pba_273.001 in einer für die Anschauung wie das Gefühl befriedigenden pba_273.002 Weise darzustellen. Zweierlei dem Anscheine nach entgegengesetzte, aber pba_273.003 der Natur der Dinge nach gerade hier unauflöslich auch in der Wirklichkeit pba_273.004 verknüpfte, Beschaffenheiten der Handlung mußten also der Anschauung pba_273.005 wie der Empfindung unmittelbar wahrnehmbar vorgeführt pba_273.006 werden: es mußten einmal, dem Kerne der Handlung gemäß, die Dinge pba_273.007 sich in einer der Erwartung gerade entgegengesetzten Weise -- para pba_273.008 ten doxan1 -- entwickeln und dennoch nicht nur der Wahrscheinlichkeit, pba_273.009 sondern der Notwendigkeit gemäß -- kata to eikos und kata to pba_273.010 anagkaion -- so also, daß die Dinge nicht nach einander, sondern pba_273.011 eins durch das andre erfolgten, sich gegenseitig einander bedingend und pba_273.012 eins aus dem andern sich entwickelnd -- di'allela ... oste ek ton pba_273.013 progegenemenon sumbainein \e ex anagkes \e kata to eikos ginesthai pba_273.014 tanantia; diapherei gar polu to ginesthai tade dia tade \e meta pba_273.015 tade --.
pba_273.016 So wird das Unerhörte und Widersprechende nicht nur der allgemeinen pba_273.017 gesetzlichen Ordnung eingereiht, sondern es wird als ein besonders pba_273.018 deutlich sichtbares Zeichen der Unverbrüchlichkeit dieser auf ein pba_273.019 höheres Walten mit Notwendigkeit zurückzuführenden Ordnung geschaut pba_273.020 und empfunden.
pba_273.021 Die heroisch-tragische Sage enthielte also die Erzählung großer pba_273.022 Thaten der Guten und Bösen und schweren Geschickes, das die Bösen pba_273.023 nach Verdienst ereilt, aber nicht minder auch die Guten und die Besten pba_273.024 trifft und zwar so, daß sie klar zu Tage treten läßt, wie so ganz des pba_273.025 Menschen Glück und Geschick abhängig ist von der Ordnung, in die er pba_273.026 hier auf Erden gestellt ist und der sich keiner entziehen kann.
pba_273.027 Nicht bloß die tausendfach ihn einengenden Handlungen und Schicksale pba_273.028 der mit ihm Lebenden bedingen sein eigenes Thun und Ergehen, pba_273.029 sondern schwer und unentrinnbar lasten auf ihm Thaten und Geschicke pba_273.030 der Vorfahren und ganzer, längst vergangener Geschlechter, deren Folgen pba_273.031 schwere Trübsal über ihn verhängen und durch geringen, schwer vermeidlichen pba_273.032 Fehl zerschmetternd auf sein Haupt fallen können. Solchem pba_273.033 verhängnisvollen Fehlen und Jrren sind aber gerade die Stärksten und pba_273.034 Besten am ehesten ausgesetzt, gleichsam auf hoher und schmaler Bahn pba_273.035 wandelnd, die schweren Sturz droht.
pba_273.036 Außer diesen allgemeinen menschlichen Zügen zeigt aber die Heldensage pba_273.037 einer jeden Nation die ihr eigenen, besonderen inneren und äußeren pba_273.038 Charakterzüge: auch die Völker haben ihr eigenes Ethos; ein anderes ist
1pba_273.039 Vgl. hierzu und zum folgenden Aristoteles, Poet. Kap. 9 und 10.
pba_273.001 in einer für die Anschauung wie das Gefühl befriedigenden pba_273.002 Weise darzustellen. Zweierlei dem Anscheine nach entgegengesetzte, aber pba_273.003 der Natur der Dinge nach gerade hier unauflöslich auch in der Wirklichkeit pba_273.004 verknüpfte, Beschaffenheiten der Handlung mußten also der Anschauung pba_273.005 wie der Empfindung unmittelbar wahrnehmbar vorgeführt pba_273.006 werden: es mußten einmal, dem Kerne der Handlung gemäß, die Dinge pba_273.007 sich in einer der Erwartung gerade entgegengesetzten Weise — παρὰ pba_273.008 τὴν δόξαν1 — entwickeln und dennoch nicht nur der Wahrscheinlichkeit, pba_273.009 sondern der Notwendigkeit gemäß — κατὰ τὸ εἰκός und κατὰ τὸ pba_273.010 ἀναγκαῖον — so also, daß die Dinge nicht nach einander, sondern pba_273.011 eins durch das andre erfolgten, sich gegenseitig einander bedingend und pba_273.012 eins aus dem andern sich entwickelnd — δι'ἄλληλα ... ὥστε ἐκ τῶν pba_273.013 προγεγενημένων συμβαίνειν \̓η ἐξ ἀνάγκης \̓η κατὰ τὸ εἰκὸς γίνεσθαι pba_273.014 τἀναντία· διαφέρει γὰρ πολὺ τὸ γίνεσθαι τάδε διὰ τὰδε \̓η μετὰ pba_273.015 τάδε —.
pba_273.016 So wird das Unerhörte und Widersprechende nicht nur der allgemeinen pba_273.017 gesetzlichen Ordnung eingereiht, sondern es wird als ein besonders pba_273.018 deutlich sichtbares Zeichen der Unverbrüchlichkeit dieser auf ein pba_273.019 höheres Walten mit Notwendigkeit zurückzuführenden Ordnung geschaut pba_273.020 und empfunden.
pba_273.021 Die heroisch-tragische Sage enthielte also die Erzählung großer pba_273.022 Thaten der Guten und Bösen und schweren Geschickes, das die Bösen pba_273.023 nach Verdienst ereilt, aber nicht minder auch die Guten und die Besten pba_273.024 trifft und zwar so, daß sie klar zu Tage treten läßt, wie so ganz des pba_273.025 Menschen Glück und Geschick abhängig ist von der Ordnung, in die er pba_273.026 hier auf Erden gestellt ist und der sich keiner entziehen kann.
pba_273.027 Nicht bloß die tausendfach ihn einengenden Handlungen und Schicksale pba_273.028 der mit ihm Lebenden bedingen sein eigenes Thun und Ergehen, pba_273.029 sondern schwer und unentrinnbar lasten auf ihm Thaten und Geschicke pba_273.030 der Vorfahren und ganzer, längst vergangener Geschlechter, deren Folgen pba_273.031 schwere Trübsal über ihn verhängen und durch geringen, schwer vermeidlichen pba_273.032 Fehl zerschmetternd auf sein Haupt fallen können. Solchem pba_273.033 verhängnisvollen Fehlen und Jrren sind aber gerade die Stärksten und pba_273.034 Besten am ehesten ausgesetzt, gleichsam auf hoher und schmaler Bahn pba_273.035 wandelnd, die schweren Sturz droht.
pba_273.036 Außer diesen allgemeinen menschlichen Zügen zeigt aber die Heldensage pba_273.037 einer jeden Nation die ihr eigenen, besonderen inneren und äußeren pba_273.038 Charakterzüge: auch die Völker haben ihr eigenes Ethos; ein anderes ist
1pba_273.039 Vgl. hierzu und zum folgenden Aristoteles, Poet. Kap. 9 und 10.
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in einer für die Anschauung wie das Gefühl befriedigenden pba_273.002
Weise darzustellen. Zweierlei dem Anscheine nach entgegengesetzte, aber pba_273.003
der Natur der Dinge nach gerade hier unauflöslich auch in der Wirklichkeit pba_273.004
verknüpfte, Beschaffenheiten der Handlung mußten also der Anschauung pba_273.005
wie der Empfindung unmittelbar wahrnehmbar vorgeführt pba_273.006
werden: es mußten einmal, dem Kerne der Handlung gemäß, die Dinge pba_273.007
sich in einer der Erwartung gerade entgegengesetzten Weise — παρὰ pba_273.008
τὴν δόξαν 1 — entwickeln und dennoch nicht nur der Wahrscheinlichkeit, pba_273.009
sondern der Notwendigkeit gemäß — κατὰ τὸ εἰκός und κατὰ τὸ pba_273.010
ἀναγκαῖον — so also, daß die Dinge nicht nach einander, sondern pba_273.011
eins durch das andre erfolgten, sich gegenseitig einander bedingend und pba_273.012
eins aus dem andern sich entwickelnd — δι'ἄλληλα ... ὥστε ἐκ τῶν pba_273.013
προγεγενημένων συμβαίνειν \̓η ἐξ ἀνάγκης \̓η κατὰ τὸ εἰκὸς γίνεσθαι pba_273.014
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τάδε —.
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So wird das Unerhörte und Widersprechende nicht nur der allgemeinen pba_273.017
gesetzlichen Ordnung eingereiht, sondern es wird als ein besonders pba_273.018
deutlich sichtbares Zeichen der Unverbrüchlichkeit dieser auf ein pba_273.019
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und empfunden.
pba_273.021
Die heroisch-tragische Sage enthielte also die Erzählung großer pba_273.022
Thaten der Guten und Bösen und schweren Geschickes, das die Bösen pba_273.023
nach Verdienst ereilt, aber nicht minder auch die Guten und die Besten pba_273.024
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pba_273.027
Nicht bloß die tausendfach ihn einengenden Handlungen und Schicksale pba_273.028
der mit ihm Lebenden bedingen sein eigenes Thun und Ergehen, pba_273.029
sondern schwer und unentrinnbar lasten auf ihm Thaten und Geschicke pba_273.030
der Vorfahren und ganzer, längst vergangener Geschlechter, deren Folgen pba_273.031
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Fehl zerschmetternd auf sein Haupt fallen können. Solchem pba_273.033
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Besten am ehesten ausgesetzt, gleichsam auf hoher und schmaler Bahn pba_273.035
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pba_273.036
Außer diesen allgemeinen menschlichen Zügen zeigt aber die Heldensage pba_273.037
einer jeden Nation die ihr eigenen, besonderen inneren und äußeren pba_273.038
Charakterzüge: auch die Völker haben ihr eigenes Ethos; ein anderes ist
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Vgl. hierzu und zum folgenden Aristoteles, Poet. Kap. 9 und 10.
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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