pba_021.001 bestehen, in jenem oben definierten eigentlichen, innern Sinne, mag dieselbe pba_021.002 nun in einem einzigen, momentanen Veränderungsvorgange erscheinen pba_021.003 oder in einer beliebig ausgedehnten Folge von Veränderungen pba_021.004 sich vollziehen. Aber mit dem Handlungsmoment, wenn es auch vielleicht pba_021.005 der bedeutendste und sicherlich fruchtbarste Vorgang auf dem gesamten pba_021.006 Gebiet des Geistes- und Seelenlebens ist, wird doch der Jnhalt pba_021.007 desselben keineswegs erschöpft. Und mag man den Begriff der Handlung, pba_021.008 mit Berufung auf Lessings Definition als Gegenstand, dessen Teile pba_021.009 aufeinander folgen, auch noch so widernatürlich ausdehnen, so wird es pba_021.010 doch -- ganz abgesehen davon, daß damit der bildenden Kunst der pba_021.011 nährende Boden verkümmert, ja im Grunde völlig entzogen ist -- pba_021.012 nimmermehr gelingen, alle die zahllosen Voraussetzungen darin einzuschließen, pba_021.013 aus denen der Entschluß (proairesis) zur Handlung (praxis) pba_021.014 hervorgeht, durch die er bedingt wird und auf denen, als fest bestehenden pba_021.015 Grundpfeilern, er ruht! Alle diese sind die vollberechtigten Gegenstände pba_021.016 der künstlerischen Nachahmung für alle ihre verschiedenartigsten pba_021.017 Gebiete, denen sie mit den mannigfaltigsten Mitteln auf immer wieder pba_021.018 anders geartete Weisen lebendig wirkende Form zu geben sucht; also pba_021.019 das ganze, unendliche Gebiet der Empfindungen, Stimmungen, pba_021.020 Leidenschaften, Seelenzustände und Charakterbeschaffenheiten,pba_021.021 nicht minder die gesamte, ebenso grenzenlose Gedankenwelt, pba_021.022 sofern sie nämlich mit jener Gemüts- und Empfindungswelt pba_021.023 in unmittelbare Wechselwirkung tritt. Denn da die pba_021.024 Mittel der Nachahmung durch die Kunst vermöge der Natur ihrer Werkzeuge pba_021.025 sich nur an die sinnliche Wahrnehmung -- aisthesis -- pba_021.026 wenden können, so kann sie ihre Gegenstände auch nur auf dem Gebiete pba_021.027 wählen, welches mit den Kräften der sinnlichen Wahrnehmung pba_021.028 in unmittelbarem Zusammenhange steht, das ist das Gebiet der pba_021.029 Empfindungen und Gemütszustände; ja auch die Handlungen fallen pba_021.030 im strengsten Sinne eben auch nur insoweit in das Gebiet der Kunst, pba_021.031 als sie vermöge der Voraussetzungen, auf denen sie beruhen, Gegenstand pba_021.032 Empfindung erregender Wahrnehmungen -- aistheseis -- werden können pba_021.033 oder vielmehr müssen!
pba_021.034 Es wären also drei große Hauptgruppen, nach welchen die Gegenstände pba_021.035 der künstlerischen Nachahmung zu klassifizieren sind, und außer pba_021.036 diesen gäbe es keine weiteren. Zuerst die einfachen Empfindungen,pba_021.037 die der Grieche unter dem Gattungsbegriff pathos begreift; sodann alles, pba_021.038 was wir als Gemütszustände oder -Stimmungen, und Seelen-pba_021.039 oder Charakterbeschaffenheit bezeichnen, samt allen dazwischen liegenden pba_021.040 Abstufungen und Uebergängen, wofür wir einen zusammenfassenden
pba_021.001 bestehen, in jenem oben definierten eigentlichen, innern Sinne, mag dieselbe pba_021.002 nun in einem einzigen, momentanen Veränderungsvorgange erscheinen pba_021.003 oder in einer beliebig ausgedehnten Folge von Veränderungen pba_021.004 sich vollziehen. Aber mit dem Handlungsmoment, wenn es auch vielleicht pba_021.005 der bedeutendste und sicherlich fruchtbarste Vorgang auf dem gesamten pba_021.006 Gebiet des Geistes- und Seelenlebens ist, wird doch der Jnhalt pba_021.007 desselben keineswegs erschöpft. Und mag man den Begriff der Handlung, pba_021.008 mit Berufung auf Lessings Definition als Gegenstand, dessen Teile pba_021.009 aufeinander folgen, auch noch so widernatürlich ausdehnen, so wird es pba_021.010 doch — ganz abgesehen davon, daß damit der bildenden Kunst der pba_021.011 nährende Boden verkümmert, ja im Grunde völlig entzogen ist — pba_021.012 nimmermehr gelingen, alle die zahllosen Voraussetzungen darin einzuschließen, pba_021.013 aus denen der Entschluß (προαίρεσις) zur Handlung (πρᾶξις) pba_021.014 hervorgeht, durch die er bedingt wird und auf denen, als fest bestehenden pba_021.015 Grundpfeilern, er ruht! Alle diese sind die vollberechtigten Gegenstände pba_021.016 der künstlerischen Nachahmung für alle ihre verschiedenartigsten pba_021.017 Gebiete, denen sie mit den mannigfaltigsten Mitteln auf immer wieder pba_021.018 anders geartete Weisen lebendig wirkende Form zu geben sucht; also pba_021.019 das ganze, unendliche Gebiet der Empfindungen, Stimmungen, pba_021.020 Leidenschaften, Seelenzustände und Charakterbeschaffenheiten,pba_021.021 nicht minder die gesamte, ebenso grenzenlose Gedankenwelt, pba_021.022 sofern sie nämlich mit jener Gemüts- und Empfindungswelt pba_021.023 in unmittelbare Wechselwirkung tritt. Denn da die pba_021.024 Mittel der Nachahmung durch die Kunst vermöge der Natur ihrer Werkzeuge pba_021.025 sich nur an die sinnliche Wahrnehmung — αἴσθησις — pba_021.026 wenden können, so kann sie ihre Gegenstände auch nur auf dem Gebiete pba_021.027 wählen, welches mit den Kräften der sinnlichen Wahrnehmung pba_021.028 in unmittelbarem Zusammenhange steht, das ist das Gebiet der pba_021.029 Empfindungen und Gemütszustände; ja auch die Handlungen fallen pba_021.030 im strengsten Sinne eben auch nur insoweit in das Gebiet der Kunst, pba_021.031 als sie vermöge der Voraussetzungen, auf denen sie beruhen, Gegenstand pba_021.032 Empfindung erregender Wahrnehmungen — αἰσθήσεις — werden können pba_021.033 oder vielmehr müssen!
pba_021.034 Es wären also drei große Hauptgruppen, nach welchen die Gegenstände pba_021.035 der künstlerischen Nachahmung zu klassifizieren sind, und außer pba_021.036 diesen gäbe es keine weiteren. Zuerst die einfachen Empfindungen,pba_021.037 die der Grieche unter dem Gattungsbegriff πάθος begreift; sodann alles, pba_021.038 was wir als Gemütszustände oder -Stimmungen, und Seelen-pba_021.039 oder Charakterbeschaffenheit bezeichnen, samt allen dazwischen liegenden pba_021.040 Abstufungen und Uebergängen, wofür wir einen zusammenfassenden
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bestehen, in jenem oben definierten eigentlichen, innern Sinne, mag dieselbe pba_021.002
nun in einem einzigen, momentanen Veränderungsvorgange erscheinen pba_021.003
oder in einer beliebig ausgedehnten Folge von Veränderungen pba_021.004
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Gebiet des Geistes- und Seelenlebens ist, wird doch der Jnhalt pba_021.007
desselben keineswegs erschöpft. Und mag man den Begriff der Handlung, pba_021.008
mit Berufung auf Lessings Definition als Gegenstand, dessen Teile pba_021.009
aufeinander folgen, auch noch so widernatürlich ausdehnen, so wird es pba_021.010
doch — ganz abgesehen davon, daß damit der bildenden Kunst der pba_021.011
nährende Boden verkümmert, ja im Grunde völlig entzogen ist — pba_021.012
nimmermehr gelingen, alle die zahllosen Voraussetzungen darin einzuschließen, pba_021.013
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Empfindungen und Gemütszustände; ja auch die Handlungen fallen pba_021.030
im strengsten Sinne eben auch nur insoweit in das Gebiet der Kunst, pba_021.031
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Es wären also drei große Hauptgruppen, nach welchen die Gegenstände pba_021.035
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was wir als Gemütszustände oder -Stimmungen, und Seelen- pba_021.039
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Abstufungen und Uebergängen, wofür wir einen zusammenfassenden
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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