Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_603.001 Den eignen freien Weg, ich seh' es wohl, pba_603.002 Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern. pba_603.003 Vom Berge stürzt der ungeheure Strom, pba_603.004 Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn; pba_603.005 Nicht des gemessnen Pfades achtet er, pba_603.006 Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut. pba_603.007 So unterwerf' ich mich, wie kann ich's ändern? pba_603.008 Der unregiersam stärkern Götterhand, pba_603.009 Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt. pba_603.010 Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen, pba_603.019 Der über diesem Hause lastend ruht? pba_603.020 Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen, pba_603.021 Und nimmer stillt sich seines Neides Wut. pba_603.022 So nahe glaubt' ich mich dem sichern Hafen, pba_603.023 So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand, pba_603.024 Und alle Stürme glaubt' ich eingeschlafen, pba_603.025 Und freudig winkend sah ich schon das Land pba_603.026 Jm Abendglanz der Sonne sich erhellen: pba_603.027 Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt, pba_603.028 Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen! pba_603.029 pba_603.001 Den eignen freien Weg, ich seh' es wohl, pba_603.002 Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern. pba_603.003 Vom Berge stürzt der ungeheure Strom, pba_603.004 Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn; pba_603.005 Nicht des gemessnen Pfades achtet er, pba_603.006 Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut. pba_603.007 So unterwerf' ich mich, wie kann ich's ändern? pba_603.008 Der unregiersam stärkern Götterhand, pba_603.009 Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt. pba_603.010 Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen, pba_603.019 Der über diesem Hause lastend ruht? pba_603.020 Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen, pba_603.021 Und nimmer stillt sich seines Neides Wut. pba_603.022 So nahe glaubt' ich mich dem sichern Hafen, pba_603.023 So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand, pba_603.024 Und alle Stürme glaubt' ich eingeschlafen, pba_603.025 Und freudig winkend sah ich schon das Land pba_603.026 Jm Abendglanz der Sonne sich erhellen: pba_603.027 Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt, pba_603.028 Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen! pba_603.029 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0621" n="603"/> <lb n="pba_603.001"/> <lg> <l>Den eignen freien Weg, ich seh' es wohl,</l> <lb n="pba_603.002"/> <l>Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern.</l> <lb n="pba_603.003"/> <l>Vom Berge stürzt der ungeheure Strom,</l> <lb n="pba_603.004"/> <l>Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn;</l> <lb n="pba_603.005"/> <l>Nicht des gemessnen Pfades achtet er,</l> <lb n="pba_603.006"/> <l>Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut.</l> <lb n="pba_603.007"/> <l>So unterwerf' ich mich, wie kann ich's ändern?</l> <lb n="pba_603.008"/> <l>Der unregiersam stärkern Götterhand,</l> <lb n="pba_603.009"/> <l>Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.</l> </lg> <p><lb n="pba_603.010"/> Hier setzt nun voll und voller die lang vorbereitete Mitleid-Empfindung <lb n="pba_603.011"/> ein, da immer dunkler die drohenden Wolken um die hoheitsvolle <lb n="pba_603.012"/> edle Mutter und ihre hochherzigen Kinder sich zusammenziehen. <lb n="pba_603.013"/> Voll berechtigt erscheint ihr Anspruch auf reichste Entfaltung eines herrlichen <lb n="pba_603.014"/> Glückes, gering nur ihr Fehl und doch unvermeidlich ein nahe <lb n="pba_603.015"/> bevorstehender jäher Sturz. So klagen und bangen wir mit der Fürstin <lb n="pba_603.016"/> — denn <hi rendition="#g">diese</hi> Furcht für die handelnden Personen ist nur eine Art <lb n="pba_603.017"/> des Mitleids —:</p> <lb n="pba_603.018"/> <lg> <l>Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen,</l> <lb n="pba_603.019"/> <l>Der über diesem Hause lastend ruht?</l> <lb n="pba_603.020"/> <l>Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen,</l> <lb n="pba_603.021"/> <l>Und nimmer stillt sich seines Neides Wut.</l> <lb n="pba_603.022"/> <l>So nahe glaubt' ich mich dem sichern Hafen,</l> <lb n="pba_603.023"/> <l>So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand,</l> <lb n="pba_603.024"/> <l>Und alle Stürme glaubt' ich eingeschlafen,</l> <lb n="pba_603.025"/> <l>Und freudig winkend sah ich schon das Land</l> <lb n="pba_603.026"/> <l>Jm Abendglanz der Sonne sich erhellen:</l> <lb n="pba_603.027"/> <l>Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt,</l> <lb n="pba_603.028"/> <l>Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!</l> </lg> <p><lb n="pba_603.029"/> Und nun die entsetzliche Katastrophe! und am Schlusse des Aktes <lb n="pba_603.030"/> dann der großartige Chorgesang, der an Tiefe und Macht der gleichmäßig <lb n="pba_603.031"/> ihn durchströmenden Furcht- und Mitleids-Darstellung sich dem <lb n="pba_603.032"/> Erhabensten, das uns von den Griechen überkommen ist, an die Seite <lb n="pba_603.033"/> stellt. Es müßte das ganze, unvergleichlich reiche Lied citiert werden, <lb n="pba_603.034"/> um zu zeigen, wie hier die beiden Affekte unablässig sich ablösen, um <lb n="pba_603.035"/> sich gegenseitig zu vertiefen und zu klären, gleichsam in wechselseitigem <lb n="pba_603.036"/> Gegenstreben nach dem gemeinsamen Gleichgewicht suchend. Über dem <lb n="pba_603.037"/> Schmerz um den Toten, über dem Jammer mit den Überlebenden, <lb n="pba_603.038"/> über dem schmerzlichen Gefühl der menschlichen Gebrechlichkeit — „Was <lb n="pba_603.039"/> sind Hoffnungen, was sind Entwürfe, die der Mensch, der flüchtige <lb n="pba_603.040"/> Sohn der Stunde, aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?“ — erhebt <lb n="pba_603.041"/> sich der Schauer der Verehrung vor der Majestät der ewigen göttlichen </p> </div> </body> </text> </TEI> [603/0621]
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Den eignen freien Weg, ich seh' es wohl, pba_603.002
Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern. pba_603.003
Vom Berge stürzt der ungeheure Strom, pba_603.004
Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn; pba_603.005
Nicht des gemessnen Pfades achtet er, pba_603.006
Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut. pba_603.007
So unterwerf' ich mich, wie kann ich's ändern? pba_603.008
Der unregiersam stärkern Götterhand, pba_603.009
Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.
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Hier setzt nun voll und voller die lang vorbereitete Mitleid-Empfindung pba_603.011
ein, da immer dunkler die drohenden Wolken um die hoheitsvolle pba_603.012
edle Mutter und ihre hochherzigen Kinder sich zusammenziehen. pba_603.013
Voll berechtigt erscheint ihr Anspruch auf reichste Entfaltung eines herrlichen pba_603.014
Glückes, gering nur ihr Fehl und doch unvermeidlich ein nahe pba_603.015
bevorstehender jäher Sturz. So klagen und bangen wir mit der Fürstin pba_603.016
— denn diese Furcht für die handelnden Personen ist nur eine Art pba_603.017
des Mitleids —:
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Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen, pba_603.019
Der über diesem Hause lastend ruht? pba_603.020
Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen, pba_603.021
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So fest vertraut' ich auf des Glückes Pfand, pba_603.024
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Jm Abendglanz der Sonne sich erhellen: pba_603.027
Da kommt ein Sturm, aus heitrer Luft gesandt, pba_603.028
Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!
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Und nun die entsetzliche Katastrophe! und am Schlusse des Aktes pba_603.030
dann der großartige Chorgesang, der an Tiefe und Macht der gleichmäßig pba_603.031
ihn durchströmenden Furcht- und Mitleids-Darstellung sich dem pba_603.032
Erhabensten, das uns von den Griechen überkommen ist, an die Seite pba_603.033
stellt. Es müßte das ganze, unvergleichlich reiche Lied citiert werden, pba_603.034
um zu zeigen, wie hier die beiden Affekte unablässig sich ablösen, um pba_603.035
sich gegenseitig zu vertiefen und zu klären, gleichsam in wechselseitigem pba_603.036
Gegenstreben nach dem gemeinsamen Gleichgewicht suchend. Über dem pba_603.037
Schmerz um den Toten, über dem Jammer mit den Überlebenden, pba_603.038
über dem schmerzlichen Gefühl der menschlichen Gebrechlichkeit — „Was pba_603.039
sind Hoffnungen, was sind Entwürfe, die der Mensch, der flüchtige pba_603.040
Sohn der Stunde, aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?“ — erhebt pba_603.041
sich der Schauer der Verehrung vor der Majestät der ewigen göttlichen
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