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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Gattungsbegriff nicht ausgeprägt haben, was aber insgesamt unter dem pba_022.002
griechischen Ausdruck ethos -- Ethos -- verstanden wird; endlich die pba_022.003
Handlungen im inneren Sinne -- praxeis --.

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Alle drei: Empfindung, Seelenzustand, innere Handlung -- pathos, pba_022.005
ethos, praxis -- sind direkt überhaupt gar nicht darstellbar.1 Jm pba_022.006
Grunde kann ihre Nachahmung überall nur andeutungsweise erfolgen; pba_022.007
in der Malerei vermittelst der Linien und Farben, durch pba_022.008
Körper, in der Poesie vermittelst der Succession von Worten, durch pba_022.009
das, was man mit Lessing im allerweitesten Sinne (äußere) Handlung pba_022.010
nennen mag, wenn man darunter auch jeden kleinsten, aus der Kombination pba_022.011
von Sinneseindruck und damit sich verknüpfendem Empfindungsmoment pba_022.012
zusammengesetzten Vorgang verstehen will.

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Absolut betrachtet stehen also die beiden Künste den sämtlichen pba_022.014
drei Gegenständen der Nachahmung ganz gleich gegenüber.

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Relativ aber ergibt sich aus der Verschiedenheit ihrer Mittel, pba_022.016
daß die Poesie ganz direkt Handlung (praxis) nachahmen kann, Empfindung pba_022.017
und Seelenzustand (pathos und ethos) indirekt durch pba_022.018
Handlungen;2 und umgekehrt die Malerei ganz direkt Empfindung pba_022.019
und Seelenzustand (pathos und ethos) (nicht Körper!), indirekt pba_022.020
durch jene auch Handlung (praxis).

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Die Bedingungen, unter denen solche indirekte Nachahmung in pba_022.022
beiden Künsten möglich wird, lassen sich darnach auf das einfachste bestimmen. pba_022.023
Handlungen sind für den bildenden Künstler darstellbar, pba_022.024
sobald die den Entschluß bedingenden Empfindungen und Seelenzustände pba_022.025
in den Zeichen der Körperformen und -Farben sichtbar sich direkt zu pba_022.026
erkennen geben, oder sofern es ihm gelingt sie durch die Aehnlichkeit pba_022.027
körperlicher Zeichen indirekt erkennbar zu machen.

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Ebenso sind der Nachahmung durch die Poesie alle pathe und ethe, pba_022.029
alle Empfindungen und Seelenzustände zugänglich, sobald sie erstlich pba_022.030
in der Bewegung der Körper oder Dinge, oder in successiven Vorgängen pba_022.031
oder Handlungen unmittelbar sich kundgeben; sodann aber auch

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Auch durch die Sprache nicht; wie Schiller es ausdrückt: pba_022.033
Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen? pba_022.034
Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr.
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Schief aber erscheint Lessings Satz, daß die Poesie durch Handlungen andeutend pba_022.036
Körper
nachahmt. Das wäre eine Andeutung der Andeutung! Sondern: wie die pba_022.037
Malerei durch Figuren und Farben die Körper vor das äußere Auge, so bringt die pba_022.038
Poesie, durch Worte ihre Vorstellung erweckend, sie vor das innere Auge; beide verfolgen pba_022.039
dabei den gleichen Zweck (telos): vermittelst dieser Körper ihren eigentlichen Gegenstand pba_022.040
nachahmend darzustellen, gleichviel welcher von den dreien es gerade ist.

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Gattungsbegriff nicht ausgeprägt haben, was aber insgesamt unter dem pba_022.002
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Handlungen im inneren Sinne — πράξεις —.

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Alle drei: Empfindung, Seelenzustand, innere Handlung — πάθος, pba_022.005
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Grunde kann ihre Nachahmung überall nur andeutungsweise erfolgen; pba_022.007
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Absolut betrachtet stehen also die beiden Künste den sämtlichen pba_022.014
drei Gegenständen der Nachahmung ganz gleich gegenüber.

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Relativ aber ergibt sich aus der Verschiedenheit ihrer Mittel, pba_022.016
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Die Bedingungen, unter denen solche indirekte Nachahmung in pba_022.022
beiden Künsten möglich wird, lassen sich darnach auf das einfachste bestimmen. pba_022.023
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körperlicher Zeichen indirekt erkennbar zu machen.

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Ebenso sind der Nachahmung durch die Poesie alle πάθη und ἤθη, pba_022.029
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Auch durch die Sprache nicht; wie Schiller es ausdrückt: pba_022.033
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Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr.
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/40>, abgerufen am 23.11.2024.