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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Wie gesagt, die Stelle der "Politik" war von Goethe wie von pba_434.002
Lessing gekannt; aber sie fanden darin nichts, was geeignet war, eine pba_434.003
der Gattung nach neue Bedeutung des Begriffs der Katharsis zu pba_434.004
eröffnen, nur, wie billig, eine der Art nach unterschiedene. Erst Jakob pba_434.005
Bernays machte diese Entdeckung, die man ihm zu so großem Verdienste pba_434.006
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eine schwer heilbare Weise zu verwirren.

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Aristoteles braucht den Ausdruck Katharsis in seinen naturwissenschaftlichen pba_434.009
Schriften sehr oft und zwar durchweg in einem unserm pba_434.010
deutschen Worte "Reinigung" auf das genaueste entsprechenden Sinne. pba_434.011
Das Objekt derselben sind durchweg die Wesen, an denen die Reinigung pba_434.012
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der Ausscheidung des Überflüssigen und daher dem Organismus pba_434.014
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engsten medizinischen Sinne als durch Arzneimittel bewirkte Abführung. pba_434.020
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(683a 28) einfach das mechanische Wegputzen fremder Körper vom Auge, pba_434.025
wie man es bei manchen Jnsekten beobachtet. Übertragen wird dasselbe pba_434.026
Wort sodann für die Ausscheidung der Schlacke beim Härten des pba_434.027
Eisens (383a 34 und b 4) gebraucht. Weitaus am häufigsten bezeichnet pba_434.028
es, wie schon oben bemerkt, den mit dem Ausdruck katamenia charakterisierten pba_434.029
physiologischen Vorgang im weiblichen Körper.

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Von entscheidender Wichtigkeit für die philologische Jnterpretation pba_434.031
der Katharsisstelle ist die Frage, wie das Genitiv-Verhältnis in der pba_434.032
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Hier scheint es nun für die Bernayssche Theorie zu sprechen, daß bei pba_434.034
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e katharsis ginetai mit dem Dativ der Person (tois zoois, tais

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in einer Abhandlung der "Jahrbücher für klass. Phil.", 1875, Heft 2: "Der pba_434.038
Begriff der tragischen Katharsis
"; sodann in der 1877 bei Teubner erschienenen pba_434.039
Schrift: "Aristoteles, Lessing und Goethe".

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Wie gesagt, die Stelle der „Politik“ war von Goethe wie von pba_434.002
Lessing gekannt; aber sie fanden darin nichts, was geeignet war, eine pba_434.003
der Gattung nach neue Bedeutung des Begriffs der Katharsis zu pba_434.004
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Bernays machte diese Entdeckung, die man ihm zu so großem Verdienste pba_434.006
gerechnet hat, und durch die er nur erreicht hat, die ganze Frage auf pba_434.007
eine schwer heilbare Weise zu verwirren.

pba_434.008
Aristoteles braucht den Ausdruck Katharsis in seinen naturwissenschaftlichen pba_434.009
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deutschen Worte „Reinigung“ auf das genaueste entsprechenden Sinne. pba_434.011
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vor sich geht (ζῶα überhaupt, oder τὸ θῆλυ, γυναῖκες); sie besteht in pba_434.013
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wie man es bei manchen Jnsekten beobachtet. Übertragen wird dasselbe pba_434.026
Wort sodann für die Ausscheidung der Schlacke beim Härten des pba_434.027
Eisens (383a 34 und b 4) gebraucht. Weitaus am häufigsten bezeichnet pba_434.028
es, wie schon oben bemerkt, den mit dem Ausdruck καταμήνια charakterisierten pba_434.029
physiologischen Vorgang im weiblichen Körper.

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Von entscheidender Wichtigkeit für die philologische Jnterpretation pba_434.031
der Katharsisstelle ist die Frage, wie das Genitiv-Verhältnis in der pba_434.032
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in einer Abhandlung der „Jahrbücher für klass. Phil.“, 1875, Heft 2: „Der pba_434.038
Begriff der tragischen Katharsis
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[434/0452] pba_434.001 Wie gesagt, die Stelle der „Politik“ war von Goethe wie von pba_434.002 Lessing gekannt; aber sie fanden darin nichts, was geeignet war, eine pba_434.003 der Gattung nach neue Bedeutung des Begriffs der Katharsis zu pba_434.004 eröffnen, nur, wie billig, eine der Art nach unterschiedene. Erst Jakob pba_434.005 Bernays machte diese Entdeckung, die man ihm zu so großem Verdienste pba_434.006 gerechnet hat, und durch die er nur erreicht hat, die ganze Frage auf pba_434.007 eine schwer heilbare Weise zu verwirren. pba_434.008 Aristoteles braucht den Ausdruck Katharsis in seinen naturwissenschaftlichen pba_434.009 Schriften sehr oft und zwar durchweg in einem unserm pba_434.010 deutschen Worte „Reinigung“ auf das genaueste entsprechenden Sinne. pba_434.011 Das Objekt derselben sind durchweg die Wesen, an denen die Reinigung pba_434.012 vor sich geht (ζῶα überhaupt, oder τὸ θῆλυ, γυναῖκες); sie besteht in pba_434.013 der Ausscheidung des Überflüssigen und daher dem Organismus pba_434.014 Schädlichen; es kann demgemäß ein Genitiv zur Bezeichnung des auszuscheidenden pba_434.015 Stoffes hinzutreten (z. B. τῶν περιττωμάτων) oder auch pba_434.016 ein identischer Genitiv, der synonym mit dem Begriff der Katharsis selbst pba_434.017 den dieselbe darstellenden Vorgang anzeigt (z. B. τῶν καταμηνίων). pba_434.018 Jn den „Problemen“ (I, 42, p. 864a 23 ff.) definiert er die Katharsis im pba_434.019 engsten medizinischen Sinne als durch Arzneimittel bewirkte Abführung. pba_434.020 An zwei andern Stellen bedeutet καθαίρειν in der Komposition mit ἀπό pba_434.021 aber auch die einfache mechanische Entfernung eines von außen hindernd pba_434.022 anhaftenden Gegenstandes, so Probl. 31, 9 (p. 958b 5) die Lösung das pba_434.023 Auge trübender Stoffe durch im Auge sich bildende Feuchtigkeit oder pba_434.024 (683a 28) einfach das mechanische Wegputzen fremder Körper vom Auge, pba_434.025 wie man es bei manchen Jnsekten beobachtet. Übertragen wird dasselbe pba_434.026 Wort sodann für die Ausscheidung der Schlacke beim Härten des pba_434.027 Eisens (383a 34 und b 4) gebraucht. Weitaus am häufigsten bezeichnet pba_434.028 es, wie schon oben bemerkt, den mit dem Ausdruck καταμήνια charakterisierten pba_434.029 physiologischen Vorgang im weiblichen Körper. pba_434.030 Von entscheidender Wichtigkeit für die philologische Jnterpretation pba_434.031 der Katharsisstelle ist die Frage, wie das Genitiv-Verhältnis in der pba_434.032 Verbindung τὴν τῶν τοιούτων παθημάτων κάθαρσιν aufzufassen sei. pba_434.033 Hier scheint es nun für die Bernayssche Theorie zu sprechen, daß bei pba_434.034 Aristoteles nirgends sonst der Genitiv der Person oder Sache, an pba_434.035 welcher die „Katharsis“ sich vollzieht, zu finden ist; er sagt statt dessen: pba_434.036 ἡ κάθαρσις γίνεται mit dem Dativ der Person (τοῖς ζῴοις, ταῖς 2 2 pba_434.037 in einer Abhandlung der „Jahrbücher für klass. Phil.“, 1875, Heft 2: „Der pba_434.038 Begriff der tragischen Katharsis“; sodann in der 1877 bei Teubner erschienenen pba_434.039 Schrift: „Aristoteles, Lessing und Goethe“.

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/452>, abgerufen am 22.11.2024.