Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

geriebener, dickhinterdenohrenhabender, hutantreibender,
nierenguckender, hautundseelbeizender Gottseibeiuns sein!

Ich hatte nämlich in dieser Kritik mein auf zwei
Seiten aufzumachendes Talent entwickelt: die zerrinnende,
himmelbläuliche, duftschwüle und blumengestickte Kunst
des Lobens, und auch die wortspielvolle, witzüberladene,
antithesengespickte, abspringende, bunte und scheckige Kunst
des Tadelns. Ich stellte den kritischen Jean qui rit
und Jean qui pleure auf einmal aus, die Jakobsstimme
mit den Esauhänden!

Das Weitere gehört nicht hierher; es ist also Olle.
Bauer, die mich so zu sagen zuerst in die nordisch-kritische
Schule einführte."

Ich habe wohl kaum, nöthig, hinzuzufügen: daß
Saphir die "zweite Seite" seines "aufzumachenden Ta¬
lentes" an mir "entwickelt" hatte.

In Wien machte er für mich auch "die erste
Seite" auf.


Da hieß es plötzlich: Karoline Müller *)ist ange¬
kommen ... der Liebling der Grazer, die hochberühmte
Künstlerin will am Königstädter Theater als Franziska
in "Minna von Barnhelm" debütiren ...

Mir recht, -- dachte ich, -- chacun a son tour!

*) Später beim Burgtheater in Wien viele Jahre hindurch sehr
gern gesehen im Fach der Koketten und scharf gezeichneten Lustspiel-Rollen.

geriebener, dickhinterdenohrenhabender, hutantreibender,
nierenguckender, hautundſeelbeizender Gottſeibeiuns ſein!

Ich hatte nämlich in dieſer Kritik mein auf zwei
Seiten aufzumachendes Talent entwickelt: die zerrinnende,
himmelbläuliche, duftſchwüle und blumengeſtickte Kunſt
des Lobens, und auch die wortſpielvolle, witzüberladene,
antitheſengeſpickte, abſpringende, bunte und ſcheckige Kunſt
des Tadelns. Ich ſtellte den kritiſchen Jean qui rit
und Jean qui pleure auf einmal aus, die Jakobsſtimme
mit den Eſauhänden!

Das Weitere gehört nicht hierher; es iſt alſo Olle.
Bauer, die mich ſo zu ſagen zuerſt in die nordiſch-kritiſche
Schule einführte.«

Ich habe wohl kaum, nöthig, hinzuzufügen: daß
Saphir die »zweite Seite« ſeines »aufzumachenden Ta¬
lentes« an mir »entwickelt« hatte.

In Wien machte er für mich auch »die erſte
Seite« auf.


Da hieß es plötzlich: Karoline Müller *)iſt ange¬
kommen … der Liebling der Grazer, die hochberühmte
Künſtlerin will am Königſtädter Theater als Franziska
in »Minna von Barnhelm« debütiren …

Mir recht, — dachte ich, — chacun à son tour!

*) Später beim Burgtheater in Wien viele Jahre hindurch ſehr
gern geſehen im Fach der Koketten und ſcharf gezeichneten Luſtſpiel-Rollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090" n="62"/>
geriebener, dickhinterdenohrenhabender, hutantreibender,<lb/>
nierenguckender, hautund&#x017F;eelbeizender Gott&#x017F;eibeiuns &#x017F;ein!</p><lb/>
        <p>Ich hatte nämlich in die&#x017F;er Kritik mein auf zwei<lb/>
Seiten aufzumachendes Talent entwickelt: die zerrinnende,<lb/>
himmelbläuliche, duft&#x017F;chwüle und blumenge&#x017F;tickte Kun&#x017F;t<lb/>
des Lobens, und auch die wort&#x017F;pielvolle, witzüberladene,<lb/>
antithe&#x017F;enge&#x017F;pickte, ab&#x017F;pringende, bunte und &#x017F;checkige Kun&#x017F;t<lb/>
des Tadelns. Ich &#x017F;tellte den kriti&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Jean qui rit</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Jean qui pleure</hi> auf einmal aus, die Jakobs&#x017F;timme<lb/>
mit den E&#x017F;auhänden!</p><lb/>
        <p>Das Weitere gehört nicht hierher; es i&#x017F;t al&#x017F;o Olle.<lb/>
Bauer, die mich &#x017F;o zu &#x017F;agen zuer&#x017F;t in die nordi&#x017F;ch-kriti&#x017F;che<lb/>
Schule einführte.«</p><lb/>
        <p>Ich habe wohl kaum, nöthig, hinzuzufügen: daß<lb/>
Saphir die »zweite Seite« &#x017F;eines »aufzumachenden Ta¬<lb/>
lentes« an mir »entwickelt« hatte.</p><lb/>
        <p>In Wien machte er für mich auch »die er&#x017F;te<lb/>
Seite« auf.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Da hieß es plötzlich: Karoline Müller <note place="foot" n="*)"><lb/>
Später beim Burgtheater in Wien viele Jahre hindurch &#x017F;ehr<lb/>
gern ge&#x017F;ehen im Fach der Koketten und &#x017F;charf gezeichneten Lu&#x017F;t&#x017F;piel-Rollen.</note>i&#x017F;t ange¬<lb/>
kommen &#x2026; der Liebling der Grazer, die hochberühmte<lb/>
Kün&#x017F;tlerin will am König&#x017F;tädter Theater als Franziska<lb/>
in »Minna von Barnhelm« debütiren &#x2026;</p><lb/>
        <p>Mir recht, &#x2014; dachte ich, &#x2014; <hi rendition="#aq">chacun à son tour</hi>!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0090] geriebener, dickhinterdenohrenhabender, hutantreibender, nierenguckender, hautundſeelbeizender Gottſeibeiuns ſein! Ich hatte nämlich in dieſer Kritik mein auf zwei Seiten aufzumachendes Talent entwickelt: die zerrinnende, himmelbläuliche, duftſchwüle und blumengeſtickte Kunſt des Lobens, und auch die wortſpielvolle, witzüberladene, antitheſengeſpickte, abſpringende, bunte und ſcheckige Kunſt des Tadelns. Ich ſtellte den kritiſchen Jean qui rit und Jean qui pleure auf einmal aus, die Jakobsſtimme mit den Eſauhänden! Das Weitere gehört nicht hierher; es iſt alſo Olle. Bauer, die mich ſo zu ſagen zuerſt in die nordiſch-kritiſche Schule einführte.« Ich habe wohl kaum, nöthig, hinzuzufügen: daß Saphir die »zweite Seite« ſeines »aufzumachenden Ta¬ lentes« an mir »entwickelt« hatte. In Wien machte er für mich auch »die erſte Seite« auf. Da hieß es plötzlich: Karoline Müller *)iſt ange¬ kommen … der Liebling der Grazer, die hochberühmte Künſtlerin will am Königſtädter Theater als Franziska in »Minna von Barnhelm« debütiren … Mir recht, — dachte ich, — chacun à son tour! *) Später beim Burgtheater in Wien viele Jahre hindurch ſehr gern geſehen im Fach der Koketten und ſcharf gezeichneten Luſtſpiel-Rollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/90
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/90>, abgerufen am 21.11.2024.