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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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schweren Ernst des Schicksals auch nicht so weit aus den Augen, daß pba_394.002
es die Verkehrtheit im Handeln als solche zum Gegenstande der Lustempfindung pba_394.003
macht. Jndem es also weder das Eine noch das Andere pba_394.004
rein und um seiner selbst willen darstellt, erreicht es seine Vollendung, pba_394.005
wenn es beide Elemente zugleich in lebendiger Wechselwirkung pba_394.006
sich gegenseitig durchdringend vorführt, wobei sie, einander pba_394.007
wechselsweise herabmindernd und ausgleichend, ein Neues, Drittes pba_394.008
hervorgehen lassen: die unmittelbare Erscheinung gesunden klaren pba_394.009
Empfindens und maßvoll richtiger Gemütshaltung, echter Phronesis, pba_394.010
daraus bestimmten rechten Handelns und glücklichen Gelingens. Diese pba_394.011
und ihr durch die Handlung bestimmtes Widerspiel ergeben als die pba_394.012
ästhetische Wirkung, auf welche das Schauspiel abzielt, die pba_394.013
Empfindungen der unmittelbaren Freude an der Darstellung pba_394.014
der Phronesis und des aus derselben bestimmten Handelns
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und des gerechten Unwillens -- der Nemesis -- über ihre pba_394.016
Verletzungen,
so zwar, daß beide Empfindungen wechselsweise pba_394.017
zu ihrer gegenseitigen, völligen Klärung zusammenwirken.

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Jndem die Erregung dieser beiden Empfindungen und ihrer Katharsis pba_394.020
zum Zielpunkte für die Einrichtung und Durchführung der Handlung pba_394.021
genommen wird, ergeben sich daraus die Gesetze für die Technik dieser pba_394.022
dramatischen Gattung.

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Obenan stehen die negativen Bestimmungen, daß sowohl die Ausartung pba_394.024
in die Tragik als die in die Komik strengstens zu vermeiden pba_394.025
sind, weil beide durch die Entschiedenheit der durch sie erregten Affekte pba_394.026
die specifisch dieser Gattung entsprechenden Empfindungen verdrängen pba_394.027
würden. Schon das Vorwiegen starker Rührung ebenso wie das pba_394.028
Eindringen des Lächerlichen in den Körper der Haupthandlung pba_394.029
würde dem Zwecke (telos) des "Schauspiels" starken Eintrag thun, pba_394.030
während in den untergeordneten Nebenhandlungen beide ihre Stelle haben pba_394.031
und ihre wohlberechtigte Wirkung thun können.

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Für die Einrichtung der Handlung gilt als Hauptvorschrift, pba_394.033
daß eine ernste Schicksalsentscheidung ihren Kern zu bilden pba_394.034
habe, für deren Beschaffenheit aber, umgekehrt wie in der Tragödie, pba_394.035
nicht der Faktor der über den Menschen stehenden, allgewaltigen Fügung pba_394.036
maßgebend ist, sondern die, der Anlage und dem Verlaufe nach, pba_394.037
vielmehr als durchaus in den Bereich ihres Thuns und pba_394.038
Lassens, Erkennens und Verfehlens, ihrer Trefflichkeit pba_394.039
oder, sei es sittlichen, sei es intellektuellen, Verkehrtheit
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gestellt erscheint. Hier zeigen sich also, in der Handlung sich nach allen

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schweren Ernst des Schicksals auch nicht so weit aus den Augen, daß pba_394.002
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der Phronesis und des aus derselben bestimmten Handelns
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und des gerechten Unwillens — der Nemesisüber ihre pba_394.016
Verletzungen,
so zwar, daß beide Empfindungen wechselsweise pba_394.017
zu ihrer gegenseitigen, völligen Klärung zusammenwirken.

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Jndem die Erregung dieser beiden Empfindungen und ihrer Katharsis pba_394.020
zum Zielpunkte für die Einrichtung und Durchführung der Handlung pba_394.021
genommen wird, ergeben sich daraus die Gesetze für die Technik dieser pba_394.022
dramatischen Gattung.

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Obenan stehen die negativen Bestimmungen, daß sowohl die Ausartung pba_394.024
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Für die Einrichtung der Handlung gilt als Hauptvorschrift, pba_394.033
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/412>, abgerufen am 25.11.2024.