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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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gegenseitig keine Schande zu machen. "Lina, wenn es
doch ein Lustspiel wäre!" -- dieser Seufzer der Mutter
klang schon in das bunte Summen hinein, das uns
beim Ablegen der Ueberkleider im Entree durch die Saal¬
thür umrauschte. "Wohl große Gesellschaft?" fragte ich
die alte, freundliche Dienerin. "O, nur dreißig Personen!"
war ihre würdevolle Antwort. Es lag in diesen "nur"
der echte, prächtige Dienstbotenstolz: "Ja, aufgeschaut
und allen Respekt! Wir sind sehr gesuchte, berühmte
Leute!"

Der Saal war brillant erleuchtet. Stattlich, freund¬
lich trat uns Ludwig Tieck im schwarzen Frack und weißen
Halstuch entgegen. Er führte uns zu einem Sopha am
Ende des Saales und stellte uns einer winzigen alten
Dame vor, deren schmales Gesichtchen vor lauter Tüll¬
rüschen und weißen Spitzentüchelchen vollends verschwand:
-- Gräfin Finkenstein. Die Mutter mußte neben ihr
Platz nehmen. Mich führte der Hofrath zu seinen Töchtern
Dorothea und Agnes, zwei liebenswürdigen Mädchen
mit sanften, klugen Augen und herzenswarmem Hände¬
druck. Dann kam mein bei meinen Freunden so be¬
rühmtes und bei andern Leuten auch wohl etwas be¬
rüchtigtes Spießruthen-Vorstellungs-Halbkompliment zur
vollsten Geltung: "Baronin Friesen -- Frl. von Brunnow
-- Frau von Bülow -- Frl. Reinhold -- Hofrath Ca¬
rus -- Herr von Bandissin nebst (bildschöner) Tochter"
... und so ging es noch eine Weile fort, bis Dorothea
mich in einen stillen Winkel zu ihrer Mutter und zu

gegenſeitig keine Schande zu machen. »Lina, wenn es
doch ein Luſtſpiel wäre!« — dieſer Seufzer der Mutter
klang ſchon in das bunte Summen hinein, das uns
beim Ablegen der Ueberkleider im Entree durch die Saal¬
thür umrauſchte. »Wohl große Geſellſchaft?« fragte ich
die alte, freundliche Dienerin. »O, nur dreißig Perſonen!«
war ihre würdevolle Antwort. Es lag in dieſen »nur«
der echte, prächtige Dienſtbotenſtolz: »Ja, aufgeſchaut
und allen Reſpekt! Wir ſind ſehr geſuchte, berühmte
Leute!«

Der Saal war brillant erleuchtet. Stattlich, freund¬
lich trat uns Ludwig Tieck im ſchwarzen Frack und weißen
Halstuch entgegen. Er führte uns zu einem Sopha am
Ende des Saales und ſtellte uns einer winzigen alten
Dame vor, deren ſchmales Geſichtchen vor lauter Tüll¬
rüſchen und weißen Spitzentüchelchen vollends verſchwand:
— Gräfin Finkenſtein. Die Mutter mußte neben ihr
Platz nehmen. Mich führte der Hofrath zu ſeinen Töchtern
Dorothea und Agnes, zwei liebenswürdigen Mädchen
mit ſanften, klugen Augen und herzenswarmem Hände¬
druck. Dann kam mein bei meinen Freunden ſo be¬
rühmtes und bei andern Leuten auch wohl etwas be¬
rüchtigtes Spießruthen-Vorſtellungs-Halbkompliment zur
vollſten Geltung: »Baronin Frieſen — Frl. von Brunnow
— Frau von Bülow — Frl. Reinhold — Hofrath Ca¬
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[375/0403] gegenſeitig keine Schande zu machen. »Lina, wenn es doch ein Luſtſpiel wäre!« — dieſer Seufzer der Mutter klang ſchon in das bunte Summen hinein, das uns beim Ablegen der Ueberkleider im Entree durch die Saal¬ thür umrauſchte. »Wohl große Geſellſchaft?« fragte ich die alte, freundliche Dienerin. »O, nur dreißig Perſonen!« war ihre würdevolle Antwort. Es lag in dieſen »nur« der echte, prächtige Dienſtbotenſtolz: »Ja, aufgeſchaut und allen Reſpekt! Wir ſind ſehr geſuchte, berühmte Leute!« Der Saal war brillant erleuchtet. Stattlich, freund¬ lich trat uns Ludwig Tieck im ſchwarzen Frack und weißen Halstuch entgegen. Er führte uns zu einem Sopha am Ende des Saales und ſtellte uns einer winzigen alten Dame vor, deren ſchmales Geſichtchen vor lauter Tüll¬ rüſchen und weißen Spitzentüchelchen vollends verſchwand: — Gräfin Finkenſtein. Die Mutter mußte neben ihr Platz nehmen. Mich führte der Hofrath zu ſeinen Töchtern Dorothea und Agnes, zwei liebenswürdigen Mädchen mit ſanften, klugen Augen und herzenswarmem Hände¬ druck. Dann kam mein bei meinen Freunden ſo be¬ rühmtes und bei andern Leuten auch wohl etwas be¬ rüchtigtes Spießruthen-Vorſtellungs-Halbkompliment zur vollſten Geltung: »Baronin Frieſen — Frl. von Brunnow — Frau von Bülow — Frl. Reinhold — Hofrath Ca¬ rus — Herr von Bandiſſin nebſt (bildſchöner) Tochter« … und ſo ging es noch eine Weile fort, bis Dorothea mich in einen ſtillen Winkel zu ihrer Mutter und zu

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/403>, abgerufen am 22.11.2024.