pba_585.001 über die göttlichen Gewalten zu seinem befriedigendsten Erstaunen, indem pba_585.002 er gerade den Begriff der Moira vertiefte und gleichsam in eine pba_585.003 unabsehbare Scene ihrer Wirksamkeit hineinschaut. Jhre Jahrtausende pba_585.004 und Jahrtausende hindurch angelegten Fäden, die den Konflikt der pba_585.005 mächtigsten und unbeugsamsten göttlichen Willen aussöhnen pba_585.006 werden, indem diese Fäden angelegt sind auf diese Willen eine beschwichtigende pba_585.007 Wirkung zu üben, und alles, auch das Unerwartetste, sich zusammenfinden pba_585.008 zu lassen, das war es, was ihn in staunende Ehrfurcht pba_585.009 versenkte und den Menschen gar, der etwa vermeinte in diesen unabsehbaren pba_585.010 Großgang eingreifen zu können, so zerschmetternd klein erscheinen pba_585.011 ließ, und so groß, daß auch seine Geringfügigkeit in derselben pba_585.012 mit einbeschlossen ist. Das ist
pba_585.013
das gewaltige Schicksal,pba_585.014 Welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt.
pba_585.015 Wie es Schiller mit tiefstem Verständnis und in einem seiner pba_585.016 glücklichsten Augenblicke für das Verständnis des Griechentums gesprochen pba_585.017 hat. Eingreifen zu können! Zeus glaubte es einen Augenblick -- denn pba_585.018 was sind Jahrtausende in jenen Urzeiten göttlicher, ringender Gewalten pba_585.019 und nach ihren Riesenmaßen, und er ahnte nicht, wie der Gang des pba_585.020 Schicksals auf seinen Willen einwirken werde. Je unabsehbarer aber pba_585.021 eine solche Entwickelung auf Äonen angelegt geschaut wird, um so mehr pba_585.022 macht neben Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit zugleich das Gefühl pba_585.023 eines Planes sich geltend."
pba_585.024
XXVIII.
pba_585.025 Wohl war in Schillers großer Seele die Vorstellung von der echten pba_585.026 Größe der antiken Tragödie lebendig: aber in der theoretischen Erkenntnis pba_585.027 der tragischen Gattung ist er nie zu voller Klarheit gelangt; pba_585.028 auch seine späteren Äußerungen bewegen sich um den entscheidenden pba_585.029 Punkt, ohne ihn zu treffen. Seine gesamte ästhetische Spekulation hatte pba_585.030 eine Richtung eingeschlagen, die ihn mit Notwendigkeit an diesem Punkte pba_585.031 immer wieder vorbeiführen mußte. Das Studium Kants konnte daran pba_585.032 nichts ändern; es diente viel eher dazu ihn in dieser Richtung zu bestärken, pba_585.033 weil es ihm Veranlassung bot, den weitergehenden Jrrtum der pba_585.034 Kantschen Ästhetik zu bekämpfen, woraus naturgemäß eine Befestigung pba_585.035 in seinen eigenen Anschauungen hervorging. Mit ergreifendem Ernst
pba_585.001 über die göttlichen Gewalten zu seinem befriedigendsten Erstaunen, indem pba_585.002 er gerade den Begriff der Moira vertiefte und gleichsam in eine pba_585.003 unabsehbare Scene ihrer Wirksamkeit hineinschaut. Jhre Jahrtausende pba_585.004 und Jahrtausende hindurch angelegten Fäden, die den Konflikt der pba_585.005 mächtigsten und unbeugsamsten göttlichen Willen aussöhnen pba_585.006 werden, indem diese Fäden angelegt sind auf diese Willen eine beschwichtigende pba_585.007 Wirkung zu üben, und alles, auch das Unerwartetste, sich zusammenfinden pba_585.008 zu lassen, das war es, was ihn in staunende Ehrfurcht pba_585.009 versenkte und den Menschen gar, der etwa vermeinte in diesen unabsehbaren pba_585.010 Großgang eingreifen zu können, so zerschmetternd klein erscheinen pba_585.011 ließ, und so groß, daß auch seine Geringfügigkeit in derselben pba_585.012 mit einbeschlossen ist. Das ist
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das gewaltige Schicksal,pba_585.014 Welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt.
pba_585.015 Wie es Schiller mit tiefstem Verständnis und in einem seiner pba_585.016 glücklichsten Augenblicke für das Verständnis des Griechentums gesprochen pba_585.017 hat. Eingreifen zu können! Zeus glaubte es einen Augenblick — denn pba_585.018 was sind Jahrtausende in jenen Urzeiten göttlicher, ringender Gewalten pba_585.019 und nach ihren Riesenmaßen, und er ahnte nicht, wie der Gang des pba_585.020 Schicksals auf seinen Willen einwirken werde. Je unabsehbarer aber pba_585.021 eine solche Entwickelung auf Äonen angelegt geschaut wird, um so mehr pba_585.022 macht neben Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit zugleich das Gefühl pba_585.023 eines Planes sich geltend.“
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pba_585.025 Wohl war in Schillers großer Seele die Vorstellung von der echten pba_585.026 Größe der antiken Tragödie lebendig: aber in der theoretischen Erkenntnis pba_585.027 der tragischen Gattung ist er nie zu voller Klarheit gelangt; pba_585.028 auch seine späteren Äußerungen bewegen sich um den entscheidenden pba_585.029 Punkt, ohne ihn zu treffen. Seine gesamte ästhetische Spekulation hatte pba_585.030 eine Richtung eingeschlagen, die ihn mit Notwendigkeit an diesem Punkte pba_585.031 immer wieder vorbeiführen mußte. Das Studium Kants konnte daran pba_585.032 nichts ändern; es diente viel eher dazu ihn in dieser Richtung zu bestärken, pba_585.033 weil es ihm Veranlassung bot, den weitergehenden Jrrtum der pba_585.034 Kantschen Ästhetik zu bekämpfen, woraus naturgemäß eine Befestigung pba_585.035 in seinen eigenen Anschauungen hervorging. Mit ergreifendem Ernst
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über die göttlichen Gewalten zu seinem befriedigendsten Erstaunen, indem pba_585.002
er gerade den Begriff der Moira vertiefte und gleichsam in eine pba_585.003
unabsehbare Scene ihrer Wirksamkeit hineinschaut. Jhre Jahrtausende pba_585.004
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mächtigsten und unbeugsamsten göttlichen Willen aussöhnen pba_585.006
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Großgang eingreifen zu können, so zerschmetternd klein erscheinen pba_585.011
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Wie es Schiller mit tiefstem Verständnis und in einem seiner pba_585.016
glücklichsten Augenblicke für das Verständnis des Griechentums gesprochen pba_585.017
hat. Eingreifen zu können! Zeus glaubte es einen Augenblick — denn pba_585.018
was sind Jahrtausende in jenen Urzeiten göttlicher, ringender Gewalten pba_585.019
und nach ihren Riesenmaßen, und er ahnte nicht, wie der Gang des pba_585.020
Schicksals auf seinen Willen einwirken werde. Je unabsehbarer aber pba_585.021
eine solche Entwickelung auf Äonen angelegt geschaut wird, um so mehr pba_585.022
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Wohl war in Schillers großer Seele die Vorstellung von der echten pba_585.026
Größe der antiken Tragödie lebendig: aber in der theoretischen Erkenntnis pba_585.027
der tragischen Gattung ist er nie zu voller Klarheit gelangt; pba_585.028
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Kantschen Ästhetik zu bekämpfen, woraus naturgemäß eine Befestigung pba_585.035
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/603>, abgerufen am 22.11.2024.
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