pba_230.001 zu erklären -- von denen keiner die Aufgabe löst, sondern ein jeder pba_230.002 nur einzelne Attribute des Gesamtbegriffes einschließt -- kehrt man am pba_230.003 besten zu der ältesten Definition zurück, von der sie alle mehr oder pba_230.004 minder abhängig sind. Obwohl die speziellen Erörterungen des Aristoteles pba_230.005 über das Lächerliche uns verloren sind, so ist doch die beiläufig pba_230.006 von ihm aufgestellte Erklärung desselben gerade in ihrer weiten Fassung pba_230.007 noch immer die einzig stichhaltige, sobald nur jedes Wort darin nach pba_230.008 seinem ganzen Umfange erwogen wird. Jm fünften Kapitel seiner Poetik pba_230.009 heißt es: to gar geloion estin amartema ti kai aiskhos anodunon kai pba_230.010 ou phthartikon, d. h.: "Das Lächerliche besteht in einer Fehlerhaftigkeit pba_230.011 und Häßlichkeit (Deformität), die weder Schmerz pba_230.012 noch Schaden verursacht." Von den lächerlichen Gegenständen ist pba_230.013 also erstens ausgesagt, daß sie eine dem Richtigen und Schönen entschieden pba_230.014 entgegengesetzte Beschaffenheit haben müssen, sie müssen schlechtweg pba_230.015 fehlerhaft, häßlich sein. Was aber sodann als das näher unterscheidende pba_230.016 Merkmal angegeben ist, verlangt eine zwiefache Auslegung: pba_230.017 die Schmerzlosigkeit und Unschädlichkeit des Fehlerhaften und pba_230.018 Häßlichen kann entweder objektiv, an sich, vorhanden sein, oder subjektiv,pba_230.019 der Vorstellungs- oder auch der Betrachtungsweise des pba_230.020 Wahrnehmenden nach.
pba_230.021 Die Sache verhält sich also so: wenn sich ein Ding als entschieden pba_230.022 fehlerhaft oder häßlich darstellt und zwar so, daß es entweder an pba_230.023 sich keinerlei schmerzliche Empfindung oder schädliche Wirkung hervorbringt pba_230.024 oder doch so vorgeführt und aufgenommen wird, daß derartige pba_230.025 Empfindungen und Wirkungen ausgeschlossen bleiben, so ist das pba_230.026 diese doppelte Beschaffenheit konstatierende Urteil von der pba_230.027 Erscheinung des Lachens begleitet. Denn dies hat das Lachenpba_230.028 mit der Freude gemeinsam (das übrigens nach aristotelischen Begriffen pba_230.029 direkt den edea den "freudigen" Dingen zugezählt wird), daß es eine pba_230.030 Erscheinung ist, welche, sofern sie nicht rein äußerlichen körperlichen pba_230.031 Einwirkungen entspringt, als Begleitung und gewissermaßen abschließendes pba_230.032 Resultat einer Thätigkeit (teleiosis tes energeias) auftritt. Man würde pba_230.033 sich ganz innerhalb der aristotelischen Anschauungsweise befinden, und, pba_230.034 wie es scheint, auch in Übereinstimmung mit der Wahrheit und den Thatsachen, pba_230.035 wenn man in diese weiteste Auffassung auch das Lachen überhaupt pba_230.036 als unmittelbaren Ausdruck der Freude miteinbegriffe, doch ist hier nur pba_230.037 im engeren Sinne von demjenigen Lachen die Rede, welches dem "Lächerlichen" pba_230.038 entspricht, und auch dieses erscheint als Begleitung und Abschluß pba_230.039 einer Thätigkeit: diese Thätigkeit ist eben jenes "Urteilen", welches das pba_230.040 Vorhandensein der das Lächerliche bedingenden Umstände konstatiert.
pba_230.001 zu erklären — von denen keiner die Aufgabe löst, sondern ein jeder pba_230.002 nur einzelne Attribute des Gesamtbegriffes einschließt — kehrt man am pba_230.003 besten zu der ältesten Definition zurück, von der sie alle mehr oder pba_230.004 minder abhängig sind. Obwohl die speziellen Erörterungen des Aristoteles pba_230.005 über das Lächerliche uns verloren sind, so ist doch die beiläufig pba_230.006 von ihm aufgestellte Erklärung desselben gerade in ihrer weiten Fassung pba_230.007 noch immer die einzig stichhaltige, sobald nur jedes Wort darin nach pba_230.008 seinem ganzen Umfange erwogen wird. Jm fünften Kapitel seiner Poetik pba_230.009 heißt es: τὸ γὰρ γελοῖον ἐστιν ἁμάρτημά τι καὶ αἶσχος ἀνώδυνον καὶ pba_230.010 οὐ φθαρτικόν, d. h.: „Das Lächerliche besteht in einer Fehlerhaftigkeit pba_230.011 und Häßlichkeit (Deformität), die weder Schmerz pba_230.012 noch Schaden verursacht.“ Von den lächerlichen Gegenständen ist pba_230.013 also erstens ausgesagt, daß sie eine dem Richtigen und Schönen entschieden pba_230.014 entgegengesetzte Beschaffenheit haben müssen, sie müssen schlechtweg pba_230.015 fehlerhaft, häßlich sein. Was aber sodann als das näher unterscheidende pba_230.016 Merkmal angegeben ist, verlangt eine zwiefache Auslegung: pba_230.017 die Schmerzlosigkeit und Unschädlichkeit des Fehlerhaften und pba_230.018 Häßlichen kann entweder objektiv, an sich, vorhanden sein, oder subjektiv,pba_230.019 der Vorstellungs- oder auch der Betrachtungsweise des pba_230.020 Wahrnehmenden nach.
pba_230.021 Die Sache verhält sich also so: wenn sich ein Ding als entschieden pba_230.022 fehlerhaft oder häßlich darstellt und zwar so, daß es entweder an pba_230.023 sich keinerlei schmerzliche Empfindung oder schädliche Wirkung hervorbringt pba_230.024 oder doch so vorgeführt und aufgenommen wird, daß derartige pba_230.025 Empfindungen und Wirkungen ausgeschlossen bleiben, so ist das pba_230.026 diese doppelte Beschaffenheit konstatierende Urteil von der pba_230.027 Erscheinung des Lachens begleitet. Denn dies hat das Lachenpba_230.028 mit der Freude gemeinsam (das übrigens nach aristotelischen Begriffen pba_230.029 direkt den ἡδέα den „freudigen“ Dingen zugezählt wird), daß es eine pba_230.030 Erscheinung ist, welche, sofern sie nicht rein äußerlichen körperlichen pba_230.031 Einwirkungen entspringt, als Begleitung und gewissermaßen abschließendes pba_230.032 Resultat einer Thätigkeit (τελείωσις τῆς ἐνεργείας) auftritt. Man würde pba_230.033 sich ganz innerhalb der aristotelischen Anschauungsweise befinden, und, pba_230.034 wie es scheint, auch in Übereinstimmung mit der Wahrheit und den Thatsachen, pba_230.035 wenn man in diese weiteste Auffassung auch das Lachen überhaupt pba_230.036 als unmittelbaren Ausdruck der Freude miteinbegriffe, doch ist hier nur pba_230.037 im engeren Sinne von demjenigen Lachen die Rede, welches dem „Lächerlichen“ pba_230.038 entspricht, und auch dieses erscheint als Begleitung und Abschluß pba_230.039 einer Thätigkeit: diese Thätigkeit ist eben jenes „Urteilen“, welches das pba_230.040 Vorhandensein der das Lächerliche bedingenden Umstände konstatiert.
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pba_230.001
zu erklären — von denen keiner die Aufgabe löst, sondern ein jeder pba_230.002
nur einzelne Attribute des Gesamtbegriffes einschließt — kehrt man am pba_230.003
besten zu der ältesten Definition zurück, von der sie alle mehr oder pba_230.004
minder abhängig sind. Obwohl die speziellen Erörterungen des Aristoteles pba_230.005
über das Lächerliche uns verloren sind, so ist doch die beiläufig pba_230.006
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seinem ganzen Umfange erwogen wird. Jm fünften Kapitel seiner Poetik pba_230.009
heißt es: τὸ γὰρ γελοῖον ἐστιν ἁμάρτημά τι καὶ αἶσχος ἀνώδυνον καὶ pba_230.010
οὐ φθαρτικόν, d. h.: „Das Lächerliche besteht in einer Fehlerhaftigkeit pba_230.011
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Die Sache verhält sich also so: wenn sich ein Ding als entschieden pba_230.022
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Vorhandensein der das Lächerliche bedingenden Umstände konstatiert.
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/248>, abgerufen am 23.11.2024.
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