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Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.

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vom Schonen und Ubersehen.
einem tapffern Prediger für seinen Fleiß und Treue den Kopff abreissen/
Marc. 6. Darum hüte sich ein Christ darfür/ und schone seines Nächsten
nicht.

Und das ist das andere Laster/ das eigentlich wider den Nächsten gehet/Summa.
nemlich Conniventia, die Ubersehung/ da wir gehöret/ daß ein Christ sei-
nes Nächsten/ der Unrecht thut/ mit der Straff nicht verschonen solle/ in der
Kirchen/ in der Schulen/ auf dem Rathhauß/ im Hauß-Wesen und im ge-
meinen Leben. Nach Anleitung unsers erklärten Textes/ da der HERR
Es. 58. sagt: Schone nicht.

Gebrauch dieser Lehr.

I. WArnung/ daß wir uns vor diesem Laster hüten/ und dem sündi-I.
Warnung
vor diesem
Laster/ als
das Un-
göttlich/

gen Nächsten sein Unrecht nicht übersehen/ und ungestrafft hin-
gehen lassen/ dann das ist wider GOttes außgedruckte Verbott/
das da heisset: Schone nicht. Diogenes, ein Heyd/ hat
pflegen zu sagen/ er halte nichts von einem Philosopho, der niemals einigen
Menschen habe erzürnen wollen/ was solte dann der Gerechte GOtt von ei-
nem Christen halten/ der sich für den Menschen schenet/ schonet/ und da er
gleich Amts halben solte/ doch niemand erzürnen wil. Solches Laster ist
gefährlich auf Seiten deß Nächsten/ der wird durch solches Schonen verder-Gefährlich/
bet/ bietet man ihm einen Finger/ so wil er die Hand gar/ giebet man ihm ei-
nes
nach/ so wil er das andere auch haben/ das Sprüchwort bey den Latei-
nern heisset: Deteriores omnes sumus licentia, das ist: Durch Freyheit und
Ubersehen werden wir alleärger/ da wird der sündige Nächste in seinem Un-
recht gestärcket/ daß er darinnen fortfähret/ der Sünden gewohnet/ und weil
ihn nie niemand straffet/ bleibet er verstockter Weise darauf/ biß er zuletzt in
grosse Schande geräth/ oder wol gar dem Teufel zufähret/ da er doch/ da man
seiner nicht geschonet hätte/ wol hätte verbessert/ von vielen Sünden ab- und
zum ewigen Leben erhalten werden können. Solches Laster ist auch schäd-und schäd-
lich.

lich auf Seiten unser selbsten/ wer deß Nächsten schonet/ desselben Unrecht
nicht strafft/ oder nur mit der Gänß-Geissel darüber hinfähret/ der machet sich
hiermit fremder Sünden theilhafftig/ 1. Tim. 5. darauf schwere Verantwor-
tung und der zeitliche und ewige Fluch erfolget: Verflucht ist wer deß HErrn
Werck lässig thut/ Jer. 48.

II. Vermahnung/ der heutige Heilige in unserm SchorerischenII.
Vermah-
nung/
daß wir
hierbey wol
in Acht neh-
men
1. Zeit/

Calender heisset Severus, das heisset streng/ dapffer/ ernsthafft/ solche Severi
sollen wir alle seyn/ sollen aber nicht allein/ ein jeder in seinem Stand/ den
fündigen Nächsten um sein Unrecht straffen/ sondern auch die rechte Weise
zu straffen recht in Acht nehmen/ dann das soll geschehen zu rechter Zeit/ es

straffet
C c c c c 3

vom Schonen und Uberſehen.
einem tapffern Prediger fuͤr ſeinen Fleiß und Treue den Kopff abreiſſen/
Marc. 6. Darum huͤte ſich ein Chriſt darfuͤr/ und ſchone ſeines Naͤchſten
nicht.

Und das iſt das andere Laſter/ das eigentlich wider den Naͤchſten gehet/Summa.
nemlich Conniventia, die Uberſehung/ da wir gehoͤret/ daß ein Chriſt ſei-
nes Naͤchſten/ der Unrecht thut/ mit der Straff nicht verſchonen ſolle/ in der
Kirchen/ in der Schulen/ auf dem Rathhauß/ im Hauß-Weſen und im ge-
meinen Leben. Nach Anleitung unſers erklaͤrten Textes/ da der HERR
Eſ. 58. ſagt: Schone nicht.

Gebrauch dieſer Lehr.

I. WArnung/ daß wir uns vor dieſem Laſter huͤten/ und dem ſuͤndi-I.
Warnung
vor dieſem
Laſter/ als
das Un-
goͤttlich/

gen Naͤchſten ſein Unrecht nicht uͤberſehen/ und ungeſtrafft hin-
gehen laſſen/ dann das iſt wider GOttes außgedruckte Verbott/
das da heiſſet: Schone nicht. Diogenes, ein Heyd/ hat
pflegen zu ſagen/ er halte nichts von einem Philoſopho, der niemals einigen
Menſchen habe erzuͤrnen wollen/ was ſolte dann der Gerechte GOtt von ei-
nem Chriſten halten/ der ſich fuͤr den Menſchen ſchenet/ ſchonet/ und da er
gleich Amts halben ſolte/ doch niemand erzuͤrnen wil. Solches Laſter iſt
gefaͤhrlich auf Seiten deß Naͤchſten/ der wird durch ſolches Schonen verder-Gefaͤhrlich/
bet/ bietet man ihm einen Finger/ ſo wil er die Hand gar/ giebet man ihm ei-
nes
nach/ ſo wil er das andere auch haben/ das Spruͤchwort bey den Latei-
nern heiſſet: Deteriores omnes ſumus licentia, das iſt: Durch Freyheit und
Uberſehen werden wir alleaͤrger/ da wird der ſuͤndige Naͤchſte in ſeinem Un-
recht geſtaͤrcket/ daß er darinnen fortfaͤhret/ der Suͤnden gewohnet/ und weil
ihn nie niemand ſtraffet/ bleibet er verſtockter Weiſe darauf/ biß er zuletzt in
groſſe Schande geraͤth/ oder wol gar dem Teufel zufaͤhret/ da er doch/ da man
ſeiner nicht geſchonet haͤtte/ wol haͤtte verbeſſert/ von vielen Suͤnden ab- und
zum ewigen Leben erhalten werden koͤnnen. Solches Laſter iſt auch ſchaͤd-und ſchaͤd-
lich.

lich auf Seiten unſer ſelbſten/ wer deß Naͤchſten ſchonet/ deſſelben Unrecht
nicht ſtrafft/ oder nur mit der Gaͤnß-Geiſſel daruͤber hinfaͤhret/ der machet ſich
hiermit fremder Suͤnden theilhafftig/ 1. Tim. 5. darauf ſchwere Verantwor-
tung und der zeitliche und ewige Fluch erfolget: Verflucht iſt wer deß HErꝛn
Werck laͤſſig thut/ Jer. 48.

II. Vermahnung/ der heutige Heilige in unſerm SchoreriſchenII.
Vermah-
nung/
daß wir
hierbey wol
in Acht neh-
men
1. Zeit/

Calender heiſſet Severus, das heiſſet ſtreng/ dapffer/ ernſthafft/ ſolche Severi
ſollen wir alle ſeyn/ ſollen aber nicht allein/ ein jeder in ſeinem Stand/ den
fuͤndigen Naͤchſten um ſein Unrecht ſtraffen/ ſondern auch die rechte Weiſe
zu ſtraffen recht in Acht nehmen/ dann das ſoll geſchehen zu rechter Zeit/ es

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[757/0827] vom Schonen und Uberſehen. einem tapffern Prediger fuͤr ſeinen Fleiß und Treue den Kopff abreiſſen/ Marc. 6. Darum huͤte ſich ein Chriſt darfuͤr/ und ſchone ſeines Naͤchſten nicht. Und das iſt das andere Laſter/ das eigentlich wider den Naͤchſten gehet/ nemlich Conniventia, die Uberſehung/ da wir gehoͤret/ daß ein Chriſt ſei- nes Naͤchſten/ der Unrecht thut/ mit der Straff nicht verſchonen ſolle/ in der Kirchen/ in der Schulen/ auf dem Rathhauß/ im Hauß-Weſen und im ge- meinen Leben. Nach Anleitung unſers erklaͤrten Textes/ da der HERR Eſ. 58. ſagt: Schone nicht. Summa. Gebrauch dieſer Lehr. I. WArnung/ daß wir uns vor dieſem Laſter huͤten/ und dem ſuͤndi- gen Naͤchſten ſein Unrecht nicht uͤberſehen/ und ungeſtrafft hin- gehen laſſen/ dann das iſt wider GOttes außgedruckte Verbott/ das da heiſſet: Schone nicht. Diogenes, ein Heyd/ hat pflegen zu ſagen/ er halte nichts von einem Philoſopho, der niemals einigen Menſchen habe erzuͤrnen wollen/ was ſolte dann der Gerechte GOtt von ei- nem Chriſten halten/ der ſich fuͤr den Menſchen ſchenet/ ſchonet/ und da er gleich Amts halben ſolte/ doch niemand erzuͤrnen wil. Solches Laſter iſt gefaͤhrlich auf Seiten deß Naͤchſten/ der wird durch ſolches Schonen verder- bet/ bietet man ihm einen Finger/ ſo wil er die Hand gar/ giebet man ihm ei- nes nach/ ſo wil er das andere auch haben/ das Spruͤchwort bey den Latei- nern heiſſet: Deteriores omnes ſumus licentia, das iſt: Durch Freyheit und Uberſehen werden wir alleaͤrger/ da wird der ſuͤndige Naͤchſte in ſeinem Un- recht geſtaͤrcket/ daß er darinnen fortfaͤhret/ der Suͤnden gewohnet/ und weil ihn nie niemand ſtraffet/ bleibet er verſtockter Weiſe darauf/ biß er zuletzt in groſſe Schande geraͤth/ oder wol gar dem Teufel zufaͤhret/ da er doch/ da man ſeiner nicht geſchonet haͤtte/ wol haͤtte verbeſſert/ von vielen Suͤnden ab- und zum ewigen Leben erhalten werden koͤnnen. Solches Laſter iſt auch ſchaͤd- lich auf Seiten unſer ſelbſten/ wer deß Naͤchſten ſchonet/ deſſelben Unrecht nicht ſtrafft/ oder nur mit der Gaͤnß-Geiſſel daruͤber hinfaͤhret/ der machet ſich hiermit fremder Suͤnden theilhafftig/ 1. Tim. 5. darauf ſchwere Verantwor- tung und der zeitliche und ewige Fluch erfolget: Verflucht iſt wer deß HErꝛn Werck laͤſſig thut/ Jer. 48. I. Warnung vor dieſem Laſter/ als das Un- goͤttlich/ Gefaͤhrlich/ und ſchaͤd- lich. II. Vermahnung/ der heutige Heilige in unſerm Schoreriſchen Calender heiſſet Severus, das heiſſet ſtreng/ dapffer/ ernſthafft/ ſolche Severi ſollen wir alle ſeyn/ ſollen aber nicht allein/ ein jeder in ſeinem Stand/ den fuͤndigen Naͤchſten um ſein Unrecht ſtraffen/ ſondern auch die rechte Weiſe zu ſtraffen recht in Acht nehmen/ dann das ſoll geſchehen zu rechter Zeit/ es ſtraffet II. Vermah- nung/ daß wir hierbey wol in Acht neh- men 1. Zeit/ C c c c c 3

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Zitationshilfe: Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681. , S. 757. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauller_lasterspiegel_1681/827>, abgerufen am 22.11.2024.