Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.Julie Rettich führte. Die Hofräthin sah leidend aus und Als ich der Rettich mein Entzücken über ihre vollen¬ Inzwischen hatte ich aber auch Auge und Ohr für Julie Rettich führte. Die Hofräthin ſah leidend aus und Als ich der Rettich mein Entzücken über ihre vollen¬ Inzwiſchen hatte ich aber auch Auge und Ohr für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0404" n="376"/> Julie Rettich führte. Die Hofräthin ſah leidend aus und<lb/> lehnte in einem hohen Lehnſeſſel — ſo ergeben, eine<lb/> Dulderin in der frohen Geſellſchaft! Aber es wurde mir<lb/> gleich heimiſch in dieſem ſtillen Winkel, und ich dachte<lb/> wie Hebel's Haferkörnle: »Do blieb i! was no us mer<lb/> will werde!«</p><lb/> <p>Als ich der Rettich mein Entzücken über ihre vollen¬<lb/> dete Kunſtleiſtung in »Taſſo's Tod« ausdrückte … als<lb/> mir das Herz immer lebendiger auf die Zunge trat —<lb/> — da ſahen mich Mutter und Tochter Tieck wie erſtaunt<lb/> an, als wollten ſie ſagen: »Es giebt alſo doch noch<lb/> Wunder: eine Schauſpielerin, die gerecht gegen ihre<lb/> Rivalin iſt!« Und ſie wurden immer zutraulicher …<lb/> und ehe noch das Klappern der Theetaſſen aufgehört<lb/> hatte, ſagte ich mir mit Freude: »Der gute Böttiger<lb/> hat Recht! Die Beiden bleiben Dir treu — wenn des<lb/> Dramaturgen Gnadenſonne auch dereinſt für Dich unter¬<lb/> gegangen iſt!«</p><lb/> <p>Inzwiſchen hatte ich aber auch Auge und Ohr für<lb/> die übrige Geſellſchaft offen gehabt. Wie ein <hi rendition="#aq">Grand<lb/> Seigneur</hi> wandelte Tieck unter ſeinem Hofſtaate umher,<lb/> bald hier ein freundlich Wort, bald dort ein Lächeln<lb/> ſpendend. Bei aller Liebenswürdigkeit hatte dies »ar¬<lb/> tiger Wirth ſein« doch einen kleinen Anflug von Herab¬<lb/> laſſung. Wenn er nur den Mund aufthat, ſah ich die<lb/> Tüllrüſchen der Gräfin nebſt Zubehör vor Bewunderung<lb/> und Entzücken förmlich vibriren. Dabei herrſchte eine<lb/> tropiſche Hitze in dem Saal und die vielen Lampen waren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [376/0404]
Julie Rettich führte. Die Hofräthin ſah leidend aus und
lehnte in einem hohen Lehnſeſſel — ſo ergeben, eine
Dulderin in der frohen Geſellſchaft! Aber es wurde mir
gleich heimiſch in dieſem ſtillen Winkel, und ich dachte
wie Hebel's Haferkörnle: »Do blieb i! was no us mer
will werde!«
Als ich der Rettich mein Entzücken über ihre vollen¬
dete Kunſtleiſtung in »Taſſo's Tod« ausdrückte … als
mir das Herz immer lebendiger auf die Zunge trat —
— da ſahen mich Mutter und Tochter Tieck wie erſtaunt
an, als wollten ſie ſagen: »Es giebt alſo doch noch
Wunder: eine Schauſpielerin, die gerecht gegen ihre
Rivalin iſt!« Und ſie wurden immer zutraulicher …
und ehe noch das Klappern der Theetaſſen aufgehört
hatte, ſagte ich mir mit Freude: »Der gute Böttiger
hat Recht! Die Beiden bleiben Dir treu — wenn des
Dramaturgen Gnadenſonne auch dereinſt für Dich unter¬
gegangen iſt!«
Inzwiſchen hatte ich aber auch Auge und Ohr für
die übrige Geſellſchaft offen gehabt. Wie ein Grand
Seigneur wandelte Tieck unter ſeinem Hofſtaate umher,
bald hier ein freundlich Wort, bald dort ein Lächeln
ſpendend. Bei aller Liebenswürdigkeit hatte dies »ar¬
tiger Wirth ſein« doch einen kleinen Anflug von Herab¬
laſſung. Wenn er nur den Mund aufthat, ſah ich die
Tüllrüſchen der Gräfin nebſt Zubehör vor Bewunderung
und Entzücken förmlich vibriren. Dabei herrſchte eine
tropiſche Hitze in dem Saal und die vielen Lampen waren
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