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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Offenbar kann auf zweierlei Arten dabei verfahren werden, und pba_229.004
beide hat Aristoteles in seiner Skizze von der Entwickelung dieser Art pba_229.005
von Poesie angeführt: die erste ist die tadelnde, spottweise Darstellung pba_229.006
(psogos), aus ihr geht die Satire hervor, die zweite ist die lächerliche pba_229.007
Darstellung (to geloion), sie gibt allen Arten der komischen pba_229.008
Epik
und der Komödie die Entstehung.

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Die tadelnde Darstellung einer Handlung begnügt sich damit, das pba_229.010
Fehlerhafte derselben so stark hervorzuheben, daß die demselben entgegengesetzte pba_229.011
richtige Gesinnungsweise, die den Darsteller beseelt, durch die pba_229.012
Nachahmung auch in dem Hörer hervorgerufen wird. Der Nachahmungszweck pba_229.013
ist hier das zu erzeugende Ethos, die dargestellte Handlung pba_229.014
Mittel zu diesem Zweck; daher -- zum sicheren Zeichen dieses Verhältnisses pba_229.015
-- die Einheit solcher Darstellung auch nur in ihrem Ethos pba_229.016
liegt, nicht in der Handlung, so daß die mannigfaltigsten Handlungen, pba_229.017
sofern sie nur durch den Gegensatz zu dem Ethos der Darstellung pba_229.018
gleichartig sind, darin vereinigt werden können. So verfährt die Satire, pba_229.019
die deswegen auch, wie oben erörtert, weit eher dem lyrischen als pba_229.020
dem epischen Gebiete zuzurechnen ist. Je nachdem das Ethos beschaffen pba_229.021
ist, welches der Dichter durch Vorführung von Fällen seines Widerspieles pba_229.022
stark anregen will, kann sie strafenden, ja grimmig anklagenden, auch pba_229.023
erhabenen Charakter annehmen, oder auch, wenn der Dichter die Laster, pba_229.024
Fehler und Gebrechen nicht jedesmal vereinzelt lediglich als Verletzungen pba_229.025
seines Gefühles empfindet, sondern sie nach der innern Vollständigkeit pba_229.026
ihrer Entstehung und Bedingtheit zwar nicht abgeschwächt, aber doch als pba_229.027
Ergebnisse der allgemeinen menschlichen Schwäche auf sich wirken läßt, pba_229.028
kann sie die abgeklärte Färbung eines eben so ernst gehaltenen als gelassenen pba_229.029
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Natürlich kann jede Art der Satire mannigfache leisere oder stärkere pba_229.031
Schattierungen des Lächerlichen in sich aufnehmen, aber die eigentliche pba_229.032
Wirkung des Lächerlichen ist in der Poesie schlechterdings pba_229.033
an die Darstellung der Handlung um ihrer selbst willen gebunden, pba_229.034
also in der Poesie an die Gattungen, denen diese pba_229.035
Nachahmung Zweck ist, die Epik und Dramatik.
Denn nicht pba_229.036
seinem ganzen Umfange nach ist das weitausgedehnte Gebiet des Lächerlichen pba_229.037
für die Poesie verwendbar, manche seiner Teile können nur als pba_229.038
Beiwerk von ihr benutzt werden, für ihr Hauptwerk kommt nur eine bestimmt pba_229.039
begrenzte Provinz des Gesamtgebietes in Betracht.

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Von den zahlreichen modernen Versuchen den Begriff des Lächerlichen

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der Dichter zu verfahren, um der Erreichung seines Zweckes gewiß sein pba_229.002
zu können?

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Offenbar kann auf zweierlei Arten dabei verfahren werden, und pba_229.004
beide hat Aristoteles in seiner Skizze von der Entwickelung dieser Art pba_229.005
von Poesie angeführt: die erste ist die tadelnde, spottweise Darstellung pba_229.006
(ψόγος), aus ihr geht die Satire hervor, die zweite ist die lächerliche pba_229.007
Darstellung (τὸ γελοῖον), sie gibt allen Arten der komischen pba_229.008
Epik
und der Komödie die Entstehung.

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Die tadelnde Darstellung einer Handlung begnügt sich damit, das pba_229.010
Fehlerhafte derselben so stark hervorzuheben, daß die demselben entgegengesetzte pba_229.011
richtige Gesinnungsweise, die den Darsteller beseelt, durch die pba_229.012
Nachahmung auch in dem Hörer hervorgerufen wird. Der Nachahmungszweck pba_229.013
ist hier das zu erzeugende Ethos, die dargestellte Handlung pba_229.014
Mittel zu diesem Zweck; daher — zum sicheren Zeichen dieses Verhältnisses pba_229.015
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liegt, nicht in der Handlung, so daß die mannigfaltigsten Handlungen, pba_229.017
sofern sie nur durch den Gegensatz zu dem Ethos der Darstellung pba_229.018
gleichartig sind, darin vereinigt werden können. So verfährt die Satire, pba_229.019
die deswegen auch, wie oben erörtert, weit eher dem lyrischen als pba_229.020
dem epischen Gebiete zuzurechnen ist. Je nachdem das Ethos beschaffen pba_229.021
ist, welches der Dichter durch Vorführung von Fällen seines Widerspieles pba_229.022
stark anregen will, kann sie strafenden, ja grimmig anklagenden, auch pba_229.023
erhabenen Charakter annehmen, oder auch, wenn der Dichter die Laster, pba_229.024
Fehler und Gebrechen nicht jedesmal vereinzelt lediglich als Verletzungen pba_229.025
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ihrer Entstehung und Bedingtheit zwar nicht abgeschwächt, aber doch als pba_229.027
Ergebnisse der allgemeinen menschlichen Schwäche auf sich wirken läßt, pba_229.028
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Natürlich kann jede Art der Satire mannigfache leisere oder stärkere pba_229.031
Schattierungen des Lächerlichen in sich aufnehmen, aber die eigentliche pba_229.032
Wirkung des Lächerlichen ist in der Poesie schlechterdings pba_229.033
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/247>, abgerufen am 23.11.2024.