Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.
pba_360.001 pba_360.010 pba_360.028 1 pba_360.035 cf. Aristoteles: Nikomach. Ethik. Buch VI, c. 5 1140 b 20: ost' anagke pba_360.036 ten phronesin exin einai meta logou alethe peri ta anthropina agatha praktiken. pba_360.037 Vgl. außer c. 5 auch namentlich die c. 6 und 7 des VI. Buches. 2 pba_360.038
A. a. O. 1140 b 29: alla men oud' exis meta logou monon; semeion d'oti pba_360.039 lethe tes men toiautes exeos esti, phroneseos d'ouk estin.
pba_360.001 pba_360.010 pba_360.028 1 pba_360.035 cf. Aristoteles: Nikomach. Ethik. Buch VI, c. 5 1140 b 20: ὥστ' ἀνάγκη pba_360.036 τὴν φρόνησιν ἕξιν εἶναι μετὰ λόγου ἀληθῆ περὶ τὰ ἀνθρώπινα ἀγαθὰ πρακτικήν. pba_360.037 Vgl. außer c. 5 auch namentlich die c. 6 und 7 des VI. Buches. 2 pba_360.038
A. a. O. 1140 b 29: ἀλλὰ μὴν οὐδ' ἕξις μετὰ λόγου μόνον· σημεῖον δ'ὅτι pba_360.039 λήθη τῆς μὲν τοιαῦτης ἕξεώς ἐστι, φρονήσεως δ'οὐκ ἔστιν. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0378" n="360"/><lb n="pba_360.001"/> Handeln in Bezug auf das menschlich Gute.</hi><note xml:id="pba_360_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_360.035"/> cf. <hi rendition="#g">Aristoteles:</hi> Nikomach. Ethik. Buch VI, c. 5 1140 b 20: <foreign xml:lang="grc">ὥστ' ἀνάγκη</foreign> <lb n="pba_360.036"/> <foreign xml:lang="grc">τὴν φρόνησιν ἕξιν εἶναι μετὰ λόγου ἀληθῆ περὶ τὰ ἀνθρώπινα</foreign> <foreign xml:lang="grc">ἀγαθὰ πρακτικήν</foreign>. <lb n="pba_360.037"/> Vgl. außer c. 5 auch namentlich die c. 6 und 7 des VI. Buches.</note><hi rendition="#g">Empfindung, <lb n="pba_360.002"/> Vernunft und Willensbestreben</hi> kommen dabei gleichmäßig in <lb n="pba_360.003"/> Betracht, ihnen allen muß das Attribut der Richtigkeit, der Übereinstimmung <lb n="pba_360.004"/> mit der Wahrheit innewohnen, und zwar muß das alles nicht <lb n="pba_360.005"/> nur in Bezug auf einzelne Handlungen stattfinden, sondern als eine <lb n="pba_360.006"/> unverlierbare Beschaffenheit (<foreign xml:lang="grc">ἕξις</foreign>), <hi rendition="#g">für die es kein Vergessen gibt,</hi> <lb n="pba_360.007"/> dem ganzen Wesen eingeprägt sein. Das wäre nicht der Fall, wenn <lb n="pba_360.008"/> die Phronesis nur auf verstandesbewußter Entscheidung im Handeln <lb n="pba_360.009"/> beruhte, also nur Einsicht, Verständigkeit wäre.<note xml:id="pba_360_2" place="foot" n="2"><lb n="pba_360.038"/> A. a. O. 1140 b 29: <foreign xml:lang="grc">ἀλλὰ μὴν οὐδ' ἕξις μετὰ λόγου</foreign> <foreign xml:lang="grc">μόνον·</foreign> <foreign xml:lang="grc">σημεῖον δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ὅτι</foreign> <lb n="pba_360.039"/> <foreign xml:lang="grc">λήθη τῆς μὲν τοιαῦτης ἕξεώς ἐστι, φρονήσεως δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">οὐκ ἔστιν</foreign>.</note></p> <p><lb n="pba_360.010"/> Obgleich demgemäß die Phronesis ohne die bewußte Mitwirkung <lb n="pba_360.011"/> des Verstandes und der Vernunft, und zwar beider in wahrheitsgemäß <lb n="pba_360.012"/> bestimmter Thätigkeit, nicht denkbar ist, so beruht sie ihrem Wesen nach <lb n="pba_360.013"/> doch darauf, daß die Empfindungs- und Gesinnungsweise ebenso, also <lb n="pba_360.014"/> auch das Begehrungs- und Willensvermögen, mit solcher Verstandes- <lb n="pba_360.015"/> und Vernunftthätigkeit sich in völligem Einklange befinden, so daß also <lb n="pba_360.016"/> diese in jene völlig übergegangen, in allen Äußerungen jener fortwährend <lb n="pba_360.017"/> gegenwärtig ist. So kann es geschehen, daß, obwohl in Wahrheit <lb n="pba_360.018"/> die Willensentscheidungen nicht ohne Überlegung und bewußte Wahl <lb n="pba_360.019"/> nach Vernunftgründen vor sich gehen, sie dennoch als unmittelbare <lb n="pba_360.020"/> Wirkungen der Empfindungskräfte, als unbewußt und notwendig erfolgende <lb n="pba_360.021"/> Manifestationen der ethischen Gesamthaltung erscheinen: <hi rendition="#g">die <lb n="pba_360.022"/> Folge davon aber ist, daß sie demgemäß auch unmittelbar, <lb n="pba_360.023"/> ohne das Dazwischentreten der logischen Reflexion, in ihrer <lb n="pba_360.024"/> vollen Eigenart durch das Empfindungsvermögen aufgenommen, <lb n="pba_360.025"/> durch das Empfindungsurteil richtig geschätzt <lb n="pba_360.026"/> werden können, daß sie rein ästhetisch wahrnehmbar und <lb n="pba_360.027"/> wirksam sind.</hi></p> <p><lb n="pba_360.028"/> Dazu aber ist notwendig, daß die handelnden Personen nicht <lb n="pba_360.029"/> allein nach ihrer <hi rendition="#g">Empfindungs- und Gesinnungsweise und <lb n="pba_360.030"/> ihrem Begehrungsvermögen</hi> (<foreign xml:lang="grc">πάθος, ἦθος, ὄρεξις</foreign>) <hi rendition="#g">so beschaffen <lb n="pba_360.031"/> sind,</hi> wie die Tugend der Phronesis es voraussetzt, sondern daß <hi rendition="#g">diese <lb n="pba_360.032"/> Beschaffenheit in bestimmten Willensentscheidungen zu Tage <lb n="pba_360.033"/> tritt, und zwar innerhalb so gearteter Umstände,</hi> d. h. <hi rendition="#g">also <lb n="pba_360.034"/> in einer derartig eingerichteten äußeren Handlung, daß die- </hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [360/0378]
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Handeln in Bezug auf das menschlich Gute. 1 Empfindung, pba_360.002
Vernunft und Willensbestreben kommen dabei gleichmäßig in pba_360.003
Betracht, ihnen allen muß das Attribut der Richtigkeit, der Übereinstimmung pba_360.004
mit der Wahrheit innewohnen, und zwar muß das alles nicht pba_360.005
nur in Bezug auf einzelne Handlungen stattfinden, sondern als eine pba_360.006
unverlierbare Beschaffenheit (ἕξις), für die es kein Vergessen gibt, pba_360.007
dem ganzen Wesen eingeprägt sein. Das wäre nicht der Fall, wenn pba_360.008
die Phronesis nur auf verstandesbewußter Entscheidung im Handeln pba_360.009
beruhte, also nur Einsicht, Verständigkeit wäre. 2
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Obgleich demgemäß die Phronesis ohne die bewußte Mitwirkung pba_360.011
des Verstandes und der Vernunft, und zwar beider in wahrheitsgemäß pba_360.012
bestimmter Thätigkeit, nicht denkbar ist, so beruht sie ihrem Wesen nach pba_360.013
doch darauf, daß die Empfindungs- und Gesinnungsweise ebenso, also pba_360.014
auch das Begehrungs- und Willensvermögen, mit solcher Verstandes- pba_360.015
und Vernunftthätigkeit sich in völligem Einklange befinden, so daß also pba_360.016
diese in jene völlig übergegangen, in allen Äußerungen jener fortwährend pba_360.017
gegenwärtig ist. So kann es geschehen, daß, obwohl in Wahrheit pba_360.018
die Willensentscheidungen nicht ohne Überlegung und bewußte Wahl pba_360.019
nach Vernunftgründen vor sich gehen, sie dennoch als unmittelbare pba_360.020
Wirkungen der Empfindungskräfte, als unbewußt und notwendig erfolgende pba_360.021
Manifestationen der ethischen Gesamthaltung erscheinen: die pba_360.022
Folge davon aber ist, daß sie demgemäß auch unmittelbar, pba_360.023
ohne das Dazwischentreten der logischen Reflexion, in ihrer pba_360.024
vollen Eigenart durch das Empfindungsvermögen aufgenommen, pba_360.025
durch das Empfindungsurteil richtig geschätzt pba_360.026
werden können, daß sie rein ästhetisch wahrnehmbar und pba_360.027
wirksam sind.
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Dazu aber ist notwendig, daß die handelnden Personen nicht pba_360.029
allein nach ihrer Empfindungs- und Gesinnungsweise und pba_360.030
ihrem Begehrungsvermögen (πάθος, ἦθος, ὄρεξις) so beschaffen pba_360.031
sind, wie die Tugend der Phronesis es voraussetzt, sondern daß diese pba_360.032
Beschaffenheit in bestimmten Willensentscheidungen zu Tage pba_360.033
tritt, und zwar innerhalb so gearteter Umstände, d. h. also pba_360.034
in einer derartig eingerichteten äußeren Handlung, daß die-
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cf. Aristoteles: Nikomach. Ethik. Buch VI, c. 5 1140 b 20: ὥστ' ἀνάγκη pba_360.036
τὴν φρόνησιν ἕξιν εἶναι μετὰ λόγου ἀληθῆ περὶ τὰ ἀνθρώπινα ἀγαθὰ πρακτικήν. pba_360.037
Vgl. außer c. 5 auch namentlich die c. 6 und 7 des VI. Buches.
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A. a. O. 1140 b 29: ἀλλὰ μὴν οὐδ' ἕξις μετὰ λόγου μόνον· σημεῖον δ'ὅτι pba_360.039
λήθη τῆς μὲν τοιαῦτης ἕξεώς ἐστι, φρονήσεως δ'οὐκ ἔστιν.
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