lb/>
bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬<lb/>
leſung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den<lb/>
kleinſten Blick an das Elend von Alexander und Darius<lb/>
zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns<lb/></p></div></body></text></TEI>
[374/0402]
dieſen Traum, er beglückt mich ja ſo ſehr! Und an mir
ſoll es ſicher nicht liegen, daß ich ſo bald daraus erwache,
wie Andere. Es wird ſtets mein Stolz ſein, von Ludwig
Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich
verſuchen, die größte Geduld mit ſeinen Eigenheiten und
kleinen Schwächen zu haben, ohne mir ſelber untreu zu
werden … und ſollte ich nach Jahren dennoch in Un¬
gnade fallen, in Tieck's Hauſe Enttäuſchungen und
Kränkungen erfahren haben — ſo werde ich mich doch
ſtets dankbar dieſer heutigen und — ſo Gott will — noch
vieler ſolcher Gnadenſtunden bei Ludwig Tieck erinnern …«
Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und
tranken vielen ſtarken ſchwarzen Kaffee, — zur Nerven¬
ſtärkung vor der gefürchteten erſten Vorleſung bei Tieck.
Schönſtens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem
Altmarkt. Der Mutter hatten der ſchwarze Kaffee und
die Angſt vor der Vorleſung rothe Bäckchen gemacht,
und die ſtanden ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den
ſchon ſeit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬
liebſt. Ich war ſtolz auf die ſchöne Mutter und gefiel
mir in dem modiſchen Wiener Staate des Herrn von
Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufſtiegen,
bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬
leſung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den
kleinſten Blick an das Elend von Alexander und Darius
zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/402>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.