Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.Bruder Friedrich, den später so berühmten Bildhauer, Erinnerungen etc. 25
Bruder Friedrich, den ſpäter ſo berühmten Bildhauer, Erinnerungen ꝛc. 25
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0413" n="385"/> Bruder Friedrich, den ſpäter ſo berühmten Bildhauer,<lb/> mit dem ihm wunderbar eigenen Stimmnachahmungs¬<lb/> talent lebhaft bei uns ein. Er ſchilderte uns ſein Kinder¬<lb/> entzücken, wie er als erſtes Buch nach der Bibel und<lb/> dem Porſt den »Götz von Berlichingen« geleſen und<lb/> zum erſten Mal eine Aufführung im Berliner Schauſpiel¬<lb/> hauſe anſehen — nein, mitleben durfte. Da waren all'<lb/> ſeine Gedanken für's Theater gefangen. Er zimmerte<lb/> und kleiſterte ſich ein Puppentheater zurecht und führte<lb/> den Götz von Berlichingen und die Räuber auf, und<lb/> die Geſchwiſter und Dienſtboten und Nachbarkinder gaben<lb/> andächtige Zuſchauer ab. Die fromme Mutter ſchüttelte<lb/> den Kopf zu ſolchem gottloſen Teufelsſpuk. Und welche<lb/> glänzende Träume träumte der kleine Puppenſpieler bei<lb/> dem Jubel ſeines Publikums in ſeinem Herzen! Er<lb/> wollte einſt, wenn er nur erſt groß genug dazu ſei,<lb/> ſelber unter die geliebten Komödianten gehen — etwas<lb/> Beneidenswertheres gab es für ihn auf Erden nicht.<lb/> Aber der Vater wollte einen Gelehrten und die Mutter<lb/> einen Kanzelredner aus dem begabten Knaben machen<lb/> — und ſo kam Ludwig auf das berühmte Gymnaſium<lb/> des alten Gedike. Er lernte fleißig Latein und Griechiſch,<lb/> aber das Komödienſpielen konnte er doch nicht laſſen.<lb/> Nur genügten ihm die dummen Papierpuppen nicht mehr.<lb/> Mit den Geſchwiſtern und den Schulfreunden Wilhelm<lb/> Heinrich Wackenroder und Wilhelm von Burgsdorff<lb/> wurde überall Komödie geſpielt, wo ſich gerade ein<lb/> Plätzchen dazu fand: im Seilerſchuppen oder in verſteck¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Erinnerungen ꝛc. 25<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [385/0413]
Bruder Friedrich, den ſpäter ſo berühmten Bildhauer,
mit dem ihm wunderbar eigenen Stimmnachahmungs¬
talent lebhaft bei uns ein. Er ſchilderte uns ſein Kinder¬
entzücken, wie er als erſtes Buch nach der Bibel und
dem Porſt den »Götz von Berlichingen« geleſen und
zum erſten Mal eine Aufführung im Berliner Schauſpiel¬
hauſe anſehen — nein, mitleben durfte. Da waren all'
ſeine Gedanken für's Theater gefangen. Er zimmerte
und kleiſterte ſich ein Puppentheater zurecht und führte
den Götz von Berlichingen und die Räuber auf, und
die Geſchwiſter und Dienſtboten und Nachbarkinder gaben
andächtige Zuſchauer ab. Die fromme Mutter ſchüttelte
den Kopf zu ſolchem gottloſen Teufelsſpuk. Und welche
glänzende Träume träumte der kleine Puppenſpieler bei
dem Jubel ſeines Publikums in ſeinem Herzen! Er
wollte einſt, wenn er nur erſt groß genug dazu ſei,
ſelber unter die geliebten Komödianten gehen — etwas
Beneidenswertheres gab es für ihn auf Erden nicht.
Aber der Vater wollte einen Gelehrten und die Mutter
einen Kanzelredner aus dem begabten Knaben machen
— und ſo kam Ludwig auf das berühmte Gymnaſium
des alten Gedike. Er lernte fleißig Latein und Griechiſch,
aber das Komödienſpielen konnte er doch nicht laſſen.
Nur genügten ihm die dummen Papierpuppen nicht mehr.
Mit den Geſchwiſtern und den Schulfreunden Wilhelm
Heinrich Wackenroder und Wilhelm von Burgsdorff
wurde überall Komödie geſpielt, wo ſich gerade ein
Plätzchen dazu fand: im Seilerſchuppen oder in verſteck¬
Erinnerungen ꝛc. 25
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