Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_640.001 pba_640.009 pba_640.030
El.all' ouk ek sethen pba_640.031 okteireth' outos, oud' o gennesas pater. pba_640.032 Khor. o polis, o gennea talaina, nun se pba_640.033 moira kathameria phthinei, phthinei. pba_640.034 Kl. omoi peplegmai. pba_640.035 El.paison, ei stheneis, diplen. pba_640.036 Kl. omoi mal' aithis. pba_640.037 El.ei gar Aigistho g' omou. pba_640.038 Khor. telous' arai. Zosin oi gas upo keimenoi. pba_640.039 palirruton gar aim' upexairousi ton pba_640.040 ktanonton oi palai thanontes. pba_640.001 pba_640.009 pba_640.030
Ηλ.ἀλλ' οὐκ ἐκ σέθεν pba_640.031 ᾤκτειρεθ' οὗτος, οὐδ' ὁ γεννήσας πατήρ. pba_640.032 Χορ. ὦ πόλις, ὦ γεννεὰ τάλαινα, νῦν σε pba_640.033 μοῖρα καθαμερία φθίνει, φθίνει. pba_640.034 Κλ. ὤμοι πέπληγμαι. pba_640.035 Ηλ.παῖσον, εἰ σθένεις, διπλῆν. pba_640.036 Κλ. ὤμοι μάλ' αἶθις. pba_640.037 Ηλ.εἰ γὰρ Αἰγίσθῳ γ' ὁμοῦ. pba_640.038 Χορ. τελοῦσ' ἀραί. Ζῶσίν οἱ γᾶς ὑπὸ κείμενοι. pba_640.039 παλίρρυτον γὰρ αἷμ' ὑπεξαιροῦσι τῶν pba_640.040 κτανόντων οἱ πάλαι θανόντες. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0658" n="640"/> <p><lb n="pba_640.001"/> Wie die verkörperte <hi rendition="#g">Ate,</hi> wie die <hi rendition="#g">Fluch-Erinnys</hi> des Hauses <lb n="pba_640.002"/> verschärft Elektra das Entsetzliche der That durch ihre Verwünschungen, <lb n="pba_640.003"/> während der doch mit seinem Empfinden weit minder beteiligte, ja durch <lb n="pba_640.004"/> die erlösende Rache eher zur aufatmenden Freude berechtigte Chor tief <lb n="pba_640.005"/> erschüttert, von <hi rendition="#g">Furcht und Mitleid</hi> bewegt, dem Schrecklichen mit <lb n="pba_640.006"/> ernstem, frommem Schauder gegenübersteht. Wie wäre es möglich, daß <lb n="pba_640.007"/> dieser grell hervorstechende Zug von dem Dichter ohne eine tief begründete <lb n="pba_640.008"/> Absicht verwendet sein sollte?</p> <p><lb n="pba_640.009"/> Sophokles hat die <hi rendition="#g">Orestie als solche</hi> nicht zum Gegenstande <lb n="pba_640.010"/> seiner Tragödie gemacht; die Rachethat des Orestes bildet für die Handlung <lb n="pba_640.011"/> seines Stückes nur einen, allerdings unentbehrlichen Umstand. <lb n="pba_640.012"/> Der Jnhalt dieser Handlung ist das tragische Leiden der Tochter Agamemnons <lb n="pba_640.013"/> in dem durch den Mord des Vaters, durch das schmachvolle <lb n="pba_640.014"/> Treiben der Mutter und ihres gleich verächtlichen und gewaltthätigen <lb n="pba_640.015"/> Buhlen geschändeten Atridenhause, dieses Leiden verschärft durch ihre <lb n="pba_640.016"/> heroische Natur, die unfähig ist der Schande des Geschlechts schweigend <lb n="pba_640.017"/> zuzuschauen und nicht, wie sie mit ganzer Seele sie haßt, sie auch mit <lb n="pba_640.018"/> grenzenloser Hingebung zu bekämpfen; dieses Leiden zum Gipfel gesteigert <lb n="pba_640.019"/> durch den vermeintlichen Tod des Bruders, des geliebtesten <lb n="pba_640.020"/> Wesens, und durch den Verlust aller Hoffnung, verbunden mit der <lb n="pba_640.021"/> drohenden Aussicht auf äußerste Mißhandlung, ja den qualvollsten Tod: <lb n="pba_640.022"/> endlich durch eine erlösende <hi rendition="#g">Erkennung</hi> all dieses Unglücklichste abgewandt, <lb n="pba_640.023"/> das lange, schwere Leiden durch die Erfüllung der ersehnten <lb n="pba_640.024"/> sühnenden Rache geendigt, aber geendigt doch nur durch die furchtbarste <lb n="pba_640.025"/> Schreckensthat, den Mord der eigenen Mutter! Den Mord selbst zu <lb n="pba_640.026"/> vollziehen, erspart ihr das Schicksal, aber <hi rendition="#g">ihr tragisches Schicksal</hi> <lb n="pba_640.027"/> ist es, daß sie nach der Natur ihres Wesens — ihrer <foreign xml:lang="grc">φύσις</foreign>, die der <lb n="pba_640.028"/> Dichter sie so bedeutsam selbst bezeichnen läßt: die <foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">φύσις</hi></foreign>, die „<hi rendition="#g">Natur</hi>“ <lb n="pba_640.029"/> dazu den Mord des Vaters zu strafen, hatte sie schon im zartesten <note xml:id="pba_639_1b" prev="#pba_639_1a" place="foot" n="1"><lb n="pba_640.030"/><hi rendition="#right"><foreign xml:lang="grc">Ηλ</foreign>.<foreign xml:lang="grc">ἀλλ' οὐκ ἐκ σέθεν</foreign><lb n="pba_640.031"/><foreign xml:lang="grc">ᾤκτειρεθ' οὗτος, οὐδ' ὁ γεννήσας πατήρ</foreign>. <lb n="pba_640.032"/><foreign xml:lang="grc">Χορ</foreign>. <foreign xml:lang="grc">ὦ πόλις, ὦ γεννεὰ τάλαινα, νῦν σε</foreign><lb n="pba_640.033"/><foreign xml:lang="grc">μοῖρα καθαμερία φθίνει, φθίνει</foreign>. <lb n="pba_640.034"/><foreign xml:lang="grc">Κλ</foreign>. <foreign xml:lang="grc">ὤμοι πέπληγμαι</foreign>. <lb n="pba_640.035"/><foreign xml:lang="grc">Ηλ</foreign>.<foreign xml:lang="grc">παῖσον, εἰ σθένεις, διπλῆν</foreign>. <lb n="pba_640.036"/><foreign xml:lang="grc">Κλ</foreign>. <foreign xml:lang="grc">ὤμοι μάλ' αἶθις</foreign>. <lb n="pba_640.037"/><foreign xml:lang="grc">Ηλ</foreign>.<foreign xml:lang="grc">εἰ γὰρ Αἰγίσθῳ γ' ὁμοῦ</foreign>. <lb n="pba_640.038"/><foreign xml:lang="grc">Χορ</foreign>. <foreign xml:lang="grc">τελοῦσ' ἀραί</foreign>. <foreign xml:lang="grc">Ζῶσίν οἱ γᾶς ὑπὸ κείμενοι</foreign>. <lb n="pba_640.039"/><foreign xml:lang="grc">παλίρρυτον γὰρ αἷμ' ὑπεξαιροῦσι τῶν</foreign><lb n="pba_640.040"/><foreign xml:lang="grc">κτανόντων οἱ πάλαι θανόντες</foreign>.</hi></note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [640/0658]
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Wie die verkörperte Ate, wie die Fluch-Erinnys des Hauses pba_640.002
verschärft Elektra das Entsetzliche der That durch ihre Verwünschungen, pba_640.003
während der doch mit seinem Empfinden weit minder beteiligte, ja durch pba_640.004
die erlösende Rache eher zur aufatmenden Freude berechtigte Chor tief pba_640.005
erschüttert, von Furcht und Mitleid bewegt, dem Schrecklichen mit pba_640.006
ernstem, frommem Schauder gegenübersteht. Wie wäre es möglich, daß pba_640.007
dieser grell hervorstechende Zug von dem Dichter ohne eine tief begründete pba_640.008
Absicht verwendet sein sollte?
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Sophokles hat die Orestie als solche nicht zum Gegenstande pba_640.010
seiner Tragödie gemacht; die Rachethat des Orestes bildet für die Handlung pba_640.011
seines Stückes nur einen, allerdings unentbehrlichen Umstand. pba_640.012
Der Jnhalt dieser Handlung ist das tragische Leiden der Tochter Agamemnons pba_640.013
in dem durch den Mord des Vaters, durch das schmachvolle pba_640.014
Treiben der Mutter und ihres gleich verächtlichen und gewaltthätigen pba_640.015
Buhlen geschändeten Atridenhause, dieses Leiden verschärft durch ihre pba_640.016
heroische Natur, die unfähig ist der Schande des Geschlechts schweigend pba_640.017
zuzuschauen und nicht, wie sie mit ganzer Seele sie haßt, sie auch mit pba_640.018
grenzenloser Hingebung zu bekämpfen; dieses Leiden zum Gipfel gesteigert pba_640.019
durch den vermeintlichen Tod des Bruders, des geliebtesten pba_640.020
Wesens, und durch den Verlust aller Hoffnung, verbunden mit der pba_640.021
drohenden Aussicht auf äußerste Mißhandlung, ja den qualvollsten Tod: pba_640.022
endlich durch eine erlösende Erkennung all dieses Unglücklichste abgewandt, pba_640.023
das lange, schwere Leiden durch die Erfüllung der ersehnten pba_640.024
sühnenden Rache geendigt, aber geendigt doch nur durch die furchtbarste pba_640.025
Schreckensthat, den Mord der eigenen Mutter! Den Mord selbst zu pba_640.026
vollziehen, erspart ihr das Schicksal, aber ihr tragisches Schicksal pba_640.027
ist es, daß sie nach der Natur ihres Wesens — ihrer φύσις, die der pba_640.028
Dichter sie so bedeutsam selbst bezeichnen läßt: die φύσις, die „Natur“ pba_640.029
dazu den Mord des Vaters zu strafen, hatte sie schon im zartesten 1
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Ηλ.ἀλλ' οὐκ ἐκ σέθεν pba_640.031
ᾤκτειρεθ' οὗτος, οὐδ' ὁ γεννήσας πατήρ. pba_640.032
Χορ. ὦ πόλις, ὦ γεννεὰ τάλαινα, νῦν σε pba_640.033
μοῖρα καθαμερία φθίνει, φθίνει. pba_640.034
Κλ. ὤμοι πέπληγμαι. pba_640.035
Ηλ.παῖσον, εἰ σθένεις, διπλῆν. pba_640.036
Κλ. ὤμοι μάλ' αἶθις. pba_640.037
Ηλ.εἰ γὰρ Αἰγίσθῳ γ' ὁμοῦ. pba_640.038
Χορ. τελοῦσ' ἀραί. Ζῶσίν οἱ γᾶς ὑπὸ κείμενοι. pba_640.039
παλίρρυτον γὰρ αἷμ' ὑπεξαιροῦσι τῶν pba_640.040
κτανόντων οἱ πάλαι θανόντες.
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