Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.Nationalität am meisten zusagten4). Die abendländischen 1) Der Umstand, daß wir noch fast gar nichts von denselben in dieser Hinsicht kennen, und daß, wenn selbst mehr darüber auf uns gekommen wäre, zur Beur- theilung volks- und staatswirthschaftlicher Zustände und Anordnungen eine genaueste Kenntniß des täglichen Lebens erfordert wird, als wir vom Alterthume haben, ist hinreichend, Obiges zu bestätigen. Haben sich ja doch Männer, wie der große Niebuhr, nicht selten getäuscht, weil sie der kühnen Hypothese zu sehr ihr Ohr liehen, wo sie auf Thatsachen fußen sollten. 2) Schon dasjenige, was Heeren in seinen Ideen (§. 319. Note 1) und Reynier in seinen angeführten Werken (§. 132. Note 1) darüber mittheilen und sagen, sollte, so spärlich es auch ist, Obiges bestätigen. Allein man muß bei diesen, so wie bei den beiden noch folgenden Völkern, nur nichts Anderes (etwas Allgemeines) als ächt Nationelles (etwas Eigenthümliches) suchen und bedenken, daß blos dann und dort Allgemeines oder Wissenschaftliches in solchen Dingen entstehen kann, wann und wo man schon verschiedene besondere nationale Erscheinungen suchen, vergleichen und verbinden kann. Dies konnte aber bei diesen Völkern zum Theile schon wegen ihres damaligen Alters und hauptsächlich deßhalb nicht geschehen, weil sie alles nicht Nationelle von sich hinwegstießen, so in Religion, wie in Politik. 3) Die neueren Untersuchungen haben Vieles gezeigt, was man früher über das Staatswirthschaftswesen der Griechen nicht geahnt hat (§. 319. N. 2). Gerade an Griechenland läßt sich zeigen, was in der Note 2 gesagt ist. Die griechischen Schriftsteller ließen sich nicht auf praktische Verwaltungsfragen ein. Erst Xenophon und Aristoteles begannen über Politik zu philosophiren, und Grundsätze der Oeconomie aus allgemeinerem Gesichtspunkte zu bauen; und es läßt sich nicht läugnen, daß das Zeitalter des Lezteren viele Aehnlichkeit mit unserer Zeit hat. Der Grieche bedurfte übrigens des besondern Unterrichtes in solchen Dingen nicht, weil er das Praktische durch seine Theilnahme am öffentlichen Leben lernen mußte; es mochte auch schon nach der Natur der Sache den griechischen Gelehrten klar sein, daß die Staatsverwaltung kein Gegenstand der Speculation ist; die griechischen Städtestaaten waren zudem klein, weßhalb von Erfahrungen und Maaßregeln, wie in großen Ländern, dort nicht die Rede sein konnte. Darum hatten die Griechen keine staats- und volkswirthschaftliche Schulweisheit, wie wir, bis auf Aristoteles, dessen Nationalität am meiſten zuſagten4). Die abendländiſchen 1) Der Umſtand, daß wir noch faſt gar nichts von denſelben in dieſer Hinſicht kennen, und daß, wenn ſelbſt mehr darüber auf uns gekommen wäre, zur Beur- theilung volks- und ſtaatswirthſchaftlicher Zuſtände und Anordnungen eine genaueſte Kenntniß des täglichen Lebens erfordert wird, als wir vom Alterthume haben, iſt hinreichend, Obiges zu beſtätigen. Haben ſich ja doch Männer, wie der große Niebuhr, nicht ſelten getäuſcht, weil ſie der kühnen Hypotheſe zu ſehr ihr Ohr liehen, wo ſie auf Thatſachen fußen ſollten. 2) Schon dasjenige, was Heeren in ſeinen Ideen (§. 319. Note 1) und Reynier in ſeinen angeführten Werken (§. 132. Note 1) darüber mittheilen und ſagen, ſollte, ſo ſpärlich es auch iſt, Obiges beſtätigen. Allein man muß bei dieſen, ſo wie bei den beiden noch folgenden Völkern, nur nichts Anderes (etwas Allgemeines) als ächt Nationelles (etwas Eigenthümliches) ſuchen und bedenken, daß blos dann und dort Allgemeines oder Wiſſenſchaftliches in ſolchen Dingen entſtehen kann, wann und wo man ſchon verſchiedene beſondere nationale Erſcheinungen ſuchen, vergleichen und verbinden kann. Dies konnte aber bei dieſen Völkern zum Theile ſchon wegen ihres damaligen Alters und hauptſächlich deßhalb nicht geſchehen, weil ſie alles nicht Nationelle von ſich hinwegſtießen, ſo in Religion, wie in Politik. 3) Die neueren Unterſuchungen haben Vieles gezeigt, was man früher über das Staatswirthſchaftsweſen der Griechen nicht geahnt hat (§. 319. N. 2). Gerade an Griechenland läßt ſich zeigen, was in der Note 2 geſagt iſt. Die griechiſchen Schriftſteller ließen ſich nicht auf praktiſche Verwaltungsfragen ein. Erſt Xenophon und Ariſtoteles begannen über Politik zu philoſophiren, und Grundſätze der Oeconomie aus allgemeinerem Geſichtspunkte zu bauen; und es läßt ſich nicht läugnen, daß das Zeitalter des Lezteren viele Aehnlichkeit mit unſerer Zeit hat. Der Grieche bedurfte übrigens des beſondern Unterrichtes in ſolchen Dingen nicht, weil er das Praktiſche durch ſeine Theilnahme am öffentlichen Leben lernen mußte; es mochte auch ſchon nach der Natur der Sache den griechiſchen Gelehrten klar ſein, daß die Staatsverwaltung kein Gegenſtand der Speculation iſt; die griechiſchen Städteſtaaten waren zudem klein, weßhalb von Erfahrungen und Maaßregeln, wie in großen Ländern, dort nicht die Rede ſein konnte. Darum hatten die Griechen keine ſtaats- und volkswirthſchaftliche Schulweisheit, wie wir, bis auf Ariſtoteles, deſſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0558" n="536"/> Nationalität am meiſten zuſagten<hi rendition="#sup">4</hi>). 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Nationalität am meiſten zuſagten4). Die abendländiſchen
Völker, nach der großen Völkerwanderung, haben vor den Alten
neben dem Hervortreten und neben der eigenthümlichen Geſtaltung
des Gewerbsweſens auch das voraus, daß ſie, nachdem das ganze
Mittelalter vorübergegangen und viele gemeinſame Erfahrungen in
der Geſchichte angehäuft waren, wie auch aus vielen anderen
Dingen, ebenfalls aus der Staatsverwaltung eine Wiſſenſchaft
machten. Allein es dauerte bis dahin mehrere Jahrhunderte, von
denen man aber keineswegs ſagen kann, daß ſie keine volks- und
ſtaatswirthſchaftlichen Sätze gekannt hätten5). Denn wenn auch
bei den Schriftſtellern, wie Bodin, Klock, Becher, v. Lotz
u. A. (§. 29. Note 2 u. 3), welche ſo ſehr viel Unbrauchbares
und grundſätzlich Unrichtiges haben, das Praktiſche ihrer Zeit nicht
leicht von den gelehrten Theorien zu ſcheiden iſt, ſo ſchreitet man doch
bei v. Seckendorf und v. Schröder (§. 27. N. 2 u. 3) immer
parallel mit der Staatspraxis, während ſich in der Finanzverwal-
tung von Sully und von Colbert (§. 29. N. 4 u. 5) die prak-
tiſchen Erfahrungen erſt eigentlich zu einem Syſteme zu kryſtalliſiren
beginnen6).
¹⁾ Der Umſtand, daß wir noch faſt gar nichts von denſelben in dieſer Hinſicht
kennen, und daß, wenn ſelbſt mehr darüber auf uns gekommen wäre, zur Beur-
theilung volks- und ſtaatswirthſchaftlicher Zuſtände und Anordnungen eine genaueſte
Kenntniß des täglichen Lebens erfordert wird, als wir vom Alterthume haben, iſt
hinreichend, Obiges zu beſtätigen. Haben ſich ja doch Männer, wie der große
Niebuhr, nicht ſelten getäuſcht, weil ſie der kühnen Hypotheſe zu ſehr ihr Ohr
liehen, wo ſie auf Thatſachen fußen ſollten.
²⁾ Schon dasjenige, was Heeren in ſeinen Ideen (§. 319. Note 1) und
Reynier in ſeinen angeführten Werken (§. 132. Note 1) darüber mittheilen und
ſagen, ſollte, ſo ſpärlich es auch iſt, Obiges beſtätigen. Allein man muß bei dieſen,
ſo wie bei den beiden noch folgenden Völkern, nur nichts Anderes (etwas Allgemeines)
als ächt Nationelles (etwas Eigenthümliches) ſuchen und bedenken, daß blos dann
und dort Allgemeines oder Wiſſenſchaftliches in ſolchen Dingen entſtehen kann, wann
und wo man ſchon verſchiedene beſondere nationale Erſcheinungen ſuchen, vergleichen
und verbinden kann. Dies konnte aber bei dieſen Völkern zum Theile ſchon wegen
ihres damaligen Alters und hauptſächlich deßhalb nicht geſchehen, weil ſie alles nicht
Nationelle von ſich hinwegſtießen, ſo in Religion, wie in Politik.
³⁾ Die neueren Unterſuchungen haben Vieles gezeigt, was man früher über
das Staatswirthſchaftsweſen der Griechen nicht geahnt hat (§. 319. N. 2). Gerade
an Griechenland läßt ſich zeigen, was in der Note 2 geſagt iſt. Die griechiſchen
Schriftſteller ließen ſich nicht auf praktiſche Verwaltungsfragen ein. Erſt Xenophon
und Ariſtoteles begannen über Politik zu philoſophiren, und Grundſätze der
Oeconomie aus allgemeinerem Geſichtspunkte zu bauen; und es läßt ſich nicht läugnen,
daß das Zeitalter des Lezteren viele Aehnlichkeit mit unſerer Zeit hat. Der Grieche
bedurfte übrigens des beſondern Unterrichtes in ſolchen Dingen nicht, weil er das
Praktiſche durch ſeine Theilnahme am öffentlichen Leben lernen mußte; es mochte
auch ſchon nach der Natur der Sache den griechiſchen Gelehrten klar ſein, daß die
Staatsverwaltung kein Gegenſtand der Speculation iſt; die griechiſchen Städteſtaaten
waren zudem klein, weßhalb von Erfahrungen und Maaßregeln, wie in großen
Ländern, dort nicht die Rede ſein konnte. Darum hatten die Griechen keine ſtaats-
und volkswirthſchaftliche Schulweisheit, wie wir, bis auf Ariſtoteles, deſſen
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