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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Sinnlichen." "So umgibt der Chor die streng abgemessene Handlung pba_594.002
und die festen Umrisse der handelnden Personen mit einem lyrischen pba_594.003
Prachtgewebe, in welchem sich, als wie in einem weit gefalteten Purpurgewand, pba_594.004
die handelnden Personen frei und edel mit einer gehaltenen pba_594.005
Würde und hoher Ruhe bewegen." "Er verläßt den engen Kreis der pba_594.006
Handlung, um sich über Vergangenes und Künftiges, über ferne Zeiten pba_594.007
und Völker, über das Menschliche überhaupt zu verbreiten, um pba_594.008
die großen Resultate des Lebens zu ziehen und die Lehren der pba_594.009
Weisheit auszusprechen. Aber er thut dieses mit der vollen Macht der pba_594.010
Phantasie, mit einer kühnen lyrischen Freiheit, welche auf den hohen pba_594.011
Gipfeln der menschlichen Dinge wie mit Schritten der Götter
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einhergeht -- und er thut es, von der ganzen sinnlichen Macht des pba_594.013
Rhythmus und der Musik in Tönen und Bewegungen begleitet."

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Lauter feine Beobachtungen und in bilderreicher Sprache treffend pba_594.015
ausgedrückt! Aber es fehlt ihnen das zusammenhaltende Princip, wodurch pba_594.016
alle diese Funktionen des Chors erst zu einem integrierenden pba_594.017
Teile des tragischen Kunstwerks werden, wodurch zugleich auch das pba_594.018
Wie? und das Warum? derselben gegeben ist. Teilt man dem Chor, pba_594.019
wie Schiller es thut, eben nur die Aufgabe zu mit lyrischer Reflexion die pba_594.020
Handlung zu begleiten und so "das tragische Gedicht von derselben zu pba_594.021
reinigen", so könnte dieselbe gar leicht zu einem bloßen "Prachtgewande" pba_594.022
werden, zu einer schmuckvollen Zuthat, die auch entbehrlich, pba_594.023
mithin ihrem Wesen nach dem Kunstwerk nicht angehörig wäre. Der pba_594.024
Chor leistet alles das, was Schiller von ihm aussagt, indem er als dem pba_594.025
Handelnden nahestehender und doch von seinem Leiden minder betroffener pba_594.026
Beobachter vorzüglich geeignet ist die durch sein Schicksal in Bewegung pba_594.027
gesetzten Affekte auf das lebhafteste zu teilen, ohne von ihnen doch überwältigt pba_594.028
zu werden. Er ist der natürliche Jnterpret unserer eigenen pba_594.029
Empfindungen diesem Schicksal gegenüber, zugleich berufen sie mächtig pba_594.030
in uns aufzuregen und geschickt ihnen das rechte Maß anzuweisen, daß pba_594.031
wir darüber unsre Freiheit nicht verlieren. Schillers Wort von dem pba_594.032
"Jndifferenzpunkt des Jdeellen und Sinnlichen" ist sehr glücklich gewählt, pba_594.033
wenn man es dahin deutet, daß auf solche Weise der rohe, pba_594.034
elementare Stoff der tragischen Affekte diejenige absolut pba_594.035
berechtigte Form erhält, in welcher er mit den ideellen pba_594.036
Forderungen des Geistes in vollkommene Harmonie tritt.
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Das aber ist nichts als eine andere Formel für das Wesen der tragischen pba_594.038
Katharsis.

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3) "Der Chor berechtigt den tragischen Dichter zu einer Erhebung pba_594.040
des Tons, die das Ohr ausfüllt, die den Geist anspannt, die das

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Sinnlichen.“ „So umgibt der Chor die streng abgemessene Handlung pba_594.002
und die festen Umrisse der handelnden Personen mit einem lyrischen pba_594.003
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Gipfeln der menschlichen Dinge wie mit Schritten der Götter
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einhergeht — und er thut es, von der ganzen sinnlichen Macht des pba_594.013
Rhythmus und der Musik in Tönen und Bewegungen begleitet.“

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Lauter feine Beobachtungen und in bilderreicher Sprache treffend pba_594.015
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Handlung zu begleiten und so „das tragische Gedicht von derselben zu pba_594.021
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Das aber ist nichts als eine andere Formel für das Wesen der tragischen pba_594.038
Katharsis.

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/612>, abgerufen am 22.11.2024.