pba_541.001 können höchstens doch nur als Nebenwirkungen der Kunst in Betracht pba_541.002 kommen: das "Vergnügen selbst, das die Kunst gewährt", ist allein das pba_541.003 Vergnügen der durch die bloße Wahrnehmung -- Aisthesis -- befriedigten pba_541.004 Empfindung, ohne daß diese Befriedigung etwa der Billigung pba_541.005 durch die Vernunft erst bedürfte, ja so völlig unbekümmert um diese pba_541.006 letztere, daß das ästhetische "Vergnügen" sehr oft als der gefährlichste pba_541.007 Feind sich den "moralischen Gefühlen" entgegenstellt.
pba_541.008 Wie grundverderblich aber dieser falsche Schluß für den ganzen pba_541.009 Verlauf der Untersuchung, für Schillers ganze ästhetische Theorie ist, pba_541.010 tritt schon in dem unmittelbar folgenden Absatz überzeugend hervor, pba_541.011 der das "freie Vergnügen" definiert. Hier ist nicht ein einziges Wort pba_541.012 richtig!
pba_541.013 "Die Mittel, wodurch die Kunst ihren Zweck erreicht, sind so pba_541.014 vielfach, als es überhaupt Quellen eines freien Vergnügens gibt."
pba_541.015 Das gute Handeln sowie das richtige Erkennen sind Quellen pba_541.016 "freien" Vergnügens in Schillers Sinn; aber sowohl das rein moralische,pba_541.017 wie das rein dianoetische Vergnügen sind der Kunst völlig pba_541.018 fremd. Die Kunst erreicht ihren Zweck nur durch ein einziges Mittel: pba_541.019 durch reine Thätigkeit der sinnlichen Wahrnehmung, vollendete pba_541.020 Energie der Aisthesis! Nur insofern es gelingt den Gehalt pba_541.021 jener anderen "freien" Thätigkeiten dieser einzigen Quelle des künstlerischen pba_541.022 Vergnügens zuzuleiten, kann er zum Gegenstande desselben umgeschaffen pba_541.023 werden. Die Thätigkeit der Vernunft und des Verstandes, die pba_541.024 eigentliche Arbeit der moralischen und logischen Erkenntniskräfte, ist pba_541.025 also aus der Kunst ausgeschlossen: das hindert nicht, daß die Kunst pba_541.026 von den Resultaten derselben recht eigentlich angefüllt sein pba_541.027 kann. Die gewaltige Aufgabe des Künstlers ist es, diese Resultate zu pba_541.028 Gegenständen sinnlich wahrnehmbarer Nachahmung zu pba_541.029 machen, einer Nachahmung, die vermögend sei Empfindungen pba_541.030 und Seelenzustände unmittelbar und zwar richtig bestimmt pba_541.031 zu erregen.
pba_541.032 Daher ist der nächste Satz Schillers: "frei ist dasjenige Vergnügen, pba_541.033 wobei die geistigen Kräfte, Vernunft und Einbildungskraft thätigpba_541.034 sind", insofern damit Wesen und Wirkung der Kunst bezeichnet sein pba_541.035 soll, ebenfalls unrichtig. Die "Einbildungskraft" ist nur eine von pba_541.036 den Hülfsmächten der Kunst, die sie nur da anruft, wo ihre Mittel pba_541.037 unmittelbarer sinnlicher Einwirkung nicht ausreichen. Die "Vernunftthätigkeit" pba_541.038 darf sie im eigentlichen Sinne niemals in Anspruch nehmen. pba_541.039 Hier dürfte es jedoch erforderlich sein einem Trugschluß vorzubeugen. pba_541.040 Wie oft erreicht nicht die Poesie ihre höchsten Wirkungen, indem sie die
pba_541.001 können höchstens doch nur als Nebenwirkungen der Kunst in Betracht pba_541.002 kommen: das „Vergnügen selbst, das die Kunst gewährt“, ist allein das pba_541.003 Vergnügen der durch die bloße Wahrnehmung — Aisthesis — befriedigten pba_541.004 Empfindung, ohne daß diese Befriedigung etwa der Billigung pba_541.005 durch die Vernunft erst bedürfte, ja so völlig unbekümmert um diese pba_541.006 letztere, daß das ästhetische „Vergnügen“ sehr oft als der gefährlichste pba_541.007 Feind sich den „moralischen Gefühlen“ entgegenstellt.
pba_541.008 Wie grundverderblich aber dieser falsche Schluß für den ganzen pba_541.009 Verlauf der Untersuchung, für Schillers ganze ästhetische Theorie ist, pba_541.010 tritt schon in dem unmittelbar folgenden Absatz überzeugend hervor, pba_541.011 der das „freie Vergnügen“ definiert. Hier ist nicht ein einziges Wort pba_541.012 richtig!
pba_541.013 „Die Mittel, wodurch die Kunst ihren Zweck erreicht, sind so pba_541.014 vielfach, als es überhaupt Quellen eines freien Vergnügens gibt.“
pba_541.015 Das gute Handeln sowie das richtige Erkennen sind Quellen pba_541.016 „freien“ Vergnügens in Schillers Sinn; aber sowohl das rein moralische,pba_541.017 wie das rein dianoetische Vergnügen sind der Kunst völlig pba_541.018 fremd. Die Kunst erreicht ihren Zweck nur durch ein einziges Mittel: pba_541.019 durch reine Thätigkeit der sinnlichen Wahrnehmung, vollendete pba_541.020 Energie der Aisthesis! Nur insofern es gelingt den Gehalt pba_541.021 jener anderen „freien“ Thätigkeiten dieser einzigen Quelle des künstlerischen pba_541.022 Vergnügens zuzuleiten, kann er zum Gegenstande desselben umgeschaffen pba_541.023 werden. Die Thätigkeit der Vernunft und des Verstandes, die pba_541.024 eigentliche Arbeit der moralischen und logischen Erkenntniskräfte, ist pba_541.025 also aus der Kunst ausgeschlossen: das hindert nicht, daß die Kunst pba_541.026 von den Resultaten derselben recht eigentlich angefüllt sein pba_541.027 kann. Die gewaltige Aufgabe des Künstlers ist es, diese Resultate zu pba_541.028 Gegenständen sinnlich wahrnehmbarer Nachahmung zu pba_541.029 machen, einer Nachahmung, die vermögend sei Empfindungen pba_541.030 und Seelenzustände unmittelbar und zwar richtig bestimmt pba_541.031 zu erregen.
pba_541.032 Daher ist der nächste Satz Schillers: „frei ist dasjenige Vergnügen, pba_541.033 wobei die geistigen Kräfte, Vernunft und Einbildungskraft thätigpba_541.034 sind“, insofern damit Wesen und Wirkung der Kunst bezeichnet sein pba_541.035 soll, ebenfalls unrichtig. Die „Einbildungskraft“ ist nur eine von pba_541.036 den Hülfsmächten der Kunst, die sie nur da anruft, wo ihre Mittel pba_541.037 unmittelbarer sinnlicher Einwirkung nicht ausreichen. Die „Vernunftthätigkeit“ pba_541.038 darf sie im eigentlichen Sinne niemals in Anspruch nehmen. pba_541.039 Hier dürfte es jedoch erforderlich sein einem Trugschluß vorzubeugen. pba_541.040 Wie oft erreicht nicht die Poesie ihre höchsten Wirkungen, indem sie die
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können höchstens doch nur als Nebenwirkungen der Kunst in Betracht pba_541.002
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/559>, abgerufen am 22.11.2024.
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