Und wie bitter vermißte gerade Tieck diesen Beifall, wenn er gegen seine Erwartung und Prophezeiung mal ausblieb! ... "Auch glauben Sie wohl besonders Großes als Käthchen geleistet zu haben, weil Sie sogar im Zwischenakt gerufen wurden?"
"Denk' nicht d'ran", -- lachte ich heiter -- "denn als Käthchen muß jede nur einigermaßen hübsche und gewandte Anfängerin Triumphe feiern: ihrer Opferfreudig¬ keit für Guttenberg kann kein hochgerührtes, thränen¬ reiches Publikum widerstehen ..."
"Lassen Sie das unsere guten Dresdener nicht hören", -- lächelte Tieck freundlich versöhnt. Ernster fuhr er fort: "Aber Sie werden mich verstehen, daß mich bei diesem rasenden Beifallsjubel über -- solch' ein Machwerk tiefe Entmuthigung und Wehmuth ergreifen mußte, als ich daran dachte, daß kaum acht Tage vorher in den¬ selben halbleeren Räumen während der Mustervorstellung von Kleist's gewaltigem "Prinzen von Homburg" keine Hand sich rührte, kein Laut des Beifalls, der Erschütte¬ rung, der Rührung ertönte ... Und doch, wie großartig gab Emil Devrient den Prinzen, wie trefflich der alte Verdy den Kottwitz, wie edel Weimar den Kurfürsten, und Sie ..."
"Bravo! Nicht wahr, eine recht anmuthige Natalie, die überdies das Glück gehabt hatte, daß Dresdens be¬ rühmter Dramaturg die Rolle mit ihr durchging!"
"Meinen Sie, liebe Eitelkeit?" -- lächelte der Alte jetzt immer freundlicher. "Nun ja, die Schülerin hat
Und wie bitter vermißte gerade Tieck dieſen Beifall, wenn er gegen ſeine Erwartung und Prophezeiung mal ausblieb! … »Auch glauben Sie wohl beſonders Großes als Käthchen geleiſtet zu haben, weil Sie ſogar im Zwiſchenakt gerufen wurden?«
»Denk' nicht d'ran«, — lachte ich heiter — »denn als Käthchen muß jede nur einigermaßen hübſche und gewandte Anfängerin Triumphe feiern: ihrer Opferfreudig¬ keit für Guttenberg kann kein hochgerührtes, thränen¬ reiches Publikum widerſtehen …«
»Laſſen Sie das unſere guten Dresdener nicht hören«, — lächelte Tieck freundlich verſöhnt. Ernſter fuhr er fort: »Aber Sie werden mich verſtehen, daß mich bei dieſem raſenden Beifallsjubel über — ſolch' ein Machwerk tiefe Entmuthigung und Wehmuth ergreifen mußte, als ich daran dachte, daß kaum acht Tage vorher in den¬ ſelben halbleeren Räumen während der Muſtervorſtellung von Kleiſt's gewaltigem »Prinzen von Homburg« keine Hand ſich rührte, kein Laut des Beifalls, der Erſchütte¬ rung, der Rührung ertönte … Und doch, wie großartig gab Emil Devrient den Prinzen, wie trefflich der alte Verdy den Kottwitz, wie edel Weimar den Kurfürſten, und Sie …«
»Bravo! Nicht wahr, eine recht anmuthige Natalie, die überdies das Glück gehabt hatte, daß Dresdens be¬ rühmter Dramaturg die Rolle mit ihr durchging!«
»Meinen Sie, liebe Eitelkeit?« — lächelte der Alte jetzt immer freundlicher. »Nun ja, die Schülerin hat
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Und wie bitter vermißte gerade Tieck dieſen Beifall,
wenn er gegen ſeine Erwartung und Prophezeiung mal
ausblieb! … »Auch glauben Sie wohl beſonders Großes
als Käthchen geleiſtet zu haben, weil Sie ſogar im
Zwiſchenakt gerufen wurden?«
»Denk' nicht d'ran«, — lachte ich heiter — »denn
als Käthchen muß jede nur einigermaßen hübſche und
gewandte Anfängerin Triumphe feiern: ihrer Opferfreudig¬
keit für Guttenberg kann kein hochgerührtes, thränen¬
reiches Publikum widerſtehen …«
»Laſſen Sie das unſere guten Dresdener nicht
hören«, — lächelte Tieck freundlich verſöhnt. Ernſter fuhr
er fort: »Aber Sie werden mich verſtehen, daß mich bei
dieſem raſenden Beifallsjubel über — ſolch' ein Machwerk
tiefe Entmuthigung und Wehmuth ergreifen mußte, als
ich daran dachte, daß kaum acht Tage vorher in den¬
ſelben halbleeren Räumen während der Muſtervorſtellung
von Kleiſt's gewaltigem »Prinzen von Homburg« keine
Hand ſich rührte, kein Laut des Beifalls, der Erſchütte¬
rung, der Rührung ertönte … Und doch, wie großartig
gab Emil Devrient den Prinzen, wie trefflich der alte
Verdy den Kottwitz, wie edel Weimar den Kurfürſten,
und Sie …«
»Bravo! Nicht wahr, eine recht anmuthige Natalie,
die überdies das Glück gehabt hatte, daß Dresdens be¬
rühmter Dramaturg die Rolle mit ihr durchging!«
»Meinen Sie, liebe Eitelkeit?« — lächelte der Alte
jetzt immer freundlicher. »Nun ja, die Schülerin hat
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/442>, abgerufen am 22.11.2024.
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