freudiger Erwartung, denn Zelter hatte verkündet, Louis Berger, der liebenswürdige Komponist und beliebteste Klavierlehrer Berlins und Mendelssohn, sein bester Schüler, Sängerinnen mit süßem Sopran und herrlicher Altstimme würden zugegen sein -- kam uns Dorothea entgegen und flüsterte: "Nur ganz leise -- bis die Dis¬ kussion beendet ist, die Herren sprechen eifrigst über die Urtheilsfähigkeit des Berliner Publikums, -- hören Sie?" -- -- -- Da vernahmen wir eine jugendliche helle Stimme: "Wie grausam sind Ihre bewunderten Musikkenner mit meinem ersten Versuch -- mit meiner Operette verfahren!" -- und eine tiefere, gemüthvolle Stimme fügte hinzu: "Ich mußte während vierzehn Tagen das Bett hüten, so hatte mich die Gemüths¬ bewegung ergriffen -- das Mitgefühl für meinen jungen Freund!" ... Das war der gute, herrliche Ludwig Berger. Zelter erwiderte in seiner voll und kräftig klingenden Redeweise: "Hat nicht der beste Mensch seine Launen, -- darf ein Publikum nie irren? Und dennoch sind meine Berliner wahre Kunstverehrer; Felix Mendels¬ sohn-Bartholdy wird bald den entmuthigenden Eindruck verschmerzt haben und glänzende Anerkennung erringen ..." Wir folgten Dorothea in den Saal -- und nun folgten seltene Genüsse für Geist und Ohr ... Berger und Mendelssohn spielten vierhändig -- dann Mendelssohn Solo -- Zelter schlug mächtige Akkorde an -- ergreifende Choräle, und begleitete dann der seelenvollen Altstimme eines jungen, schönen, bleichen Mädchens seine herrlichen
freudiger Erwartung, denn Zelter hatte verkündet, Louis Berger, der liebenswürdige Komponiſt und beliebteſte Klavierlehrer Berlins und Mendelsſohn, ſein beſter Schüler, Sängerinnen mit ſüßem Sopran und herrlicher Altſtimme würden zugegen ſein — kam uns Dorothea entgegen und flüſterte: »Nur ganz leiſe — bis die Dis¬ kuſſion beendet iſt, die Herren ſprechen eifrigſt über die Urtheilsfähigkeit des Berliner Publikums, — hören Sie?« — — — Da vernahmen wir eine jugendliche helle Stimme: »Wie grauſam ſind Ihre bewunderten Muſikkenner mit meinem erſten Verſuch — mit meiner Operette verfahren!« — und eine tiefere, gemüthvolle Stimme fügte hinzu: »Ich mußte während vierzehn Tagen das Bett hüten, ſo hatte mich die Gemüths¬ bewegung ergriffen — das Mitgefühl für meinen jungen Freund!« … Das war der gute, herrliche Ludwig Berger. Zelter erwiderte in ſeiner voll und kräftig klingenden Redeweiſe: »Hat nicht der beſte Menſch ſeine Launen, — darf ein Publikum nie irren? Und dennoch ſind meine Berliner wahre Kunſtverehrer; Felix Mendels¬ ſohn-Bartholdy wird bald den entmuthigenden Eindruck verſchmerzt haben und glänzende Anerkennung erringen …« Wir folgten Dorothea in den Saal — und nun folgten ſeltene Genüſſe für Geiſt und Ohr … Berger und Mendelsſohn ſpielten vierhändig — dann Mendelsſohn Solo — Zelter ſchlug mächtige Akkorde an — ergreifende Choräle, und begleitete dann der ſeelenvollen Altſtimme eines jungen, ſchönen, bleichen Mädchens ſeine herrlichen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0097"n="69"/>
freudiger Erwartung, denn Zelter hatte verkündet, Louis<lb/>
Berger, der liebenswürdige Komponiſt und beliebteſte<lb/>
Klavierlehrer Berlins und Mendelsſohn, ſein beſter<lb/>
Schüler, Sängerinnen mit ſüßem Sopran und herrlicher<lb/>
Altſtimme würden zugegen ſein — kam uns Dorothea<lb/>
entgegen und flüſterte: »Nur ganz leiſe — bis die Dis¬<lb/>
kuſſion beendet iſt, die Herren ſprechen eifrigſt über die<lb/>
Urtheilsfähigkeit des Berliner Publikums, — hören<lb/>
Sie?« ——— Da vernahmen wir eine jugendliche<lb/>
helle Stimme: »Wie grauſam ſind Ihre bewunderten<lb/>
Muſikkenner mit meinem erſten Verſuch — mit meiner<lb/>
Operette verfahren!« — und eine tiefere, gemüthvolle<lb/>
Stimme fügte hinzu: »Ich mußte während vierzehn<lb/>
Tagen das Bett hüten, ſo hatte mich die Gemüths¬<lb/>
bewegung ergriffen — das Mitgefühl für meinen jungen<lb/>
Freund!« … Das war der gute, herrliche Ludwig<lb/>
Berger. Zelter erwiderte in ſeiner voll und kräftig<lb/>
klingenden Redeweiſe: »Hat nicht der beſte Menſch ſeine<lb/>
Launen, — darf ein Publikum <hirendition="#g">nie</hi> irren? Und dennoch<lb/>ſind meine Berliner wahre Kunſtverehrer; Felix Mendels¬<lb/>ſohn-Bartholdy wird bald den entmuthigenden Eindruck<lb/>
verſchmerzt haben und glänzende Anerkennung erringen …«<lb/>
Wir folgten Dorothea in den Saal — und nun folgten<lb/>ſeltene Genüſſe für Geiſt und Ohr … Berger und<lb/>
Mendelsſohn ſpielten vierhändig — dann Mendelsſohn<lb/>
Solo — Zelter ſchlug mächtige Akkorde an — ergreifende<lb/>
Choräle, und begleitete dann der ſeelenvollen Altſtimme<lb/>
eines jungen, ſchönen, bleichen Mädchens ſeine herrlichen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[69/0097]
freudiger Erwartung, denn Zelter hatte verkündet, Louis
Berger, der liebenswürdige Komponiſt und beliebteſte
Klavierlehrer Berlins und Mendelsſohn, ſein beſter
Schüler, Sängerinnen mit ſüßem Sopran und herrlicher
Altſtimme würden zugegen ſein — kam uns Dorothea
entgegen und flüſterte: »Nur ganz leiſe — bis die Dis¬
kuſſion beendet iſt, die Herren ſprechen eifrigſt über die
Urtheilsfähigkeit des Berliner Publikums, — hören
Sie?« — — — Da vernahmen wir eine jugendliche
helle Stimme: »Wie grauſam ſind Ihre bewunderten
Muſikkenner mit meinem erſten Verſuch — mit meiner
Operette verfahren!« — und eine tiefere, gemüthvolle
Stimme fügte hinzu: »Ich mußte während vierzehn
Tagen das Bett hüten, ſo hatte mich die Gemüths¬
bewegung ergriffen — das Mitgefühl für meinen jungen
Freund!« … Das war der gute, herrliche Ludwig
Berger. Zelter erwiderte in ſeiner voll und kräftig
klingenden Redeweiſe: »Hat nicht der beſte Menſch ſeine
Launen, — darf ein Publikum nie irren? Und dennoch
ſind meine Berliner wahre Kunſtverehrer; Felix Mendels¬
ſohn-Bartholdy wird bald den entmuthigenden Eindruck
verſchmerzt haben und glänzende Anerkennung erringen …«
Wir folgten Dorothea in den Saal — und nun folgten
ſeltene Genüſſe für Geiſt und Ohr … Berger und
Mendelsſohn ſpielten vierhändig — dann Mendelsſohn
Solo — Zelter ſchlug mächtige Akkorde an — ergreifende
Choräle, und begleitete dann der ſeelenvollen Altſtimme
eines jungen, ſchönen, bleichen Mädchens ſeine herrlichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/97>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.