Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

größere Landesdistrikte war der Großvogt, Vizedom oder Lan-
deshauptmann gestellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus
den Domänen und Gefällen war ihm ein Kammer- oder Rent-
meister untergeordnet. Die Mittelbehörde war der Oberamt-
mann oder Amtshauptmann, meistens ein Adeliger. Als
Unterbehörden waren die Amtsverwalter, A. Schreiber, A.
Kellner oder wie sie sonst genannt wurden, über mehrere unter-
gebene Schreiber gestellt5).

1) Hüllmann Städtewesen. II. 255.
2) Miraei Opera diplomat. T. II. p 1252. Diplom. Philippi ducis Burgun-
diae de a. 1385.
Hüllmann, Gesch. der Domänenbenutzung. S. 68. Rau,
Ueber die Kameralwiss. §. 3.
3) Rau, Ueber die Kameralwissenschaft. §. 4.
4) Eichhorn, deutsche St. und R. Geschichte. III. S. 271. Hüllmann
Domänenbenutzung. S. 68.
5) Hüllmann Domänenbenutzung. S. 59-67. Eichhorn a. a. O. III.
S. 268. v. Löw, Gesch. der Reichs- und Terr. Verfassung. S. 297. §. 25.
§. 25.
Die deutsche Kammerverwaltung in den Reichslanden vom
Jahre
1518 bis z. J. 1648 und später.

Zu einem größeren Complexus von Geschäften wuchs die Kam-
merverwaltung nicht an. Nur die Postanstalt trat noch hinzu1).
Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die steigende Be-
völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung
des Gewerbswesens, die religiösen Spaltungen, das immer fühl-
barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten
und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit derselben eben
so, als sie die Uebersicht und Führung erschwerten2). Deshalb
nahm der Organismus der Oberbehörden einen bestimmteren Charak-
ter an. Der nächste Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein
Collegium unter dem Vorsitze des Kanzlers, Hofrath oder auch
Regirung genannt, beschäftigte sich jetzt neben seinen bisherigen
Justizgeschäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam-
merverwaltung, welchen man jetzt Regirungssachen, besonders
auch später noch Administration, nannte3). Zur Verwaltung
der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die sogenannte Hof-
kammer bestellt4). Nur in den einzelnen Provinzen größerer
Länder wurden auch Regirungscollegien errichtet, die unter
dem Hofrathe standen und das zu besorgen hatten, was nicht
Justizangelegenheiten war5), und in deren Bereich auch das
Steuerwesen kam. In den unteren Behörden bestand diese Tren-
nung der Justiz, Administration und des Finanzwesens nicht so

größere Landesdiſtrikte war der Großvogt, Vizedom oder Lan-
deshauptmann geſtellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus
den Domänen und Gefällen war ihm ein Kammer- oder Rent-
meiſter untergeordnet. Die Mittelbehörde war der Oberamt-
mann oder Amtshauptmann, meiſtens ein Adeliger. Als
Unterbehörden waren die Amtsverwalter, A. Schreiber, A.
Kellner oder wie ſie ſonſt genannt wurden, über mehrere unter-
gebene Schreiber geſtellt5).

1) Hüllmann Städteweſen. II. 255.
2) Miraei Opera diplomat. T. II. p 1252. Diplom. Philippi ducis Burgun-
diae de a. 1385.
Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 68. Rau,
Ueber die Kameralwiſſ. §. 3.
3) Rau, Ueber die Kameralwiſſenſchaft. §. 4.
4) Eichhorn, deutſche St. und R. Geſchichte. III. S. 271. Hüllmann
Domänenbenutzung. S. 68.
5) Hüllmann Domänenbenutzung. S. 59–67. Eichhorn a. a. O. III.
S. 268. v. Löw, Geſch. der Reichs- und Terr. Verfaſſung. S. 297. §. 25.
§. 25.
Die deutſche Kammerverwaltung in den Reichslanden vom
Jahre
1518 bis z. J. 1648 und ſpäter.

Zu einem größeren Complexus von Geſchäften wuchs die Kam-
merverwaltung nicht an. Nur die Poſtanſtalt trat noch hinzu1).
Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die ſteigende Be-
völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung
des Gewerbsweſens, die religiöſen Spaltungen, das immer fühl-
barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten
und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit derſelben eben
ſo, als ſie die Ueberſicht und Führung erſchwerten2). Deshalb
nahm der Organismus der Oberbehörden einen beſtimmteren Charak-
ter an. Der nächſte Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein
Collegium unter dem Vorſitze des Kanzlers, Hofrath oder auch
Regirung genannt, beſchäftigte ſich jetzt neben ſeinen bisherigen
Juſtizgeſchäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam-
merverwaltung, welchen man jetzt Regirungsſachen, beſonders
auch ſpäter noch Adminiſtration, nannte3). Zur Verwaltung
der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die ſogenannte Hof-
kammer beſtellt4). Nur in den einzelnen Provinzen größerer
Länder wurden auch Regirungscollegien errichtet, die unter
dem Hofrathe ſtanden und das zu beſorgen hatten, was nicht
Juſtizangelegenheiten war5), und in deren Bereich auch das
Steuerweſen kam. In den unteren Behörden beſtand dieſe Tren-
nung der Juſtiz, Adminiſtration und des Finanzweſens nicht ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0052" n="30"/>
größere Landesdi&#x017F;trikte war der <hi rendition="#g">Großvogt</hi>, <hi rendition="#g">Vizedom</hi> oder <hi rendition="#g">Lan</hi>-<lb/><hi rendition="#g">deshauptmann</hi> ge&#x017F;tellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus<lb/>
den Domänen und Gefällen war ihm ein <hi rendition="#g">Kammer</hi>- oder <hi rendition="#g">Rent</hi>-<lb/><hi rendition="#g">mei&#x017F;ter</hi> untergeordnet. Die Mittelbehörde war der <hi rendition="#g">Oberamt</hi>-<lb/><hi rendition="#g">mann</hi> oder <hi rendition="#g">Amtshauptmann</hi>, mei&#x017F;tens ein Adeliger. Als<lb/>
Unterbehörden waren die <hi rendition="#g">Amtsverwalter</hi>, A. <hi rendition="#g">Schreiber</hi>, A.<lb/><hi rendition="#g">Kellner</hi> oder wie &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t genannt wurden, über mehrere unter-<lb/>
gebene Schreiber ge&#x017F;tellt<hi rendition="#sup">5</hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="1)"><hi rendition="#g">Hüllmann</hi> Städtewe&#x017F;en. II. 255.</note><lb/>
            <note place="end" n="2)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Miraei</hi> Opera diplomat. T. II. p 1252. Diplom. Philippi ducis Burgun-<lb/>
diae de a. 1385.</hi><hi rendition="#g">Hüllmann</hi>, Ge&#x017F;ch. der Domänenbenutzung. S. 68. <hi rendition="#g">Rau</hi>,<lb/>
Ueber die Kameralwi&#x017F;&#x017F;. §. 3.</note><lb/>
            <note place="end" n="3)"><hi rendition="#g">Rau</hi>, Ueber die Kameralwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft. §. 4.</note><lb/>
            <note place="end" n="4)"><hi rendition="#g">Eichhorn</hi>, deut&#x017F;che St. und R. Ge&#x017F;chichte. III. S. 271. <hi rendition="#g">Hüllmann</hi><lb/>
Domänenbenutzung. S. 68.</note><lb/>
            <note place="end" n="5)"><hi rendition="#g">Hüllmann</hi> Domänenbenutzung. S. 59&#x2013;67. <hi rendition="#g">Eichhorn</hi> a. a. O. III.<lb/>
S. 268. v. <hi rendition="#g">Löw</hi>, Ge&#x017F;ch. der Reichs- und Terr. Verfa&#x017F;&#x017F;ung. S. 297. §. 25.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">§. 25.<lb/><hi rendition="#g">Die deut&#x017F;che Kammerverwaltung in den Reichslanden vom<lb/>
Jahre</hi> 1518 <hi rendition="#g">bis</hi> z. J. 1648 <hi rendition="#g">und &#x017F;päter</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p>Zu einem größeren Complexus von Ge&#x017F;chäften wuchs die Kam-<lb/>
merverwaltung nicht an. Nur die <hi rendition="#g">Po&#x017F;tan&#x017F;talt</hi> trat noch hinzu<hi rendition="#sup">1</hi>).<lb/>
Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die &#x017F;teigende Be-<lb/>
völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung<lb/>
des Gewerbswe&#x017F;ens, die religiö&#x017F;en Spaltungen, das immer fühl-<lb/>
barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten<lb/>
und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit der&#x017F;elben eben<lb/>
&#x017F;o, als &#x017F;ie die Ueber&#x017F;icht und Führung er&#x017F;chwerten<hi rendition="#sup">2</hi>). Deshalb<lb/>
nahm der Organismus der Oberbehörden einen be&#x017F;timmteren Charak-<lb/>
ter an. Der näch&#x017F;te Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein<lb/><hi rendition="#g">Collegium</hi> unter dem Vor&#x017F;itze des Kanzlers, <hi rendition="#g">Hofrath</hi> oder auch<lb/><hi rendition="#g">Regirung</hi> genannt, be&#x017F;chäftigte &#x017F;ich jetzt neben &#x017F;einen bisherigen<lb/>
Ju&#x017F;tizge&#x017F;chäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam-<lb/>
merverwaltung, welchen man jetzt <hi rendition="#g">Regirungs&#x017F;achen</hi>, be&#x017F;onders<lb/>
auch &#x017F;päter noch <hi rendition="#g">Admini&#x017F;tration</hi>, nannte<hi rendition="#sup">3</hi>). Zur Verwaltung<lb/>
der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die &#x017F;ogenannte <hi rendition="#g">Hof</hi>-<lb/><hi rendition="#g">kammer</hi> be&#x017F;tellt<hi rendition="#sup">4</hi>). Nur in den einzelnen Provinzen größerer<lb/>
Länder wurden auch <hi rendition="#g">Regirungscollegien</hi> errichtet, die unter<lb/>
dem Hofrathe &#x017F;tanden und das zu be&#x017F;orgen hatten, was nicht<lb/>
Ju&#x017F;tizangelegenheiten war<hi rendition="#sup">5</hi>), und in deren Bereich auch das<lb/>
Steuerwe&#x017F;en kam. In den unteren Behörden be&#x017F;tand die&#x017F;e Tren-<lb/>
nung der Ju&#x017F;tiz, Admini&#x017F;tration und des Finanzwe&#x017F;ens nicht &#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0052] größere Landesdiſtrikte war der Großvogt, Vizedom oder Lan- deshauptmann geſtellt. Zur Berechnung der Einkünfte aus den Domänen und Gefällen war ihm ein Kammer- oder Rent- meiſter untergeordnet. Die Mittelbehörde war der Oberamt- mann oder Amtshauptmann, meiſtens ein Adeliger. Als Unterbehörden waren die Amtsverwalter, A. Schreiber, A. Kellner oder wie ſie ſonſt genannt wurden, über mehrere unter- gebene Schreiber geſtellt5). ¹⁾ Hüllmann Städteweſen. II. 255. ²⁾ Miraei Opera diplomat. T. II. p 1252. Diplom. Philippi ducis Burgun- diae de a. 1385. Hüllmann, Geſch. der Domänenbenutzung. S. 68. Rau, Ueber die Kameralwiſſ. §. 3. ³⁾ Rau, Ueber die Kameralwiſſenſchaft. §. 4. ⁴⁾ Eichhorn, deutſche St. und R. Geſchichte. III. S. 271. Hüllmann Domänenbenutzung. S. 68. ⁵⁾ Hüllmann Domänenbenutzung. S. 59–67. Eichhorn a. a. O. III. S. 268. v. Löw, Geſch. der Reichs- und Terr. Verfaſſung. S. 297. §. 25. §. 25. Die deutſche Kammerverwaltung in den Reichslanden vom Jahre 1518 bis z. J. 1648 und ſpäter. Zu einem größeren Complexus von Geſchäften wuchs die Kam- merverwaltung nicht an. Nur die Poſtanſtalt trat noch hinzu1). Aber die zunehmende Bildung, die Erfahrung, die ſteigende Be- völkerung, die Vermehrung der Staatsausgaben, die Erweiterung des Gewerbsweſens, die religiöſen Spaltungen, das immer fühl- barere Bedürfniß genauerer Bildung des Volkes, der Gelehrten und Staatsdiener vergrößerten die Manchfaltigkeit derſelben eben ſo, als ſie die Ueberſicht und Führung erſchwerten2). Deshalb nahm der Organismus der Oberbehörden einen beſtimmteren Charak- ter an. Der nächſte Rath am Hofe des Landesherrn, jetzt ein Collegium unter dem Vorſitze des Kanzlers, Hofrath oder auch Regirung genannt, beſchäftigte ſich jetzt neben ſeinen bisherigen Juſtizgeſchäften auch mit demjenigen Theile der bisherigen Kam- merverwaltung, welchen man jetzt Regirungsſachen, beſonders auch ſpäter noch Adminiſtration, nannte3). Zur Verwaltung der Staatseinkünfte, der Finanzen, ward die ſogenannte Hof- kammer beſtellt4). Nur in den einzelnen Provinzen größerer Länder wurden auch Regirungscollegien errichtet, die unter dem Hofrathe ſtanden und das zu beſorgen hatten, was nicht Juſtizangelegenheiten war5), und in deren Bereich auch das Steuerweſen kam. In den unteren Behörden beſtand dieſe Tren- nung der Juſtiz, Adminiſtration und des Finanzweſens nicht ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/52
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/52>, abgerufen am 21.11.2024.