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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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gunaixin, tois thelesin, tais kuousais) oder auch einfach ohne denselben. pba_435.002
Jndessen ergibt eine genauere Betrachtung sofort, mit welcher pba_435.003
Vorsicht derartige Beobachtungen aufgenommen werden müssen, damit pba_435.004
sie nicht zu einem rein mechanischen Verfahren den Anlaß geben und in pba_435.005
die Jrre leiten. Alle Stellen, die hier in Betracht kommen, gehören der pba_435.006
zuletzt erwähnten Sphäre an: hier ist nun der aristotelische Sprachgebrauch pba_435.007
unserem deutschen Gebrauch des Terminus "Reinigung" vollkommen pba_435.008
analog. Es widerstrebt der strengeren Logik in jeder Sprache, pba_435.009
einen physiologisch sich von selbst vollziehenden Vorgang durch eine Wortverbindung pba_435.010
zu bezeichnen, die ein aktives, von außen bewirktes Herbeiführen pba_435.011
desselben ausdrücken würde. Nicht einmal für die durch "Pharmaka" pba_435.012
erzielte Katharsis im Sinne der Purgation würde Aristoteles sich dieses pba_435.013
objektiven Genitivs der Person bedienen -- es findet sich in seinen pba_435.014
Schriften nicht Gelegenheit, dies zu konstatieren --, ebensowenig als die pba_435.015
deutsche Sprache einen solchen Gebrauch gestatten würde. Dafür setzt pba_435.016
sie, ganz wie die lateinische, den Genitiv desjenigen Teiles des pba_435.017
Körpers, an welchem die Reinigung vollzogen wird,
in diesem pba_435.018
Falle also alvi, des Leibes. Es ist in der angegebenen Richtung bezeichnend, pba_435.019
daß Tieren gegenüber der Sprachgebrauch etwas weiter geht; pba_435.020
so findet sich bei Aristoteles der Ausdruck: e bous ... kathairetai katharsin pba_435.021
brakheian (573a 6). Jn allen Fällen aber bedeutet "Katharsis" pba_435.022
den Vorgang der Entfernung eines Unzugehörigen, Überflüssigen, sei pba_435.023
es nun mechanische Abwaschung oder äußerliches Wegwischen der Unreinigkeit, pba_435.024
sei es Läuterung von Schlacken, sei es Ausscheidung des pba_435.025
perittoma, des zur Ernährung nicht verbrauchten aufgenommenen pba_435.026
Stoffes, oder "Ausstoßung" überflüssig produzierter Säfte. Wo pba_435.027
der hinzutretende Genitiv nun nicht ein identischer ist, der den Vorgang pba_435.028
selbst bezeichnet, wie katamenion, gibt er den ausgestoßenen Stoff an, pba_435.029
das perittoma, was auch von Aristoteles katharmos genannt wird oder pba_435.030
apokatharma: die Ausscheidung.

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Es liegt also auf der Hand, daß in solcher Verbindung zu dem pba_435.032
Begriff "Katharsis" einzig und allein der Genitiv von Stoffnamen pba_435.033
hinzutreten kann,
entweder Bezeichnungen eines gleichartigen, pba_435.034
beliebig teilbaren Stoffes, von dem ein Zuviel (uperbole) zu beseitigen pba_435.035
ist, um den normalen Zustand herzustellen, oder Bezeichnungen eines pba_435.036
Stoffes, der, einem andern verwandten beigesellt, als eine Unreinigkeit pba_435.037
von demselben abgesondert wird.

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Sowohl nach der Logik der Sprache, als vollends nach dem pba_435.039
psychologisch-ethischen System des Aristoteles ist es also ganz unmöglich, pba_435.040
den Genitiv pathematon als einen solchen Genitiv des ausge-

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γυναιξίν, τοῖς θήλεσιν, ταῖς κυούσαις) oder auch einfach ohne denselben. pba_435.002
Jndessen ergibt eine genauere Betrachtung sofort, mit welcher pba_435.003
Vorsicht derartige Beobachtungen aufgenommen werden müssen, damit pba_435.004
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zuletzt erwähnten Sphäre an: hier ist nun der aristotelische Sprachgebrauch pba_435.007
unserem deutschen Gebrauch des Terminus „Reinigung“ vollkommen pba_435.008
analog. Es widerstrebt der strengeren Logik in jeder Sprache, pba_435.009
einen physiologisch sich von selbst vollziehenden Vorgang durch eine Wortverbindung pba_435.010
zu bezeichnen, die ein aktives, von außen bewirktes Herbeiführen pba_435.011
desselben ausdrücken würde. Nicht einmal für die durch „Pharmaka“ pba_435.012
erzielte Katharsis im Sinne der Purgation würde Aristoteles sich dieses pba_435.013
objektiven Genitivs der Person bedienen — es findet sich in seinen pba_435.014
Schriften nicht Gelegenheit, dies zu konstatieren —, ebensowenig als die pba_435.015
deutsche Sprache einen solchen Gebrauch gestatten würde. Dafür setzt pba_435.016
sie, ganz wie die lateinische, den Genitiv desjenigen Teiles des pba_435.017
Körpers, an welchem die Reinigung vollzogen wird,
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Falle also alvi, des Leibes. Es ist in der angegebenen Richtung bezeichnend, pba_435.019
daß Tieren gegenüber der Sprachgebrauch etwas weiter geht; pba_435.020
so findet sich bei Aristoteles der Ausdruck: ἡ βοῦς ... καθαίρεται κάθαρσιν pba_435.021
βραχεῖαν (573a 6). Jn allen Fällen aber bedeutet „Katharsis“ pba_435.022
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selbst bezeichnet, wie καταμηνίων, gibt er den ausgestoßenen Stoff an, pba_435.029
das περίττωμα, was auch von Aristoteles καθαρμός genannt wird oder pba_435.030
ἀποκάθαρμα: die Ausscheidung.

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Es liegt also auf der Hand, daß in solcher Verbindung zu dem pba_435.032
Begriff „Katharsis“ einzig und allein der Genitiv von Stoffnamen pba_435.033
hinzutreten kann,
entweder Bezeichnungen eines gleichartigen, pba_435.034
beliebig teilbaren Stoffes, von dem ein Zuviel (ὑπερβολή) zu beseitigen pba_435.035
ist, um den normalen Zustand herzustellen, oder Bezeichnungen eines pba_435.036
Stoffes, der, einem andern verwandten beigesellt, als eine Unreinigkeit pba_435.037
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Sowohl nach der Logik der Sprache, als vollends nach dem pba_435.039
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[435/0453] pba_435.001 γυναιξίν, τοῖς θήλεσιν, ταῖς κυούσαις) oder auch einfach ohne denselben. pba_435.002 Jndessen ergibt eine genauere Betrachtung sofort, mit welcher pba_435.003 Vorsicht derartige Beobachtungen aufgenommen werden müssen, damit pba_435.004 sie nicht zu einem rein mechanischen Verfahren den Anlaß geben und in pba_435.005 die Jrre leiten. Alle Stellen, die hier in Betracht kommen, gehören der pba_435.006 zuletzt erwähnten Sphäre an: hier ist nun der aristotelische Sprachgebrauch pba_435.007 unserem deutschen Gebrauch des Terminus „Reinigung“ vollkommen pba_435.008 analog. Es widerstrebt der strengeren Logik in jeder Sprache, pba_435.009 einen physiologisch sich von selbst vollziehenden Vorgang durch eine Wortverbindung pba_435.010 zu bezeichnen, die ein aktives, von außen bewirktes Herbeiführen pba_435.011 desselben ausdrücken würde. Nicht einmal für die durch „Pharmaka“ pba_435.012 erzielte Katharsis im Sinne der Purgation würde Aristoteles sich dieses pba_435.013 objektiven Genitivs der Person bedienen — es findet sich in seinen pba_435.014 Schriften nicht Gelegenheit, dies zu konstatieren —, ebensowenig als die pba_435.015 deutsche Sprache einen solchen Gebrauch gestatten würde. Dafür setzt pba_435.016 sie, ganz wie die lateinische, den Genitiv desjenigen Teiles des pba_435.017 Körpers, an welchem die Reinigung vollzogen wird, in diesem pba_435.018 Falle also alvi, des Leibes. Es ist in der angegebenen Richtung bezeichnend, pba_435.019 daß Tieren gegenüber der Sprachgebrauch etwas weiter geht; pba_435.020 so findet sich bei Aristoteles der Ausdruck: ἡ βοῦς ... καθαίρεται κάθαρσιν pba_435.021 βραχεῖαν (573a 6). Jn allen Fällen aber bedeutet „Katharsis“ pba_435.022 den Vorgang der Entfernung eines Unzugehörigen, Überflüssigen, sei pba_435.023 es nun mechanische Abwaschung oder äußerliches Wegwischen der Unreinigkeit, pba_435.024 sei es Läuterung von Schlacken, sei es Ausscheidung des pba_435.025 περίττωμα, des zur Ernährung nicht verbrauchten aufgenommenen pba_435.026 Stoffes, oder „Ausstoßung“ überflüssig produzierter Säfte. Wo pba_435.027 der hinzutretende Genitiv nun nicht ein identischer ist, der den Vorgang pba_435.028 selbst bezeichnet, wie καταμηνίων, gibt er den ausgestoßenen Stoff an, pba_435.029 das περίττωμα, was auch von Aristoteles καθαρμός genannt wird oder pba_435.030 ἀποκάθαρμα: die Ausscheidung. pba_435.031 Es liegt also auf der Hand, daß in solcher Verbindung zu dem pba_435.032 Begriff „Katharsis“ einzig und allein der Genitiv von Stoffnamen pba_435.033 hinzutreten kann, entweder Bezeichnungen eines gleichartigen, pba_435.034 beliebig teilbaren Stoffes, von dem ein Zuviel (ὑπερβολή) zu beseitigen pba_435.035 ist, um den normalen Zustand herzustellen, oder Bezeichnungen eines pba_435.036 Stoffes, der, einem andern verwandten beigesellt, als eine Unreinigkeit pba_435.037 von demselben abgesondert wird. pba_435.038 Sowohl nach der Logik der Sprache, als vollends nach dem pba_435.039 psychologisch-ethischen System des Aristoteles ist es also ganz unmöglich, pba_435.040 den Genitiv παθημάτων als einen solchen Genitiv des ausge-

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/453>, abgerufen am 22.11.2024.