Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_622.001 pba_622.026 pba_622.031 1 pba_622.034 Vgl. oben S. 366. 2 pba_622.035
Obwohl dessen Deutung viel zu sehr am äußerlichen haften bleibt! S. a a. O., pba_622.036 S. 338: "Eumeniden: Tragische Höhe gleich Anfang. -- Orestes ganz als Werkzeug pba_622.037 vom Schicksal gelenkt. Das freie Handeln in eine höhere Sphäre übergegangen. pba_622.038 Pallas eigentlich Hauptperson. Die Kollision des Heiligsten als Zwist in der Götterwelt pba_622.039 ausgedrückt. -- Symbolische Deutung des Ganzen. -- Titanen überhaupt pba_622.040 die dunkeln Urkräfte. Die jüngeren Götter, was mehr in den Kreis des Bewußtseins pba_622.001 pba_622.026 pba_622.031 1 pba_622.034 Vgl. oben S. 366. 2 pba_622.035
Obwohl dessen Deutung viel zu sehr am äußerlichen haften bleibt! S. a a. O., pba_622.036 S. 338: „Eumeniden: Tragische Höhe gleich Anfang. — Orestes ganz als Werkzeug pba_622.037 vom Schicksal gelenkt. Das freie Handeln in eine höhere Sphäre übergegangen. pba_622.038 Pallas eigentlich Hauptperson. Die Kollision des Heiligsten als Zwist in der Götterwelt pba_622.039 ausgedrückt. — Symbolische Deutung des Ganzen. — Titanen überhaupt pba_622.040 die dunkeln Urkräfte. Die jüngeren Götter, was mehr in den Kreis des Bewußtseins <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0640" n="622"/><lb n="pba_622.001"/> lung sich als eine einfache, gradaus verlaufende Gerichtsverhandlung <lb n="pba_622.002"/> darstellt, so ist jene Sinneswandlung das Resultat eines Vergleiches, der <lb n="pba_622.003"/> dem unterliegenden Teil von dem obsiegenden in Anerkennung seines <lb n="pba_622.004"/> wohlbegründeten Rechtes geboten wird. Dagegen steht es außer Zweifel, <lb n="pba_622.005"/> daß in dem Stücke die Sache der besonnenen, nach den Motiven der <lb n="pba_622.006"/> That und nach ihrem inneren Sinne urteilenden Gerechtigkeit, für die <lb n="pba_622.007"/> Apollon und Athene einstehen, geführt wird gegen die blinde Rache für <lb n="pba_622.008"/> vergossenes Blut, die die Erinnyen vertreten. Eine <hi rendition="#g">Jdee</hi> also ist es, <lb n="pba_622.009"/> die durch dieses Stück der Empfindung zur Gewißheit gebracht wird,<note xml:id="pba_622_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_622.034"/> Vgl. oben S. 366.</note> <lb n="pba_622.010"/> und das Forum der Empfindung ist es auch, vor dem in durchgeführtem <lb n="pba_622.011"/> kontradiktorischem Verfahren das <hi rendition="#aq">pro</hi> und <hi rendition="#aq">contra</hi> abgewogen wird, indem <lb n="pba_622.012"/> von beiden Seiten die Affekte das Unwillens, ja der heftigsten Empörung <lb n="pba_622.013"/> sich gegenübertreten, bis sie endlich ihre Einigung im gegenseitigen Wohlwollen, <lb n="pba_622.014"/> in vollster Befriedigung, ja in hoher Freude finden. Das sind <lb n="pba_622.015"/> die charakteristischen Züge des <hi rendition="#g">Schauspiels,</hi> nicht der Tragödie. Wie <lb n="pba_622.016"/> kommt es nun aber, daß dieses Drama nicht allein immer für eine <lb n="pba_622.017"/> Tragödie gegolten hat, sondern daß es in der That auch durch und <lb n="pba_622.018"/> durch von den tragischen Affekten erfüllt ist, die an Kraft, Tiefe und <lb n="pba_622.019"/> kathartischer Wirkung den durch die Tragödie hervorgebrachten nichts <lb n="pba_622.020"/> nachgeben? Die ebenso einfache als überraschende Lösung ist die, daß <lb n="pba_622.021"/> es die <hi rendition="#g">kathartische Läuterung der tragischen Affekte selbst ist,</hi> <lb n="pba_622.022"/> ihre Reinigung und Entsühnung von dem Gewaltsamen, Überheftigen, <lb n="pba_622.023"/> Ungemäßigten, ihre Umwandlung zu klarem, in sich gefestigtem, dauerndem, <lb n="pba_622.024"/> schönem Empfinden, die den ideellen Gehalt der vorgeführten Schauspielhandlung <lb n="pba_622.025"/> bilden.</p> <p><lb n="pba_622.026"/> Ein tragisches Element bildet allerdings in dem Drama das <lb n="pba_622.027"/> „Pathetisch-Leidvolle“, das darin zur Entfaltung kommt: das schwere <lb n="pba_622.028"/> Seelenleiden des Orestes und die drastisch furchtbare Erscheinung der <lb n="pba_622.029"/> Erinnyen. Aber das sind eben nur tragische Färbungen, das Gemälde <lb n="pba_622.030"/> der Handlung selbst enthält die tragische Anlage und Durchführung nicht.</p> <p><lb n="pba_622.031"/> Die Handlung der „Eumeniden“ ist, wozu das Schauspiel seiner <lb n="pba_622.032"/> Natur nach neigt, durchweg <hi rendition="#g">symbolisch</hi> angelegt, wie das schon von <lb n="pba_622.033"/> A. W. Schlegel bemerkt ist.<note xml:id="pba_622_2a" n="2" place="foot" next="#pba_622_2b"><lb n="pba_622.035"/> Obwohl dessen Deutung viel zu sehr am äußerlichen haften bleibt! S. a a. O., <lb n="pba_622.036"/> S. 338: „<hi rendition="#g">Eumeniden:</hi> Tragische Höhe gleich Anfang. — Orestes ganz als Werkzeug <lb n="pba_622.037"/> vom Schicksal gelenkt. Das freie Handeln in eine höhere Sphäre übergegangen. <lb n="pba_622.038"/> Pallas eigentlich Hauptperson. Die Kollision des Heiligsten als Zwist in der Götterwelt <lb n="pba_622.039"/> ausgedrückt. — <hi rendition="#g">Symbolische Deutung des Ganzen.</hi> — Titanen überhaupt <lb n="pba_622.040"/> die dunkeln Urkräfte. Die jüngeren Götter, was mehr in den Kreis des Bewußtseins </note> Durch diese Behandlungsweise gelangt </p> </div> </body> </text> </TEI> [622/0640]
pba_622.001
lung sich als eine einfache, gradaus verlaufende Gerichtsverhandlung pba_622.002
darstellt, so ist jene Sinneswandlung das Resultat eines Vergleiches, der pba_622.003
dem unterliegenden Teil von dem obsiegenden in Anerkennung seines pba_622.004
wohlbegründeten Rechtes geboten wird. Dagegen steht es außer Zweifel, pba_622.005
daß in dem Stücke die Sache der besonnenen, nach den Motiven der pba_622.006
That und nach ihrem inneren Sinne urteilenden Gerechtigkeit, für die pba_622.007
Apollon und Athene einstehen, geführt wird gegen die blinde Rache für pba_622.008
vergossenes Blut, die die Erinnyen vertreten. Eine Jdee also ist es, pba_622.009
die durch dieses Stück der Empfindung zur Gewißheit gebracht wird, 1 pba_622.010
und das Forum der Empfindung ist es auch, vor dem in durchgeführtem pba_622.011
kontradiktorischem Verfahren das pro und contra abgewogen wird, indem pba_622.012
von beiden Seiten die Affekte das Unwillens, ja der heftigsten Empörung pba_622.013
sich gegenübertreten, bis sie endlich ihre Einigung im gegenseitigen Wohlwollen, pba_622.014
in vollster Befriedigung, ja in hoher Freude finden. Das sind pba_622.015
die charakteristischen Züge des Schauspiels, nicht der Tragödie. Wie pba_622.016
kommt es nun aber, daß dieses Drama nicht allein immer für eine pba_622.017
Tragödie gegolten hat, sondern daß es in der That auch durch und pba_622.018
durch von den tragischen Affekten erfüllt ist, die an Kraft, Tiefe und pba_622.019
kathartischer Wirkung den durch die Tragödie hervorgebrachten nichts pba_622.020
nachgeben? Die ebenso einfache als überraschende Lösung ist die, daß pba_622.021
es die kathartische Läuterung der tragischen Affekte selbst ist, pba_622.022
ihre Reinigung und Entsühnung von dem Gewaltsamen, Überheftigen, pba_622.023
Ungemäßigten, ihre Umwandlung zu klarem, in sich gefestigtem, dauerndem, pba_622.024
schönem Empfinden, die den ideellen Gehalt der vorgeführten Schauspielhandlung pba_622.025
bilden.
pba_622.026
Ein tragisches Element bildet allerdings in dem Drama das pba_622.027
„Pathetisch-Leidvolle“, das darin zur Entfaltung kommt: das schwere pba_622.028
Seelenleiden des Orestes und die drastisch furchtbare Erscheinung der pba_622.029
Erinnyen. Aber das sind eben nur tragische Färbungen, das Gemälde pba_622.030
der Handlung selbst enthält die tragische Anlage und Durchführung nicht.
pba_622.031
Die Handlung der „Eumeniden“ ist, wozu das Schauspiel seiner pba_622.032
Natur nach neigt, durchweg symbolisch angelegt, wie das schon von pba_622.033
A. W. Schlegel bemerkt ist. 2 Durch diese Behandlungsweise gelangt
1 pba_622.034
Vgl. oben S. 366.
2 pba_622.035
Obwohl dessen Deutung viel zu sehr am äußerlichen haften bleibt! S. a a. O., pba_622.036
S. 338: „Eumeniden: Tragische Höhe gleich Anfang. — Orestes ganz als Werkzeug pba_622.037
vom Schicksal gelenkt. Das freie Handeln in eine höhere Sphäre übergegangen. pba_622.038
Pallas eigentlich Hauptperson. Die Kollision des Heiligsten als Zwist in der Götterwelt pba_622.039
ausgedrückt. — Symbolische Deutung des Ganzen. — Titanen überhaupt pba_622.040
die dunkeln Urkräfte. Die jüngeren Götter, was mehr in den Kreis des Bewußtseins
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |