pba_228.001 jegliche "poietische" Nachahmung von Handlungen zum Zwecke hat, pba_228.002 durch Thätigkeit der Aisthesis Empfindung zu bewirken, und zwar pba_228.003 als künstlerische Nachahmung das quantitative und qualitative pba_228.004 Maximum derselben -- die zugleich richtigste und stärkste --, so kann pba_228.005 die Handlungen nachahmende Poesie diesen ihren Zweck überhaupt nur pba_228.006 auf zweierlei Art erreichen: direkt, indem sie Handlungen von edlem, pba_228.007 gutem Ethos darstellt, oder, indem sie alle Arten der aus schlechtem oder pba_228.008 doch irgendwie fehlerhaftem Ethos hervorragenden Handlungen für ihren pba_228.009 Zweck verwendet, indirekt.
pba_228.010 Von dieser zweiten Art also, aus welcher Aristoteles den Ursprung pba_228.011 der komischen Poesie herleitet, muß hier zunächst gehandelt werden.
pba_228.012 Jndem die unendliche Masse der entschieden schlechten Handlungen, pba_228.013 oder die aus falscher Empfindung und verkehrter, ungesunder Gemütsart pba_228.014 hervorgehen, zugleich in ihrem entscheidenden Einflusse auf das Schicksal pba_228.015 der Menschen sich dem Dichter darstellt -- wodurch reizen sie ihn zur pba_228.016 Nachahmung? Denn sie nur etwa um ihrer selbst willen, um sie getreu pba_228.017 zu wiederholen, nachzuahmen, würde doch nicht künstlerisches Schaffen pba_228.018 -- Poiesis -- sein. Das mißbilligende, moralische oder intellektuelle pba_228.019 Urteil kann ihn nimmermehr dazu bewegen; es hat seinen pba_228.020 eigenen abstrakten Ausdruck und bedarf der Denkthätigkeit, aber pba_228.021 keiner Art von Nachahmung. Was ihn dazu anzutreiben vermag, Handlung pba_228.022 und Begebenheit dem Leben nachzuerschaffen, kann allein der pba_228.023 Umstand sein, daß die Wahrnehmung zur naturgemäßen Folge eine pba_228.024 Thätigkeit der Seele hat, welche auf keine andre Art aufs neue pba_228.025 hervorgerufen werden kann, als durch die Reproduktion jener Handlung pba_228.026 und Begebenheit selbst. Solcher Art ist einzig und allein die Empfindungsthätigkeitpba_228.027 der Seele. Während aber im Leben die Beschaffenheitpba_228.028 dieser so hervorgerufenen Empfindungsthätigkeit je nach pba_228.029 den sie erzeugenden Handlungen und Begebenheiten eine verschiedene pba_228.030 und zufällige ist, wählt der nacherschaffende Dichter -- der poietes pba_228.031 -- die Beschaffenheit derselben so aus und bestimmt sie ihrer ganzen pba_228.032 innern und äußern Vollständigkeit nach derartig, daß, welcher Art die pba_228.033 von ihm als Mittel zu seinem Zwecke verwandten Handlungen und pba_228.034 Begebenheiten auch seien, dieser Zweck, die dem Anlaß entsprechende pba_228.035 richtige Empfindungsweise zu erwecken, möglichst vollkommen erreicht pba_228.036 werde.
pba_228.037 Es fragt sich nun, wie können schlechte oder fehlerhaftepba_228.038 Handlungen oder doch solche, die aus einem fehlerhaften Ethos pba_228.039 hervorgehen, und die dieselben bedingenden und begleitenden Begebenheiten pba_228.040 richtige Empfindungsweise hervorrufen? Ferner, wie hat
pba_228.001 jegliche „poietische“ Nachahmung von Handlungen zum Zwecke hat, pba_228.002 durch Thätigkeit der Aisthesis Empfindung zu bewirken, und zwar pba_228.003 als künstlerische Nachahmung das quantitative und qualitative pba_228.004 Maximum derselben — die zugleich richtigste und stärkste —, so kann pba_228.005 die Handlungen nachahmende Poesie diesen ihren Zweck überhaupt nur pba_228.006 auf zweierlei Art erreichen: direkt, indem sie Handlungen von edlem, pba_228.007 gutem Ethos darstellt, oder, indem sie alle Arten der aus schlechtem oder pba_228.008 doch irgendwie fehlerhaftem Ethos hervorragenden Handlungen für ihren pba_228.009 Zweck verwendet, indirekt.
pba_228.010 Von dieser zweiten Art also, aus welcher Aristoteles den Ursprung pba_228.011 der komischen Poesie herleitet, muß hier zunächst gehandelt werden.
pba_228.012 Jndem die unendliche Masse der entschieden schlechten Handlungen, pba_228.013 oder die aus falscher Empfindung und verkehrter, ungesunder Gemütsart pba_228.014 hervorgehen, zugleich in ihrem entscheidenden Einflusse auf das Schicksal pba_228.015 der Menschen sich dem Dichter darstellt — wodurch reizen sie ihn zur pba_228.016 Nachahmung? Denn sie nur etwa um ihrer selbst willen, um sie getreu pba_228.017 zu wiederholen, nachzuahmen, würde doch nicht künstlerisches Schaffen pba_228.018 — Poiesis — sein. Das mißbilligende, moralische oder intellektuelle pba_228.019 Urteil kann ihn nimmermehr dazu bewegen; es hat seinen pba_228.020 eigenen abstrakten Ausdruck und bedarf der Denkthätigkeit, aber pba_228.021 keiner Art von Nachahmung. Was ihn dazu anzutreiben vermag, Handlung pba_228.022 und Begebenheit dem Leben nachzuerschaffen, kann allein der pba_228.023 Umstand sein, daß die Wahrnehmung zur naturgemäßen Folge eine pba_228.024 Thätigkeit der Seele hat, welche auf keine andre Art aufs neue pba_228.025 hervorgerufen werden kann, als durch die Reproduktion jener Handlung pba_228.026 und Begebenheit selbst. Solcher Art ist einzig und allein die Empfindungsthätigkeitpba_228.027 der Seele. Während aber im Leben die Beschaffenheitpba_228.028 dieser so hervorgerufenen Empfindungsthätigkeit je nach pba_228.029 den sie erzeugenden Handlungen und Begebenheiten eine verschiedene pba_228.030 und zufällige ist, wählt der nacherschaffende Dichter — der ποιητής pba_228.031 — die Beschaffenheit derselben so aus und bestimmt sie ihrer ganzen pba_228.032 innern und äußern Vollständigkeit nach derartig, daß, welcher Art die pba_228.033 von ihm als Mittel zu seinem Zwecke verwandten Handlungen und pba_228.034 Begebenheiten auch seien, dieser Zweck, die dem Anlaß entsprechende pba_228.035 richtige Empfindungsweise zu erwecken, möglichst vollkommen erreicht pba_228.036 werde.
pba_228.037 Es fragt sich nun, wie können schlechte oder fehlerhaftepba_228.038 Handlungen oder doch solche, die aus einem fehlerhaften Ethos pba_228.039 hervorgehen, und die dieselben bedingenden und begleitenden Begebenheiten pba_228.040 richtige Empfindungsweise hervorrufen? Ferner, wie hat
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jegliche „poietische“ Nachahmung von Handlungen zum Zwecke hat, pba_228.002
durch Thätigkeit der Aisthesis Empfindung zu bewirken, und zwar pba_228.003
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Von dieser zweiten Art also, aus welcher Aristoteles den Ursprung pba_228.011
der komischen Poesie herleitet, muß hier zunächst gehandelt werden.
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Jndem die unendliche Masse der entschieden schlechten Handlungen, pba_228.013
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Es fragt sich nun, wie können schlechte oder fehlerhafte pba_228.038
Handlungen oder doch solche, die aus einem fehlerhaften Ethos pba_228.039
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richtige Empfindungsweise hervorrufen? Ferner, wie hat
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/246>, abgerufen am 23.11.2024.
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