der Natur, im Ideale aufgefaßt, ebenso ergötzen, als der Fantasie Nahrung und Schwung geben, dem Gemüthe in einer Stimmung entsprechen oder eine neue hervorrufen. Es wetteifern in ihr die Malerei, Bildnerei und die Baukunst dermaßen, daß sie mit Recht in das Gebiet der bildenden Künste gehört. Diese drei Künste und Gärtnerei sind ihre Hilfswissenschaften. Sie selbst aber ist als Kunst schon sehr alt, denn schon die ältesten, uns bekannten, Völker haben sie in hohem Grade besessen1).
1) Zur Literatur: Die Lehr- und Handbücher der Gärtnerei (§. 183.a.), insbesondere aber Loudon Encyclopädie des Gartenwesens. II. 1351. Noisette Handbuch der Gartenkunst, übersetzt von Sigwart. I. Bd. 1. Thl. III. u. IV. Bd. Metzger Gartenbuch. S. 336. Leibitzer, der Gartenbau. IV. Bdchn. 1832.
I. Allgemeine Grundsätze.
§. 245. Die allgemeinen Grundsätze des Lustgartenbaues sind:
1) Jene der Land- und Forstwirthschaft, wie sie bereits oben angegeben sind und hier nicht wiederholt zu werden brauchen. Sie treten aber auch mit einer Eigenthümlichkeit hier auf, in so ferne als man bei der ersten mechanischen Bearbeitung oder Gestal- tung des Bodens schon auf die besonderen Anlagen Rücksicht neh- men muß.
2) Jene der genannten Künste, wie sie das Schöne in einen manchfaltigen Idealen nach dem allgemeinen Prinzipe der Aesthetik darzustellen suchen. Darin entscheidet das Genie und der gute Geschmack, welche sich über dasjenige ausbreiten, was als Grundcharakter des Ideales einer Zeit sich dargestellt hat. So wie die Alten als Grundcharakter ihres Ideales die Ruhe (das Tragische) erkannten, so scheint in der neueren Zeit derselben in der Bewegtheit (dem Romantischen) zu liegen. Aus Beiden ist die Steifheit und Verzerrung verbannt, oder sollte es wenig- stens sein.
In der Geschichte jeder Kunst erscheinen aber Abschnitte, in welchen man sich im wahrhaft Unästhetischen bewegte, und es ist zu bedauern, wenn sich dieses zu einem sogenannten Style einge- bürgert hat. Auch in der Lustgartenkunst ist dies geschehen, so daß man jetzt den geometrischen und den natürlichen Styl unter- scheidet. Jener, auch altfranzösischer Styl genannt, unterwirft das Wellenförmige und unregelmäßige Manchfaltige in der Natur der geometrischen Construktion, und den frischen Wuchs des Baum- schlages zu Dächern, Kronen, Gebüschen u. s. w. der Gartenscheere,
der Natur, im Ideale aufgefaßt, ebenſo ergötzen, als der Fantaſie Nahrung und Schwung geben, dem Gemüthe in einer Stimmung entſprechen oder eine neue hervorrufen. Es wetteifern in ihr die Malerei, Bildnerei und die Baukunſt dermaßen, daß ſie mit Recht in das Gebiet der bildenden Künſte gehört. Dieſe drei Künſte und Gärtnerei ſind ihre Hilfswiſſenſchaften. Sie ſelbſt aber iſt als Kunſt ſchon ſehr alt, denn ſchon die älteſten, uns bekannten, Völker haben ſie in hohem Grade beſeſſen1).
1) Zur Literatur: Die Lehr- und Handbücher der Gärtnerei (§. 183.a.), insbeſondere aber Loudon Encyclopädie des Gartenweſens. II. 1351. Noiſette Handbuch der Gartenkunſt, überſetzt von Sigwart. I. Bd. 1. Thl. III. u. IV. Bd. Metzger Gartenbuch. S. 336. Leibitzer, der Gartenbau. IV. Bdchn. 1832.
I. Allgemeine Grundſätze.
§. 245. Die allgemeinen Grundſätze des Luſtgartenbaues ſind:
1) Jene der Land- und Forſtwirthſchaft, wie ſie bereits oben angegeben ſind und hier nicht wiederholt zu werden brauchen. Sie treten aber auch mit einer Eigenthümlichkeit hier auf, in ſo ferne als man bei der erſten mechaniſchen Bearbeitung oder Geſtal- tung des Bodens ſchon auf die beſonderen Anlagen Rückſicht neh- men muß.
2) Jene der genannten Künſte, wie ſie das Schöne in einen manchfaltigen Idealen nach dem allgemeinen Prinzipe der Aeſthetik darzuſtellen ſuchen. Darin entſcheidet das Genie und der gute Geſchmack, welche ſich über dasjenige ausbreiten, was als Grundcharakter des Ideales einer Zeit ſich dargeſtellt hat. So wie die Alten als Grundcharakter ihres Ideales die Ruhe (das Tragiſche) erkannten, ſo ſcheint in der neueren Zeit derſelben in der Bewegtheit (dem Romantiſchen) zu liegen. Aus Beiden iſt die Steifheit und Verzerrung verbannt, oder ſollte es wenig- ſtens ſein.
In der Geſchichte jeder Kunſt erſcheinen aber Abſchnitte, in welchen man ſich im wahrhaft Unäſthetiſchen bewegte, und es iſt zu bedauern, wenn ſich dieſes zu einem ſogenannten Style einge- bürgert hat. Auch in der Luſtgartenkunſt iſt dies geſchehen, ſo daß man jetzt den geometriſchen und den natürlichen Styl unter- ſcheidet. Jener, auch altfranzöſiſcher Styl genannt, unterwirft das Wellenförmige und unregelmäßige Manchfaltige in der Natur der geometriſchen Conſtruktion, und den friſchen Wuchs des Baum- ſchlages zu Dächern, Kronen, Gebüſchen u. ſ. w. der Gartenſcheere,
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der Natur, im Ideale aufgefaßt, ebenſo ergötzen, als der Fantaſie
Nahrung und Schwung geben, dem Gemüthe in einer Stimmung
entſprechen oder eine neue hervorrufen. Es wetteifern in ihr die
Malerei, Bildnerei und die Baukunſt dermaßen, daß ſie mit Recht
in das Gebiet der bildenden Künſte gehört. Dieſe drei Künſte und
Gärtnerei ſind ihre Hilfswiſſenſchaften. Sie ſelbſt aber iſt als
Kunſt ſchon ſehr alt, denn ſchon die älteſten, uns bekannten,
Völker haben ſie in hohem Grade beſeſſen1).
¹⁾ Zur Literatur: Die Lehr- und Handbücher der Gärtnerei (§. 183.a.),
insbeſondere aber Loudon Encyclopädie des Gartenweſens. II. 1351. Noiſette
Handbuch der Gartenkunſt, überſetzt von Sigwart. I. Bd. 1. Thl. III. u. IV. Bd.
Metzger Gartenbuch. S. 336. Leibitzer, der Gartenbau. IV. Bdchn. 1832.
I. Allgemeine Grundſätze.
§. 245.
Die allgemeinen Grundſätze des Luſtgartenbaues ſind:
1) Jene der Land- und Forſtwirthſchaft, wie ſie bereits
oben angegeben ſind und hier nicht wiederholt zu werden brauchen.
Sie treten aber auch mit einer Eigenthümlichkeit hier auf, in ſo
ferne als man bei der erſten mechaniſchen Bearbeitung oder Geſtal-
tung des Bodens ſchon auf die beſonderen Anlagen Rückſicht neh-
men muß.
2) Jene der genannten Künſte, wie ſie das Schöne in
einen manchfaltigen Idealen nach dem allgemeinen Prinzipe der
Aeſthetik darzuſtellen ſuchen. Darin entſcheidet das Genie und der
gute Geſchmack, welche ſich über dasjenige ausbreiten, was als
Grundcharakter des Ideales einer Zeit ſich dargeſtellt hat. So
wie die Alten als Grundcharakter ihres Ideales die Ruhe (das
Tragiſche) erkannten, ſo ſcheint in der neueren Zeit derſelben in
der Bewegtheit (dem Romantiſchen) zu liegen. Aus Beiden iſt
die Steifheit und Verzerrung verbannt, oder ſollte es wenig-
ſtens ſein.
In der Geſchichte jeder Kunſt erſcheinen aber Abſchnitte, in
welchen man ſich im wahrhaft Unäſthetiſchen bewegte, und es iſt
zu bedauern, wenn ſich dieſes zu einem ſogenannten Style einge-
bürgert hat. Auch in der Luſtgartenkunſt iſt dies geſchehen, ſo daß
man jetzt den geometriſchen und den natürlichen Styl unter-
ſcheidet. Jener, auch altfranzöſiſcher Styl genannt, unterwirft
das Wellenförmige und unregelmäßige Manchfaltige in der Natur
der geometriſchen Conſtruktion, und den friſchen Wuchs des Baum-
ſchlages zu Dächern, Kronen, Gebüſchen u. ſ. w. der Gartenſcheere,
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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