pba_070.001 facher Wiederholung zu ängstigendem Bewußsein gebracht, endlich auf pba_070.002 den ethisch bedeutsamsten Teil der Handlung das hellste Licht geworfen pba_070.003 und hier die höchste lyrische Kraft entfaltet! Nur der Schluß hätte unverändert pba_070.004 aus dem Schillerschen Gedicht übernommen werden können:
pba_070.005
Da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick,pba_070.006 Es kommen, es kommen die Wasser all',pba_070.007 Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,pba_070.008 Den Jüngling bringt keines wieder.
pba_070.009 Eine andere Ausartung der Ballade entsteht, wenn das Jnteresse pba_070.010 der Handlung auf dem historischen Charakter der Episode oder Anekdote pba_070.011 beruht, die mitgeteilt wird; ob das in der trockensten Weise geschieht pba_070.012 oder mit hochpoetischem Schmuck, ändert nichts daran, daß der Balladenzweck pba_070.013 damit von vornherein verfehlt ist.
pba_070.014 Unter diesem Mißgriff leidet Schillers "Graf von Habsburg". pba_070.015 Unvergänglich bleibt dessenungeachtet das Gedicht durch seine einzelnen pba_070.016 Schönheiten, aber die höchste eine Schönheit, durch Einheit des pba_070.017 Kunstzweckes als ein Maximum innerhalb der Gattung die Forderungen pba_070.018 derselben ganz zu erfüllen, entgeht ihm. Sehr unterrichtend ist die Feststellung, pba_070.019 worin denn nun jene einzelnen Schönheiten bestehen: es ist pba_070.020 der Hoch- und Edelsinn des Kaisers, den die Dichtung uns vorführt, pba_070.021 seine echt fürstliche und echt menschliche Liebe zur Kunst und jenes köstliche pba_070.022 Anerkenntnis ihrer göttlichen Würde und unantastbaren Freiheit; pba_070.023 es ist ferner die Verherrlichung seiner frommen und echt bescheidenen pba_070.024 Gesinnung. Was der Dichtung ihre Schönheit verleiht, ist also durchweg pba_070.025 die Verkörperung einzelner ethischer Züge, welche sich ja wohl auch pba_070.026 zu dem Gesamtbilde eines weisen, frommen und freundlichen Fürsten pba_070.027 vereinigen: nur daß die Gesamthandlung nun auf etwas ganz Anderes pba_070.028 hinausläuft, auf den äußerlichen Zufall, daß der Sänger des Krönungsfestes pba_070.029 aus eigenster Erfahrung von der kirchlichen Ergebenheit, oder sagen pba_070.030 wir auch von der frommen Demut, des ehemaligen Grafen Zeugnis abzulegen pba_070.031 imstande ist; eine überraschende und erfreuende Wendung, die pba_070.032 aber weder die erschütternde Wirkung auf den Hörer ausüben kann, mit pba_070.033 der sie den zunächst Beteiligten ergreift, noch ihm die Ueberzeugung von pba_070.034 dem mystischen Zusammenhange des Ereignisses mit der Kaiserwahl mitzuteilen pba_070.035 vermag, welchen das Gedicht am Schlusse dunkel ahnen läßt.
pba_070.036 Noch ferner ab liegen die anekdotenhaften Erzählungen, welche etwa pba_070.037 auf ein epigrammatisches Wort oder auf eine Pointe hinauslaufen. Doch pba_070.038 wenn es hier nahe liegt, etwa wieder an ein Schillersches Beispiel "Der pba_070.039 Handschuh" zu denken, so führt die Betrachtung dieses Gedichtes in pba_070.040 einen ganz neuen Kreis.
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den ethisch bedeutsamsten Teil der Handlung das hellste Licht geworfen pba_070.003
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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