Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_278.001 pba_278.019 pba_278.029 1 pba_278.037
Vgl. Kap. 8: Muthos d' estin eis, oukh osper tines oiontai, e\an peri ena e; pba_278.038 polla gar kai apeira to genei sumbainei, ex on enion ouden estin en; outo de pba_278.039 kai praxeis enos pollai eisin, ex on mia oudemia ginetai praxis. pba_278.001 pba_278.019 pba_278.029 1 pba_278.037
Vgl. Kap. 8: Μῦθος δ' ἑστὶν εἷς, οὐχ ὥσπερ τινὲς ὄιονται, ε\̓αν περὶ ἕνα ᾖ· pba_278.038 πολλὰ γὰρ καὶ ἄπειρα τῷ γένει συμβαίνει, ἐξ ὧν ἐνίων οὐδέν ἐστιν ἕν· οὕτω δὲ pba_278.039 καὶ πράξεις ἐνὸς πολλαί εἰσιν, ἐξ ὧν μία οὐδεμία γίνεται πρᾶξις. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0296" n="278"/><lb n="pba_278.001"/> der Mangel einer zweckentsprechend eingerichteten Handlung; durch diesen <lb n="pba_278.002"/> wird der Nachahmungszweck verfehlt, durch jenen im schlimmsten Fall <lb n="pba_278.003"/> doch nur beeinträchtigt. Es ist auch weit schwieriger die Handlung zu <lb n="pba_278.004"/> komponieren als die Charaktere der Handelnden durchzuführen. Was <lb n="pba_278.005"/> Aristoteles hierüber im sechsten Kapitel der Poetik die Tragödie betreffend <lb n="pba_278.006"/> lehrt, gilt ganz ebenso für das Epos: <foreign xml:lang="grc">ἀρχὴ μὲν οὖν καὶ οἷον ψυχὴ</foreign> <lb n="pba_278.007"/> <foreign xml:lang="grc">ὁ μῦθος τῆς τραγῳδίας, δεύτερον δὲ τὰ ἤθη</foreign>. <foreign xml:lang="grc">ἔστι δὲ μίμησις</foreign> <lb n="pba_278.008"/> <foreign xml:lang="grc">πράξεως, καὶ διὰ ταύτην μάλιστα τῶν πραττόντων</foreign>. <foreign xml:lang="grc">τρίτον δἐ ἡ</foreign> <lb n="pba_278.009"/> <foreign xml:lang="grc">διάνοια</foreign>. Zu deutsch: „Grundlage und gleichsam Seele der Tragödie <lb n="pba_278.010"/> (wie des Epos) ist die Fabel, erst in zweiter Linie steht die Charakterdarstellung; <lb n="pba_278.011"/> denn sie ist Nachahmung von Handlung, und vorzüglich um <lb n="pba_278.012"/> der Handlung willen Nachahmung der handelnden Personen. Erst an <lb n="pba_278.013"/> dritter Stelle kommt der Ausdruck der Reflexion.“ Dieses Dritte, die <lb n="pba_278.014"/> <hi rendition="#g">Dianoia,</hi> ist als „Ausdruck der Reflexion“ wiedergegeben in Übereinstimmung <lb n="pba_278.015"/> mit der von Aristoteles hinzugefügten Erklärung: <foreign xml:lang="grc">τοῦτο</foreign> <lb n="pba_278.016"/> <foreign xml:lang="grc">δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ἐστὶ τὸ λέγειν δύνασθαι τὰ ἐνόντα καὶ τὰ</foreign> <foreign xml:lang="grc">ἀρμόττοντα</foreign><hi rendition="#i">:</hi> „sie besteht <lb n="pba_278.017"/> in dem Vermögen dem Sachverhalt und der zugehörigen Begründung <lb n="pba_278.018"/> den angemessenen Ausdruck zu geben.“</p> <p><lb n="pba_278.019"/> Unter den Fehlern in der Komposition der Handlung steht der <lb n="pba_278.020"/> Mangel der Einheit obenan. Nicht in der Einheit des Helden besteht <lb n="pba_278.021"/> dieselbe, denn, wie Aristoteles diesen Satz im achten Kapitel ausführt, <lb n="pba_278.022"/> unter den tausendfachen und der Gattung nach unendlich verschiedenen <lb n="pba_278.023"/> Ereignissen, die dem Raum und der Zeit nach zusammenhängend eintreten, <lb n="pba_278.024"/> bildet eine beliebig herausgegriffene Gruppe noch lange keine <lb n="pba_278.025"/> Einheit. Und so gehen auch von dem Einzelnen zahlreiche Handlungen <lb n="pba_278.026"/> aus, die darum noch durchaus nicht eine einheitliche Handlung bilden.<note xml:id="pba_278_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_278.037"/> Vgl. Kap. 8: <foreign xml:lang="grc">Μῦθος δ' ἑστὶν εἷς, οὐχ ὥσπερ τινὲς ὄιονται, ε\̓αν περὶ ἕνα ᾖ·</foreign> <lb n="pba_278.038"/> <foreign xml:lang="grc">πολλὰ γὰρ καὶ ἄπειρα τῷ γένει συμβαίνει, ἐξ ὧν ἐνίων οὐδέν ἐστιν ἕν·</foreign> <foreign xml:lang="grc">οὕτω δὲ</foreign> <lb n="pba_278.039"/> <foreign xml:lang="grc">καὶ πράξεις ἐνὸς πολλαί εἰσιν, ἐξ ὧν μία οὐδεμία γίνεται πρᾶξις</foreign>.</note> <lb n="pba_278.027"/> Der Begriff der <hi rendition="#g">Einheit</hi> hängt mit dem des „<hi rendition="#g">Ganzen</hi>“ und der <lb n="pba_278.028"/> „<hi rendition="#g">Vollständigkeit</hi>“ auf das Engste zusammen.</p> <p><lb n="pba_278.029"/> Ein <hi rendition="#g">Ganzes</hi> ist da vorhanden, wo Anfang, Mitte und Ende vorhanden <lb n="pba_278.030"/> ist. <hi rendition="#g">Anfang</hi> ist dasjenige, was selbst nicht mit Notwendigkeit <lb n="pba_278.031"/> als auf etwas Anderes folgend zu denken ist, also ohne Voraussetzungen <lb n="pba_278.032"/> aufgenommen werden kann, was aber seiner inneren Natur nach so geartet <lb n="pba_278.033"/> ist, daß Neues darauf folgen oder sich daraus entwickeln muß. <lb n="pba_278.034"/> <hi rendition="#g">Ende</hi> ist das Gegenteil davon, was seiner inneren Natur nach so geartet <lb n="pba_278.035"/> ist, daß es auf ein Anderes folgt, entweder nach dem Gesetz der <lb n="pba_278.036"/> Notwendigkeit oder dem der Gewohnheitsregel, daß es aber selbst nichts </p> </div> </body> </text> </TEI> [278/0296]
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der Mangel einer zweckentsprechend eingerichteten Handlung; durch diesen pba_278.002
wird der Nachahmungszweck verfehlt, durch jenen im schlimmsten Fall pba_278.003
doch nur beeinträchtigt. Es ist auch weit schwieriger die Handlung zu pba_278.004
komponieren als die Charaktere der Handelnden durchzuführen. Was pba_278.005
Aristoteles hierüber im sechsten Kapitel der Poetik die Tragödie betreffend pba_278.006
lehrt, gilt ganz ebenso für das Epos: ἀρχὴ μὲν οὖν καὶ οἷον ψυχὴ pba_278.007
ὁ μῦθος τῆς τραγῳδίας, δεύτερον δὲ τὰ ἤθη. ἔστι δὲ μίμησις pba_278.008
πράξεως, καὶ διὰ ταύτην μάλιστα τῶν πραττόντων. τρίτον δἐ ἡ pba_278.009
διάνοια. Zu deutsch: „Grundlage und gleichsam Seele der Tragödie pba_278.010
(wie des Epos) ist die Fabel, erst in zweiter Linie steht die Charakterdarstellung; pba_278.011
denn sie ist Nachahmung von Handlung, und vorzüglich um pba_278.012
der Handlung willen Nachahmung der handelnden Personen. Erst an pba_278.013
dritter Stelle kommt der Ausdruck der Reflexion.“ Dieses Dritte, die pba_278.014
Dianoia, ist als „Ausdruck der Reflexion“ wiedergegeben in Übereinstimmung pba_278.015
mit der von Aristoteles hinzugefügten Erklärung: τοῦτο pba_278.016
δ'ἐστὶ τὸ λέγειν δύνασθαι τὰ ἐνόντα καὶ τὰ ἀρμόττοντα: „sie besteht pba_278.017
in dem Vermögen dem Sachverhalt und der zugehörigen Begründung pba_278.018
den angemessenen Ausdruck zu geben.“
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Unter den Fehlern in der Komposition der Handlung steht der pba_278.020
Mangel der Einheit obenan. Nicht in der Einheit des Helden besteht pba_278.021
dieselbe, denn, wie Aristoteles diesen Satz im achten Kapitel ausführt, pba_278.022
unter den tausendfachen und der Gattung nach unendlich verschiedenen pba_278.023
Ereignissen, die dem Raum und der Zeit nach zusammenhängend eintreten, pba_278.024
bildet eine beliebig herausgegriffene Gruppe noch lange keine pba_278.025
Einheit. Und so gehen auch von dem Einzelnen zahlreiche Handlungen pba_278.026
aus, die darum noch durchaus nicht eine einheitliche Handlung bilden. 1 pba_278.027
Der Begriff der Einheit hängt mit dem des „Ganzen“ und der pba_278.028
„Vollständigkeit“ auf das Engste zusammen.
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Ein Ganzes ist da vorhanden, wo Anfang, Mitte und Ende vorhanden pba_278.030
ist. Anfang ist dasjenige, was selbst nicht mit Notwendigkeit pba_278.031
als auf etwas Anderes folgend zu denken ist, also ohne Voraussetzungen pba_278.032
aufgenommen werden kann, was aber seiner inneren Natur nach so geartet pba_278.033
ist, daß Neues darauf folgen oder sich daraus entwickeln muß. pba_278.034
Ende ist das Gegenteil davon, was seiner inneren Natur nach so geartet pba_278.035
ist, daß es auf ein Anderes folgt, entweder nach dem Gesetz der pba_278.036
Notwendigkeit oder dem der Gewohnheitsregel, daß es aber selbst nichts
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Vgl. Kap. 8: Μῦθος δ' ἑστὶν εἷς, οὐχ ὥσπερ τινὲς ὄιονται, ε\̓αν περὶ ἕνα ᾖ· pba_278.038
πολλὰ γὰρ καὶ ἄπειρα τῷ γένει συμβαίνει, ἐξ ὧν ἐνίων οὐδέν ἐστιν ἕν· οὕτω δὲ pba_278.039
καὶ πράξεις ἐνὸς πολλαί εἰσιν, ἐξ ὧν μία οὐδεμία γίνεται πρᾶξις.
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