ich förmlich entstellt aussah. Zu meinem Unglück hatte ich überdies gehört, daß schwarze Punkte unter den Augen¬ wimpern dem Auge flammende spanische Glut geben ... und ich that auch hier des Guten mehr als zu viel.
Es stand wahrhaftig schlimm um die kleine Komö¬ diantin, und schon bekamen wir unter dem Mantel der Theilnahme manches mitleidige Lächeln zu sehen, manch' zweifelndes Wort über mein Talent zu hören.
Das Alles trieb mich, etwas Entscheidendes zu wagen. Ich wählte als zweites Debüt unverzagt -- Preziosa!
Ganz Karlsruhe gerieth in Aufruhr, daß ich -- das blutjunge, unerfahrene Ding, überhaupt erst viermal vor's Publikum getreten, nach der gefeierten, schönen Amalie Neumann die schwere Rolle der Preziosa spielen wolle. Die arme Mutter kam immer halbtodt aus ihren Tarock-Partieen nach Hause -- so sehr hatten die Damen ihr wegen meiner "Preziosa" bange gemacht. Selbst Bruder Karl, der inzwischen Offizier geworden, berichtete oft kleinlaut, daß seine besten Kameraden am Erfolge zu zweifeln anfingen. Die Frau Markgräfin ließ mir durch Major Hennehofer theilnehmend ihr Bedenken äußern, ob meine junge Stimme auch für die pathetischen Stellen der Preziosa ausreichen würde.
Wenn ich aber die bangende Mutter ansah, so wuchs mir das muthige Wollen. Und ich setzte meine ganze junge Kraft daran, die Feuerprobe würdig zu bestehen.
Auf meine Bitte arrangirte Balletmeister Zeisig ein brillantes Solo: Pas de zephir der Gavotte für mich
ich förmlich entſtellt ausſah. Zu meinem Unglück hatte ich überdies gehört, daß ſchwarze Punkte unter den Augen¬ wimpern dem Auge flammende ſpaniſche Glut geben … und ich that auch hier des Guten mehr als zu viel.
Es ſtand wahrhaftig ſchlimm um die kleine Komö¬ diantin, und ſchon bekamen wir unter dem Mantel der Theilnahme manches mitleidige Lächeln zu ſehen, manch' zweifelndes Wort über mein Talent zu hören.
Das Alles trieb mich, etwas Entſcheidendes zu wagen. Ich wählte als zweites Debüt unverzagt — Prezioſa!
Ganz Karlsruhe gerieth in Aufruhr, daß ich — das blutjunge, unerfahrene Ding, überhaupt erſt viermal vor's Publikum getreten, nach der gefeierten, ſchönen Amalie Neumann die ſchwere Rolle der Prezioſa ſpielen wolle. Die arme Mutter kam immer halbtodt aus ihren Tarock-Partieen nach Hauſe — ſo ſehr hatten die Damen ihr wegen meiner »Prezioſa« bange gemacht. Selbſt Bruder Karl, der inzwiſchen Offizier geworden, berichtete oft kleinlaut, daß ſeine beſten Kameraden am Erfolge zu zweifeln anfingen. Die Frau Markgräfin ließ mir durch Major Hennehofer theilnehmend ihr Bedenken äußern, ob meine junge Stimme auch für die pathetiſchen Stellen der Prezioſa ausreichen würde.
Wenn ich aber die bangende Mutter anſah, ſo wuchs mir das muthige Wollen. Und ich ſetzte meine ganze junge Kraft daran, die Feuerprobe würdig zu beſtehen.
Auf meine Bitte arrangirte Balletmeiſter Zeiſig ein brillantes Solo: Pas de zephir der Gavotte für mich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0046"n="18"/>
ich förmlich entſtellt ausſah. Zu meinem Unglück hatte ich<lb/>
überdies gehört, daß ſchwarze Punkte unter den Augen¬<lb/>
wimpern dem Auge flammende ſpaniſche Glut geben …<lb/>
und ich that auch hier des Guten mehr als zu viel.</p><lb/><p>Es ſtand wahrhaftig ſchlimm um die kleine Komö¬<lb/>
diantin, und ſchon bekamen wir unter dem Mantel der<lb/>
Theilnahme manches mitleidige Lächeln zu ſehen, manch'<lb/>
zweifelndes Wort über mein Talent zu hören.</p><lb/><p>Das Alles trieb mich, etwas Entſcheidendes zu wagen.<lb/>
Ich wählte als zweites Debüt unverzagt — Prezioſa!</p><lb/><p>Ganz Karlsruhe gerieth in Aufruhr, daß ich — das<lb/>
blutjunge, unerfahrene Ding, überhaupt erſt viermal<lb/>
vor's Publikum getreten, nach der gefeierten, ſchönen<lb/>
Amalie Neumann die ſchwere Rolle der Prezioſa ſpielen<lb/>
wolle. Die arme Mutter kam immer halbtodt aus ihren<lb/>
Tarock-Partieen nach Hauſe —ſo ſehr hatten die Damen<lb/>
ihr wegen meiner »Prezioſa« bange gemacht. Selbſt<lb/>
Bruder Karl, der inzwiſchen Offizier geworden, berichtete<lb/>
oft kleinlaut, daß ſeine beſten Kameraden am Erfolge zu<lb/>
zweifeln anfingen. Die Frau Markgräfin ließ mir durch<lb/>
Major Hennehofer theilnehmend ihr Bedenken äußern,<lb/>
ob meine junge Stimme auch für die pathetiſchen Stellen<lb/>
der Prezioſa ausreichen würde.</p><lb/><p>Wenn ich aber die bangende Mutter anſah, ſo wuchs<lb/>
mir das muthige Wollen. Und ich ſetzte meine ganze<lb/>
junge Kraft daran, die Feuerprobe würdig zu beſtehen.</p><lb/><p>Auf meine Bitte arrangirte Balletmeiſter Zeiſig ein<lb/>
brillantes Solo: <hirendition="#aq">Pas de zephir</hi> der Gavotte für mich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[18/0046]
ich förmlich entſtellt ausſah. Zu meinem Unglück hatte ich
überdies gehört, daß ſchwarze Punkte unter den Augen¬
wimpern dem Auge flammende ſpaniſche Glut geben …
und ich that auch hier des Guten mehr als zu viel.
Es ſtand wahrhaftig ſchlimm um die kleine Komö¬
diantin, und ſchon bekamen wir unter dem Mantel der
Theilnahme manches mitleidige Lächeln zu ſehen, manch'
zweifelndes Wort über mein Talent zu hören.
Das Alles trieb mich, etwas Entſcheidendes zu wagen.
Ich wählte als zweites Debüt unverzagt — Prezioſa!
Ganz Karlsruhe gerieth in Aufruhr, daß ich — das
blutjunge, unerfahrene Ding, überhaupt erſt viermal
vor's Publikum getreten, nach der gefeierten, ſchönen
Amalie Neumann die ſchwere Rolle der Prezioſa ſpielen
wolle. Die arme Mutter kam immer halbtodt aus ihren
Tarock-Partieen nach Hauſe — ſo ſehr hatten die Damen
ihr wegen meiner »Prezioſa« bange gemacht. Selbſt
Bruder Karl, der inzwiſchen Offizier geworden, berichtete
oft kleinlaut, daß ſeine beſten Kameraden am Erfolge zu
zweifeln anfingen. Die Frau Markgräfin ließ mir durch
Major Hennehofer theilnehmend ihr Bedenken äußern,
ob meine junge Stimme auch für die pathetiſchen Stellen
der Prezioſa ausreichen würde.
Wenn ich aber die bangende Mutter anſah, ſo wuchs
mir das muthige Wollen. Und ich ſetzte meine ganze
junge Kraft daran, die Feuerprobe würdig zu beſtehen.
Auf meine Bitte arrangirte Balletmeiſter Zeiſig ein
brillantes Solo: Pas de zephir der Gavotte für mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/46>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.