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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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bethätigen: d. h. eine durch die Empfindungsenergie geleitete pba_432.002
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auszuüben.
Daß bei dem Kunstschönen im Grunde pba_432.004
genau dasselbe Verhältnis obwaltet, wird nur um des Umstandes willen pba_432.005
schwerer erkannt, daß durch den Schöpfer desselben dieser Wahrnehmungsthätigkeit pba_432.006
des Empfangenden schon vorgearbeitet, das Material pba_432.007
ihr bereit gestellt, und so dieselbe sehr erleichtert ist. Erleichtert -- aber pba_432.008
keineswegs entbehrlich gemacht! Jmmer wird, damit das Schönheitsphänomen pba_432.009
sich bildet und als die mächtige Kraft, die ihm eigen ist, pba_432.010
unter den übrigen Weltkräften sich wirksam erweise, erst die ureigene pba_432.011
Thätigkeit des empfangenden Subjektes erforderlich sein; nur so kann pba_432.012
die potentielle Energie des Kunstwerks zu der faktischen, aktuell pba_432.013
vorhandenen der Schönheit werden: ganz ähnlich wie die magnetische pba_432.014
Kraft einem Körper doch nur potentiell innewohnt und als solche erst pba_432.015
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ihm in Kontakt tritt.

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Der Unterschied in der Wirkung des koexistent und des successiv pba_432.018
vorgetragenen
Kunstwerkes beruht also nur darin, daß bei pba_432.019
jenem die die Katharsis der erregten Empfindungen vollendenden Faktoren pba_432.020
nebeneinander stehen, also scheinbar -- nicht wirklich! -- gleichzeitig pba_432.021
wirksam sind, während sie bei diesem aufeinander folgen, und es hier pba_432.022
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sind und vereinigt, in absoluter Vollständigkeit ihre Kraft ausüben, pba_432.024
d. i. mit dem Abschluß des poetischen Werkes. Es bedarf keines weiteren pba_432.025
Beweises, daß genau dasselbe aber auch bei den Werken der bildenden pba_432.026
Kunst obwaltet: auch diese äußern ihre volle, d. i. ihre kathartische pba_432.027
Wirkung erst, wenn die empfangende Empfindungsenergie die Gesamtheit pba_432.028
der darin potentiell vorhandenen Kräfte abschließend zur einheitlichen pba_432.029
Wirkung verbunden hat, was im einzelnen Falle nicht allein eine längere pba_432.030
Zeit der Betrachtung verlangt, sondern wozu mitunter Menschenalter, pba_432.031
ja selbst Jahrhunderte gehören, bis für die in dem Kunstwerke schlummernde pba_432.032
volle Wirkungskraft die zureichende Empfindungsenergie sich entwickelt. pba_432.033
Oder, wie der Sprachgebrauch es ausdrückt: bis das Verständnis pba_432.034
dafür erwacht oder durch den Genius geweckt wird. Es genügt, an die pba_432.035
beiden größten Beispiele zu erinnern: an die romanische Renaissance des pba_432.036
16. Jahrhunderts und an die Neubelebung der griechischen Kunst durch pba_432.037
Winckelmann.

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Es scheint erforderlich, alle diese Erwägungen sich gegenwärtig zu pba_432.039
halten, wenn man nun daran geht, über den vielumstrittenen Begriff pba_432.040
der Katharsis sich Klarheit zu verschaffen.

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Kraft einem Körper doch nur potentiell innewohnt und als solche erst pba_432.015
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Der Unterschied in der Wirkung des koexistent und des successiv pba_432.018
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Kunst obwaltet: auch diese äußern ihre volle, d. i. ihre kathartische pba_432.027
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der darin potentiell vorhandenen Kräfte abschließend zur einheitlichen pba_432.029
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Zeit der Betrachtung verlangt, sondern wozu mitunter Menschenalter, pba_432.031
ja selbst Jahrhunderte gehören, bis für die in dem Kunstwerke schlummernde pba_432.032
volle Wirkungskraft die zureichende Empfindungsenergie sich entwickelt. pba_432.033
Oder, wie der Sprachgebrauch es ausdrückt: bis das Verständnis pba_432.034
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beiden größten Beispiele zu erinnern: an die romanische Renaissance des pba_432.036
16. Jahrhunderts und an die Neubelebung der griechischen Kunst durch pba_432.037
Winckelmann.

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/450>, abgerufen am 22.11.2024.