pba_011.001 Jhm schien also der Begriff "Handlung" damals noch zu enge pba_011.002 und er wählte den allgemeineren "Bewegung", weil bei diesem das pba_011.003 Moment der Einheit fehlt. Mit der hier gegebenen Definition wiederholte pba_011.004 er fast wörtlich die bekannte, in den Abhandlungen über die Fabel1pba_011.005 zu Grunde gelegte: "Eine Handlung ist eine Folge von Veränderungen, pba_011.006 die zusammen ein Ganzes ausmachen. Diese Einheit des Ganzen beruht pba_011.007 auf der Uebereinstimmung aller Teile zu einem Endzwecke." Er pba_011.008 betont im Fortgange noch besonders, daß zu der Handlung eine Folge pba_011.009 von Veränderungen erfordert werde; eine einzelne oder auch pba_011.010 mehrere, die aber nebeneinander bestehen und nicht aufeinander pba_011.011 folgen, reichen nicht aus; sie würden sich ganz malen lassen pba_011.012 und damit wäre die untrügliche Probe gegeben, daß sie nur vermeintlichpba_011.013 als Handlung angesehen würden, in Wirklichkeit nur ein pba_011.014 Bild seien.
pba_011.015 Wenn er bei der Ausarbeitung des ersten Teiles seines Laokoon pba_011.016 nun doch zu dem Ausdrucke "Handlung" zurückkehrte, so geschah es, pba_011.017 weil er die Unterscheidung zwischen einfachen und kollektiven Handlungen pba_011.018 für den zweiten Teil sich vorbehalten und für den ersten, allgemeiner pba_011.019 gehaltenen, nur den Begriff eines Komplexes von Veränderungs- oder pba_011.020 Bewegungsmomenten ohne irgend welche nähere Präcisierung setzen pba_011.021 wollte. Er ließ sogar die Forderung der Einheit fallen; auf nichts pba_011.022 weiteres sollte es ankommen als auf das Moment der Zeitfolge,pba_011.023 der Succession. Selbst die ganz unentbehrlich scheinende Bestimmung, pba_011.024 daß es "Veränderungen" sein müssen, als deren "Folge" sich die pba_011.025 Handlung darstellt, kommt nicht zum Ausdruck; statt dessen wird der pba_011.026 denkbar allgemeinste Terminus gewählt: "Folge von Gegenständen pba_011.027 oder deren Teilen."
pba_011.028 Völlig selbstverständlich ist es, zum Ueberfluß auch noch durch die pba_011.029 bekannte Stelle aus den Abhandlungen über die Fabel zu erhärten, daß pba_011.030 es Lessing nicht einfallen konnte, sich diese "Folge von Gegenständen", pba_011.031 unter denen schlechterdings ja doch nur "Veränderungen" oder "Bewegungen" pba_011.032 verstanden werden können, auf die Körperwelt eingeschränkt pba_011.033 zu denken, sondern daß er sich dieselbe auf das geistige Gebiet im weitesten pba_011.034 Sinne ausgedehnt dachte: "auch jeder innere Kampf von Leidenschaften, pba_011.035 jede Folge von verschiedenen Gedanken, wo eine die andere aufhebt,"2pba_011.036 ist ihm eine Handlung.
pba_011.037 So ist es denn auch nicht angänglich den Lessingschen Begriff der
1pba_011.038 Lessing (Hempel) X, S. 38.
2pba_011.039 Lessing a. a. O., S. 44.
pba_011.001 Jhm schien also der Begriff „Handlung“ damals noch zu enge pba_011.002 und er wählte den allgemeineren „Bewegung“, weil bei diesem das pba_011.003 Moment der Einheit fehlt. Mit der hier gegebenen Definition wiederholte pba_011.004 er fast wörtlich die bekannte, in den Abhandlungen über die Fabel1pba_011.005 zu Grunde gelegte: „Eine Handlung ist eine Folge von Veränderungen, pba_011.006 die zusammen ein Ganzes ausmachen. Diese Einheit des Ganzen beruht pba_011.007 auf der Uebereinstimmung aller Teile zu einem Endzwecke.“ Er pba_011.008 betont im Fortgange noch besonders, daß zu der Handlung eine Folge pba_011.009 von Veränderungen erfordert werde; eine einzelne oder auch pba_011.010 mehrere, die aber nebeneinander bestehen und nicht aufeinander pba_011.011 folgen, reichen nicht aus; sie würden sich ganz malen lassen pba_011.012 und damit wäre die untrügliche Probe gegeben, daß sie nur vermeintlichpba_011.013 als Handlung angesehen würden, in Wirklichkeit nur ein pba_011.014 Bild seien.
pba_011.015 Wenn er bei der Ausarbeitung des ersten Teiles seines Laokoon pba_011.016 nun doch zu dem Ausdrucke „Handlung“ zurückkehrte, so geschah es, pba_011.017 weil er die Unterscheidung zwischen einfachen und kollektiven Handlungen pba_011.018 für den zweiten Teil sich vorbehalten und für den ersten, allgemeiner pba_011.019 gehaltenen, nur den Begriff eines Komplexes von Veränderungs- oder pba_011.020 Bewegungsmomenten ohne irgend welche nähere Präcisierung setzen pba_011.021 wollte. Er ließ sogar die Forderung der Einheit fallen; auf nichts pba_011.022 weiteres sollte es ankommen als auf das Moment der Zeitfolge,pba_011.023 der Succession. Selbst die ganz unentbehrlich scheinende Bestimmung, pba_011.024 daß es „Veränderungen“ sein müssen, als deren „Folge“ sich die pba_011.025 Handlung darstellt, kommt nicht zum Ausdruck; statt dessen wird der pba_011.026 denkbar allgemeinste Terminus gewählt: „Folge von Gegenständen pba_011.027 oder deren Teilen.“
pba_011.028 Völlig selbstverständlich ist es, zum Ueberfluß auch noch durch die pba_011.029 bekannte Stelle aus den Abhandlungen über die Fabel zu erhärten, daß pba_011.030 es Lessing nicht einfallen konnte, sich diese „Folge von Gegenständen“, pba_011.031 unter denen schlechterdings ja doch nur „Veränderungen“ oder „Bewegungen“ pba_011.032 verstanden werden können, auf die Körperwelt eingeschränkt pba_011.033 zu denken, sondern daß er sich dieselbe auf das geistige Gebiet im weitesten pba_011.034 Sinne ausgedehnt dachte: „auch jeder innere Kampf von Leidenschaften, pba_011.035 jede Folge von verschiedenen Gedanken, wo eine die andere aufhebt,“2pba_011.036 ist ihm eine Handlung.
pba_011.037 So ist es denn auch nicht angänglich den Lessingschen Begriff der
1pba_011.038 Lessing (Hempel) X, S. 38.
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Jhm schien also der Begriff „Handlung“ damals noch zu enge pba_011.002
und er wählte den allgemeineren „Bewegung“, weil bei diesem das pba_011.003
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die zusammen ein Ganzes ausmachen. Diese Einheit des Ganzen beruht pba_011.007
auf der Uebereinstimmung aller Teile zu einem Endzwecke.“ Er pba_011.008
betont im Fortgange noch besonders, daß zu der Handlung eine Folge pba_011.009
von Veränderungen erfordert werde; eine einzelne oder auch pba_011.010
mehrere, die aber nebeneinander bestehen und nicht aufeinander pba_011.011
folgen, reichen nicht aus; sie würden sich ganz malen lassen pba_011.012
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als Handlung angesehen würden, in Wirklichkeit nur ein pba_011.014
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pba_011.015
Wenn er bei der Ausarbeitung des ersten Teiles seines Laokoon pba_011.016
nun doch zu dem Ausdrucke „Handlung“ zurückkehrte, so geschah es, pba_011.017
weil er die Unterscheidung zwischen einfachen und kollektiven Handlungen pba_011.018
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gehaltenen, nur den Begriff eines Komplexes von Veränderungs- oder pba_011.020
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Völlig selbstverständlich ist es, zum Ueberfluß auch noch durch die pba_011.029
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So ist es denn auch nicht angänglich den Lessingschen Begriff der
1 pba_011.038
Lessing (Hempel) X, S. 38.
2 pba_011.039
Lessing a. a. O., S. 44.
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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