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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Dunkle Wendungen von dem "unbekannt verhängnisvollen Samen, pba_598.002
aus dem der unselige Bruderhaß emporwuchs", von "der unregiersam pba_598.003
stärkeren Götterhand, die dieses Hauses Schicksal dunkel spinnt", pba_598.004
von dem "eigenen freien Weg, den das Verhängnis mit ihm geht", pba_598.005
"dem alten Fluch, der lastend auf ihm ruht" durchziehen das ganze pba_598.006
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Damit ist die wesentlichste Voraussetzung für die tragische Handlung pba_598.008
gewonnen: ein furchtbares Schicksal kann sich hier entwickeln ohne pba_598.009
Verschulden der Betroffenen. Für die weitere Exposition machte Schiller pba_598.010
von den "symbolischen" Mitteln, deren hohen Wert er nach den obigen pba_598.011
Citaten so wohl erkannte, einen freien Gebrauch. Träume und Orakel pba_598.012
spielen ihre bewährte Rolle als die poetischen Verkörperungen einerseits pba_598.013
der unruhig fürchtenden Ahnung, andererseits der im voraus sich ankündigenden pba_598.014
Vergeltung. So tief hatte Schiller sich in die hier geltende pba_598.015
specifische Anschauungsweise der antiken Tragödie eingelebt, daß er in pba_598.016
dem lebendigen Gefühl ihrer allgemein menschlichen Wahrheit es für pba_598.017
ein poetisches Grundrecht erklärt, unbekümmert um die Verschiedenheiten pba_598.018
des Glaubens und der Sitte, diese Formen auf alle Zeiten und pba_598.019
Völker zu übertragen. Denn es ist die große sittlich-religiöse Jdee der pba_598.020
tragischen Weltanschauung der Griechen, auf die das Schlußwort der pba_598.021
dem Stück vorausgeschickten Abhandlung zielt -- es handelt sich darum pba_598.022
die Freiheit zu entschuldigen, mit der er griechische, maurische und christliche pba_598.023
Religionsanschauungen in dem Stücke vermischt habe --: "Und pba_598.024
dann halte ich es für ein Recht der Poesie, die verschiedenen Religionen pba_598.025
als ein kollektives Ganze für die Einbildungskraft zu behandeln, in pba_598.026
welchem alles, was einen eigenen Charakter trägt, eine eigene Empfindungsweise pba_598.027
ausdrückt, seine Stelle findet. Unter der Hülle aller Religionen pba_598.028
liegt die Religion selbst, die Jdee eines Göttlichen, und es muß pba_598.029
dem Dichter erlaubt sein, dieses auszusprechen, in welcher Form er es pba_598.030
jedesmal am bequemsten und am treffendsten findet." Es kann kein pba_598.031
Zweifel darüber bestehen, daß für das hier in Frage kommende Gebiet pba_598.032
des sittlich-religiösen Gefühls eine "bequemere und treffendere" poetische pba_598.033
Form nicht erdacht werden kann, als die in der griechischen Tragödie pba_598.034
ausgebildete: was in den andern Religionen als Aberglaube, phantastische pba_598.035
Abirrung nur zeitweise und bedingte Geltung hat, im besten Falle doch pba_598.036
nur nebenher geduldet wird, steht dort da mit der ganzen Autorität des pba_598.037
höchsten göttlichen Waltens umkleidet, ein Ausfluß seines innersten pba_598.038
Wesens. Daher wirkt bei den Griechen auch Zweifel oder gar entschiedener pba_598.039
Unglaube und Ungehorsam den Orakeln der Götter gegenüber pba_598.040
als stärkste Jmpietät unmittelbar auf die Empfindung, während die

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Damit ist die wesentlichste Voraussetzung für die tragische Handlung pba_598.008
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/616>, abgerufen am 22.11.2024.