Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_623.001 pba_623.015 pba_623.027
tritt. -- Die Eumeniden -- furchtbare Gewalt des Gewissens, insofern es keinen Vernunftgründen pba_623.028 weicht. Apoll, Gott der Jugend, der edlen Aufwallung der Leidenschaft, pba_623.029 der kühnen That. Pallas, besonnene Weisheit, Gerechtigkeit, Milde. Anlaß zu pba_623.030 zu der allegorischen Deutung schon in den ersten Scenen. (Das Schlafen im Tempel pba_623.031 symbolisch, ebenso die Erscheinung der Klytämnestra und mehrmals ihre Anreden ganz pba_623.032 symbolisch.) Recht des Flüchtlings. Weise Veranstaltung der Priester. -- Verherrlichung pba_623.033 Athens. Zuerst Delphi als religiöser Mittelpunkt. Kann den Orest doch nur pba_623.034 für den ersten Moment schützen, nicht ganz frei machen. Athen das Land der Gesetzmäßigkeit pba_623.035 und Menschlichkeit. -- Einsetzung des Areopag, ein unbestechlicher, aber pba_623.036 dennoch milder Gerichtshof. Das weiße Steinchen der Pallas. Aus einem entsetzlichen pba_623.037 Cyklus von Verbrechen geht eine Anstalt hervor, die ein Segen für die Menschheit pba_623.038 wurde. -- Bedeutung der Aufnahme der besänftigten Furien in das athenische pba_623.039 Gebiet. Nicht zu überschreitende Grenze im menschlichen Gemüt, ehrfurchtsvolle Vermeidung pba_623.040 um innern Frieden zu bewahren." Das hier Angedeutete ist in den "Dramaturgischen pba_623.041 Vorlesungen" ausgeführt, ohne verändert oder erweitert zu werden. pba_623.001 pba_623.015 pba_623.027
tritt. — Die Eumeniden — furchtbare Gewalt des Gewissens, insofern es keinen Vernunftgründen pba_623.028 weicht. Apoll, Gott der Jugend, der edlen Aufwallung der Leidenschaft, pba_623.029 der kühnen That. Pallas, besonnene Weisheit, Gerechtigkeit, Milde. Anlaß zu pba_623.030 zu der allegorischen Deutung schon in den ersten Scenen. (Das Schlafen im Tempel pba_623.031 symbolisch, ebenso die Erscheinung der Klytämnestra und mehrmals ihre Anreden ganz pba_623.032 symbolisch.) Recht des Flüchtlings. Weise Veranstaltung der Priester. — Verherrlichung pba_623.033 Athens. Zuerst Delphi als religiöser Mittelpunkt. Kann den Orest doch nur pba_623.034 für den ersten Moment schützen, nicht ganz frei machen. Athen das Land der Gesetzmäßigkeit pba_623.035 und Menschlichkeit. — Einsetzung des Areopag, ein unbestechlicher, aber pba_623.036 dennoch milder Gerichtshof. Das weiße Steinchen der Pallas. Aus einem entsetzlichen pba_623.037 Cyklus von Verbrechen geht eine Anstalt hervor, die ein Segen für die Menschheit pba_623.038 wurde. — Bedeutung der Aufnahme der besänftigten Furien in das athenische pba_623.039 Gebiet. Nicht zu überschreitende Grenze im menschlichen Gemüt, ehrfurchtsvolle Vermeidung pba_623.040 um innern Frieden zu bewahren.“ Das hier Angedeutete ist in den „Dramaturgischen pba_623.041 Vorlesungen“ ausgeführt, ohne verändert oder erweitert zu werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0641" n="623"/><lb n="pba_623.001"/> das Ethische der Handlung nur zu indirekter Darstellung, es ist durch <lb n="pba_623.002"/> den symbolischen Vorgang mehr angedeutet als nachgeahmt. Obgleich es <lb n="pba_623.003"/> sich um die Entsühnung des Orestes handelt, so tritt dieser doch persönlich <lb n="pba_623.004"/> zurück; die Erinnyen selbst sind der Held des Dramas, und ihr Streit <lb n="pba_623.005"/> mit den jüngeren Göttern ist der Jnhalt des Schauspiels: Orests Sache <lb n="pba_623.006"/> ist damit zugleich die der Götter und Menschen, und von diesem Standpunkt <lb n="pba_623.007"/> aus findet die ganze symbolische Verhandlung statt, deren Entscheidung <lb n="pba_623.008"/> mit der Heilung und Entsühnung des Orestes und der principiellen <lb n="pba_623.009"/> Klärung des in Betreff seiner schwebenden dunkeln, menschliche <lb n="pba_623.010"/> und göttliche Gerechtigkeit gleich stark angehenden Problems zugleich die <lb n="pba_623.011"/> Läuterung der durch dasselbe so mächtig aufgeregten Empfindungen mit <lb n="pba_623.012"/> sich bringt: — eine <hi rendition="#g">theoretische Darstellung der tragischen <lb n="pba_623.013"/> Katharsis</hi> durch das Mittel eines in höchster dramatischer Lebendigkeit <lb n="pba_623.014"/> vorgeführten, symbolischen Schauspiels.</p> <p><lb n="pba_623.015"/> Die „Grabesspenderinnen“ betonen mit weit überwiegendem Nachdruck <lb n="pba_623.016"/> die Forderung der Dike; wie die Gottheit selbst, so verlangen <lb n="pba_623.017"/> sie von Orestes die Ausübung jener hohen Gerechtigkeit, als deren Vollstrecker <lb n="pba_623.018"/> er unsträflich erscheint. <hi rendition="#g">Daß</hi> er die Rache an der Mutter <lb n="pba_623.019"/> vollzieht, ist göttliches Gebot, das <hi rendition="#g">Wie</hi> dieser Vollziehung jedoch findet <lb n="pba_623.020"/> ihn in jener allgemeinen Schwäche der irrenden Menschheit, <hi rendition="#g">die keinen <lb n="pba_623.021"/> Sterblichen solchen Richteramtes würdig erscheinen läßt.</hi> <lb n="pba_623.022"/> Vom Schicksal gezwungen übernimmt er es, ihm bleibt kein Ausweg, <lb n="pba_623.023"/> und so verfällt er durch das Schicksal der verzweifelnden Erkenntnis, <lb n="pba_623.024"/> daß er über das dem Menschen Erlaubte Hinausgehendes, daß er Unmenschliches <lb n="pba_623.025"/> gethan. Er wird unschuldig-schuldig ein Raub der ihn <lb n="pba_623.026"/> mit Wahnsinnsangst folternden Gorgonen. So die „Choephoren“ des <note xml:id="pba_622_2b" prev="#pba_622_2a" place="foot" n="2"><lb n="pba_623.027"/> tritt. — Die Eumeniden — furchtbare Gewalt des Gewissens, insofern es keinen Vernunftgründen <lb n="pba_623.028"/> weicht. Apoll, Gott der Jugend, der edlen Aufwallung der Leidenschaft, <lb n="pba_623.029"/> der kühnen That. Pallas, besonnene Weisheit, Gerechtigkeit, Milde. Anlaß zu <lb n="pba_623.030"/> zu der allegorischen Deutung schon in den ersten Scenen. (Das Schlafen im Tempel <lb n="pba_623.031"/> symbolisch, ebenso die Erscheinung der Klytämnestra und mehrmals ihre Anreden ganz <lb n="pba_623.032"/> symbolisch.) Recht des Flüchtlings. Weise Veranstaltung der Priester. — Verherrlichung <lb n="pba_623.033"/> Athens. Zuerst Delphi als religiöser Mittelpunkt. Kann den Orest doch nur <lb n="pba_623.034"/> für den ersten Moment schützen, nicht ganz frei machen. Athen das Land der Gesetzmäßigkeit <lb n="pba_623.035"/> und Menschlichkeit. — Einsetzung des Areopag, ein unbestechlicher, aber <lb n="pba_623.036"/> dennoch milder Gerichtshof. Das weiße Steinchen der Pallas. Aus einem entsetzlichen <lb n="pba_623.037"/> Cyklus von Verbrechen geht eine Anstalt hervor, die ein Segen für die Menschheit <lb n="pba_623.038"/> wurde. — Bedeutung der Aufnahme der besänftigten Furien in das athenische <lb n="pba_623.039"/> Gebiet. Nicht zu überschreitende Grenze im menschlichen Gemüt, ehrfurchtsvolle Vermeidung <lb n="pba_623.040"/> um innern Frieden zu bewahren.“ Das hier Angedeutete ist in den „Dramaturgischen <lb n="pba_623.041"/> Vorlesungen“ ausgeführt, ohne verändert oder erweitert zu werden.</note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [623/0641]
pba_623.001
das Ethische der Handlung nur zu indirekter Darstellung, es ist durch pba_623.002
den symbolischen Vorgang mehr angedeutet als nachgeahmt. Obgleich es pba_623.003
sich um die Entsühnung des Orestes handelt, so tritt dieser doch persönlich pba_623.004
zurück; die Erinnyen selbst sind der Held des Dramas, und ihr Streit pba_623.005
mit den jüngeren Göttern ist der Jnhalt des Schauspiels: Orests Sache pba_623.006
ist damit zugleich die der Götter und Menschen, und von diesem Standpunkt pba_623.007
aus findet die ganze symbolische Verhandlung statt, deren Entscheidung pba_623.008
mit der Heilung und Entsühnung des Orestes und der principiellen pba_623.009
Klärung des in Betreff seiner schwebenden dunkeln, menschliche pba_623.010
und göttliche Gerechtigkeit gleich stark angehenden Problems zugleich die pba_623.011
Läuterung der durch dasselbe so mächtig aufgeregten Empfindungen mit pba_623.012
sich bringt: — eine theoretische Darstellung der tragischen pba_623.013
Katharsis durch das Mittel eines in höchster dramatischer Lebendigkeit pba_623.014
vorgeführten, symbolischen Schauspiels.
pba_623.015
Die „Grabesspenderinnen“ betonen mit weit überwiegendem Nachdruck pba_623.016
die Forderung der Dike; wie die Gottheit selbst, so verlangen pba_623.017
sie von Orestes die Ausübung jener hohen Gerechtigkeit, als deren Vollstrecker pba_623.018
er unsträflich erscheint. Daß er die Rache an der Mutter pba_623.019
vollzieht, ist göttliches Gebot, das Wie dieser Vollziehung jedoch findet pba_623.020
ihn in jener allgemeinen Schwäche der irrenden Menschheit, die keinen pba_623.021
Sterblichen solchen Richteramtes würdig erscheinen läßt. pba_623.022
Vom Schicksal gezwungen übernimmt er es, ihm bleibt kein Ausweg, pba_623.023
und so verfällt er durch das Schicksal der verzweifelnden Erkenntnis, pba_623.024
daß er über das dem Menschen Erlaubte Hinausgehendes, daß er Unmenschliches pba_623.025
gethan. Er wird unschuldig-schuldig ein Raub der ihn pba_623.026
mit Wahnsinnsangst folternden Gorgonen. So die „Choephoren“ des 2
2 pba_623.027
tritt. — Die Eumeniden — furchtbare Gewalt des Gewissens, insofern es keinen Vernunftgründen pba_623.028
weicht. Apoll, Gott der Jugend, der edlen Aufwallung der Leidenschaft, pba_623.029
der kühnen That. Pallas, besonnene Weisheit, Gerechtigkeit, Milde. Anlaß zu pba_623.030
zu der allegorischen Deutung schon in den ersten Scenen. (Das Schlafen im Tempel pba_623.031
symbolisch, ebenso die Erscheinung der Klytämnestra und mehrmals ihre Anreden ganz pba_623.032
symbolisch.) Recht des Flüchtlings. Weise Veranstaltung der Priester. — Verherrlichung pba_623.033
Athens. Zuerst Delphi als religiöser Mittelpunkt. Kann den Orest doch nur pba_623.034
für den ersten Moment schützen, nicht ganz frei machen. Athen das Land der Gesetzmäßigkeit pba_623.035
und Menschlichkeit. — Einsetzung des Areopag, ein unbestechlicher, aber pba_623.036
dennoch milder Gerichtshof. Das weiße Steinchen der Pallas. Aus einem entsetzlichen pba_623.037
Cyklus von Verbrechen geht eine Anstalt hervor, die ein Segen für die Menschheit pba_623.038
wurde. — Bedeutung der Aufnahme der besänftigten Furien in das athenische pba_623.039
Gebiet. Nicht zu überschreitende Grenze im menschlichen Gemüt, ehrfurchtsvolle Vermeidung pba_623.040
um innern Frieden zu bewahren.“ Das hier Angedeutete ist in den „Dramaturgischen pba_623.041
Vorlesungen“ ausgeführt, ohne verändert oder erweitert zu werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |