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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Schriften, aus denen ja für jene erst das Verständnis gewonnen pba_004.002
werden kann.

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Aesthetik. Von dem Höhepunkt dieser Aesthetik, der Theorie des Tragischen, pba_004.005
ist diese Thatsache offen daliegend; sie ist aber eben so zweifellos pba_004.006
in betreff des allgemeinen Aufbaues dieser Wissenschaft wie er im Laokoon pba_004.007
vorliegt." So schreibt W. Dilthey in einem trefflichen Aufsatze "über pba_004.008
Gotth. Ephr. Lessing" in den Preußischen Jahrbüchern 1867, und es wird pba_004.009
die Richtigkeit des Satzes wohl nicht bestritten werden.

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Dagegen ist die folgende Stelle desselben Aufsatzes geeignet eine pba_004.011
Reihe von Bedenken hervorzurufen: "Das Rätsel des Schönen und der pba_004.012
Kunst ist durch drei ganz verschiedene Untersuchungsweisen in Deutschland pba_004.013
der Erörterung unterworfen worden. Der Aristotelische Gedanke pba_004.014
einer Technik der Künste, d. h. einer Untersuchung der Mittel, vermöge pba_004.015
deren sie die höchsten Wirkungen hervorrufen, herrschte bei Kant. Durch pba_004.016
Kant trat die Verfassung des produzierenden Genies selber in den Vordergrund; pba_004.017
der tiefe Gedanke von einer besondern Art des Genies die Welt pba_004.018
aufzufassen ward durch ihn, Schiller und Fichte, die Romantiker und pba_004.019
folgenden Philosophen fortgebildet und in seine historischen Konsequenzen pba_004.020
verfolgt. Das Studium der physiologischen Bedingungen hat dann den pba_004.021
gegenwärtigen Arbeiten ein ganz neues Fundament gegeben."

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Diese Sätze enthalten manche Unklarheit; vor allem aber muß dagegen pba_004.023
Verwahrung eingelegt werden, daß in jenen "drei ganz verschiedenen pba_004.024
Untersuchungsweisen" eine Steigerung enthalten sei, hinsichtlich ihrer pba_004.025
Fähigkeit das "Rätsel des Schönen und der Kunst" zu lösen, ja daß sie pba_004.026
in dieser Beziehung auch nur als gleichberechtigt einander koordiniert pba_004.027
werden dürften. Eher noch möchte die Steigerung im umgekehrten Verhältnisse pba_004.028
stattfinden. Untersuchungen über Symmetrie und Proportion, pba_004.029
wie z. B. der empirische Erweis, daß das Verhältnis des goldenen pba_004.030
Schnittes uns besonders wohlgefällig sei und daher überall im Kunstgewerbe pba_004.031
eine vorzugsweise Anwendung finde, ferner über Harmonie, pba_004.032
Farbenmodulation und Aehnliches können bis auf einen gewissen Grad den pba_004.033
Nachweis führen, daß manches unsern Sinnen Angenehme (edeia) pba_004.034
sich als auf bestimmte mathematische und arithmetische Verhältnisse, auf pba_004.035
die physikalische Natur des Klanges oder der Farbenerscheinung, zugleich pba_004.036
auf die Physiologie unseres Organismus gegründet, als natürliches Postulat pba_004.037
der Einrichtung unserer Sinneswerkzeuge ergibt. Aber da, wo das pba_004.038
eigentliche Gebiet der Kunst erst beginnt, mit den ethischen Eindrücken, pba_004.039
da also, wo es gilt, vermittelst jener angenehmen Sinneseindrücke pba_004.040
zusammenhängende, bewußt empfundene Seelenvorgänge höherer

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Schriften, aus denen ja für jene erst das Verständnis gewonnen pba_004.002
werden kann.

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„Die Poetik des Aristoteles ist das Fundament der Lessingschen pba_004.004
Aesthetik. Von dem Höhepunkt dieser Aesthetik, der Theorie des Tragischen, pba_004.005
ist diese Thatsache offen daliegend; sie ist aber eben so zweifellos pba_004.006
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vorliegt.“ So schreibt W. Dilthey in einem trefflichen Aufsatze „über pba_004.008
Gotth. Ephr. Lessing“ in den Preußischen Jahrbüchern 1867, und es wird pba_004.009
die Richtigkeit des Satzes wohl nicht bestritten werden.

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Dagegen ist die folgende Stelle desselben Aufsatzes geeignet eine pba_004.011
Reihe von Bedenken hervorzurufen: „Das Rätsel des Schönen und der pba_004.012
Kunst ist durch drei ganz verschiedene Untersuchungsweisen in Deutschland pba_004.013
der Erörterung unterworfen worden. Der Aristotelische Gedanke pba_004.014
einer Technik der Künste, d. h. einer Untersuchung der Mittel, vermöge pba_004.015
deren sie die höchsten Wirkungen hervorrufen, herrschte bei Kant. Durch pba_004.016
Kant trat die Verfassung des produzierenden Genies selber in den Vordergrund; pba_004.017
der tiefe Gedanke von einer besondern Art des Genies die Welt pba_004.018
aufzufassen ward durch ihn, Schiller und Fichte, die Romantiker und pba_004.019
folgenden Philosophen fortgebildet und in seine historischen Konsequenzen pba_004.020
verfolgt. Das Studium der physiologischen Bedingungen hat dann den pba_004.021
gegenwärtigen Arbeiten ein ganz neues Fundament gegeben.“

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Diese Sätze enthalten manche Unklarheit; vor allem aber muß dagegen pba_004.023
Verwahrung eingelegt werden, daß in jenen „drei ganz verschiedenen pba_004.024
Untersuchungsweisen“ eine Steigerung enthalten sei, hinsichtlich ihrer pba_004.025
Fähigkeit das „Rätsel des Schönen und der Kunst“ zu lösen, ja daß sie pba_004.026
in dieser Beziehung auch nur als gleichberechtigt einander koordiniert pba_004.027
werden dürften. Eher noch möchte die Steigerung im umgekehrten Verhältnisse pba_004.028
stattfinden. Untersuchungen über Symmetrie und Proportion, pba_004.029
wie z. B. der empirische Erweis, daß das Verhältnis des goldenen pba_004.030
Schnittes uns besonders wohlgefällig sei und daher überall im Kunstgewerbe pba_004.031
eine vorzugsweise Anwendung finde, ferner über Harmonie, pba_004.032
Farbenmodulation und Aehnliches können bis auf einen gewissen Grad den pba_004.033
Nachweis führen, daß manches unsern Sinnen Angenehme (ἡδεῖα) pba_004.034
sich als auf bestimmte mathematische und arithmetische Verhältnisse, auf pba_004.035
die physikalische Natur des Klanges oder der Farbenerscheinung, zugleich pba_004.036
auf die Physiologie unseres Organismus gegründet, als natürliches Postulat pba_004.037
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/22>, abgerufen am 21.11.2024.