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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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meinden, die Einzelnen, Gesellschaften und Stiftungen einander
als selbstständige Personen gegenüber. Jede derselben verschafft
sich ihr Rechts- und ihr Gütergebiet. Die Thätigkeit und Sorge
für das ausschließliche Gütergebiet von Tauschwerth ist die Wirth-
schaft, welche als Privat-, Gemeinde-, Volks- und Staatswirth-
schaft (Finanzwirthschaft) erscheint. Demnach hat die Staats-
gewalt objectiv drei Hauptrichtungen, nämlich die Justiz, Finanz,
und diejenige, welche sich auf das Güterwesen der Einzelnen, Ge-
sellschaften, Stiftungen, Gemeinden und des Complexes dieser
vier Letztern, nämlich des Volkes, bezieht und Polizei genannt
wird. In allen dreien tritt sie oberaufsehend, gesetzgebend und
vollziehend auf. Die Strafgewalt ergibt sich aus der Natur der
Gesetze und Menschen von selbst, wie die Strafe, als nothwendig,
und gehört allen drei Staatsgewalten im objectiven Betrachte an.
Die Polizei, ihrem wahren Begriffe nach und nicht in der zum
Theile nothwendigen zum Theile zufälligen Vermengung mit der
Justiz und Finanz genommen, hat keine Sorge für Rechte auszu-
üben, obschon sie beständig mit solchen eben so gewiß in Berührung
kommen muß, als in der bürgerlichen Gesellschaft Güter und
Rechte nicht zu trennen sind. Sie ist vielmehr die nach den Prin-
zipien des Rechts, der Sittlichkeit und der Klugheit beschränkte
Staatssorge (entspr. Staatsgewalt) für die Entwickelung und
Beförderung des Güterwesens der Nation nach ihren so eben ange-
gebenen Bestandtheilen. Näher bezeichnet, sie ist die so begränzte
Staatssorge für den Erwerb, die Vertheilung, Erhaltung und
Anwendung der Güter der Nation, als Gesammtheit der Einzelnen,
Gesellschaften, Stiftungen und Gemeinden. Bringt man ihren
Inhalt nach den genannten Thätigkeiten in eine logische Uebersicht,
so ergibt sich eine Erwerbs-, Vertheilungs-, Erhaltungs- oder
Sicherheits- und eine Gebrauchspolizei. Führt man aber die lo-
gische Trennung ihres Gehaltes nach den Objecten durch, auf
welche sich diese Thätigkeiten beziehen, so ergibt sich von selbst eine
Polizei für die inneren Güter (Bildungs- und Sitten- und
Religionspolizei), für die wirthschaftlichen äußeren Güter
(Wirthschaftspolizei) und für die nicht wirthschaftlichen
äußeren Güter, welche Einer von den genannten polizeilichen Thä-
tigkeiten anheim fällt, da sie nur in ihrer Beziehung auf Bildung,
Gesittung, Sittlichkeit, Religion und Wirthschaft Bedeutung haben,
weil das Wesen des Gutes in seiner Brauchbarkeit für die Men-
schenzwecke liegt. In jedem dieser letztgenannten Zweige tritt die
Polizei als Erwerbs-, Vertheilungs-, Sicherheits- und Gebrauchs-
polizei auf, denn die entsprechenden Thätigkeiten der Nation beziehen

meinden, die Einzelnen, Geſellſchaften und Stiftungen einander
als ſelbſtſtändige Perſonen gegenüber. Jede derſelben verſchafft
ſich ihr Rechts- und ihr Gütergebiet. Die Thätigkeit und Sorge
für das ausſchließliche Gütergebiet von Tauſchwerth iſt die Wirth-
ſchaft, welche als Privat-, Gemeinde-, Volks- und Staatswirth-
ſchaft (Finanzwirthſchaft) erſcheint. Demnach hat die Staats-
gewalt objectiv drei Hauptrichtungen, nämlich die Juſtiz, Finanz,
und diejenige, welche ſich auf das Güterweſen der Einzelnen, Ge-
ſellſchaften, Stiftungen, Gemeinden und des Complexes dieſer
vier Letztern, nämlich des Volkes, bezieht und Polizei genannt
wird. In allen dreien tritt ſie oberaufſehend, geſetzgebend und
vollziehend auf. Die Strafgewalt ergibt ſich aus der Natur der
Geſetze und Menſchen von ſelbſt, wie die Strafe, als nothwendig,
und gehört allen drei Staatsgewalten im objectiven Betrachte an.
Die Polizei, ihrem wahren Begriffe nach und nicht in der zum
Theile nothwendigen zum Theile zufälligen Vermengung mit der
Juſtiz und Finanz genommen, hat keine Sorge für Rechte auszu-
üben, obſchon ſie beſtändig mit ſolchen eben ſo gewiß in Berührung
kommen muß, als in der bürgerlichen Geſellſchaft Güter und
Rechte nicht zu trennen ſind. Sie iſt vielmehr die nach den Prin-
zipien des Rechts, der Sittlichkeit und der Klugheit beſchränkte
Staatsſorge (entſpr. Staatsgewalt) für die Entwickelung und
Beförderung des Güterweſens der Nation nach ihren ſo eben ange-
gebenen Beſtandtheilen. Näher bezeichnet, ſie iſt die ſo begränzte
Staatsſorge für den Erwerb, die Vertheilung, Erhaltung und
Anwendung der Güter der Nation, als Geſammtheit der Einzelnen,
Geſellſchaften, Stiftungen und Gemeinden. Bringt man ihren
Inhalt nach den genannten Thätigkeiten in eine logiſche Ueberſicht,
ſo ergibt ſich eine Erwerbs-, Vertheilungs-, Erhaltungs- oder
Sicherheits- und eine Gebrauchspolizei. Führt man aber die lo-
giſche Trennung ihres Gehaltes nach den Objecten durch, auf
welche ſich dieſe Thätigkeiten beziehen, ſo ergibt ſich von ſelbſt eine
Polizei für die inneren Güter (Bildungs- und Sitten- und
Religionspolizei), für die wirthſchaftlichen äußeren Güter
(Wirthſchaftspolizei) und für die nicht wirthſchaftlichen
äußeren Güter, welche Einer von den genannten polizeilichen Thä-
tigkeiten anheim fällt, da ſie nur in ihrer Beziehung auf Bildung,
Geſittung, Sittlichkeit, Religion und Wirthſchaft Bedeutung haben,
weil das Weſen des Gutes in ſeiner Brauchbarkeit für die Men-
ſchenzwecke liegt. In jedem dieſer letztgenannten Zweige tritt die
Polizei als Erwerbs-, Vertheilungs-, Sicherheits- und Gebrauchs-
polizei auf, denn die entſprechenden Thätigkeiten der Nation beziehen

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[622/0644] meinden, die Einzelnen, Geſellſchaften und Stiftungen einander als ſelbſtſtändige Perſonen gegenüber. Jede derſelben verſchafft ſich ihr Rechts- und ihr Gütergebiet. Die Thätigkeit und Sorge für das ausſchließliche Gütergebiet von Tauſchwerth iſt die Wirth- ſchaft, welche als Privat-, Gemeinde-, Volks- und Staatswirth- ſchaft (Finanzwirthſchaft) erſcheint. Demnach hat die Staats- gewalt objectiv drei Hauptrichtungen, nämlich die Juſtiz, Finanz, und diejenige, welche ſich auf das Güterweſen der Einzelnen, Ge- ſellſchaften, Stiftungen, Gemeinden und des Complexes dieſer vier Letztern, nämlich des Volkes, bezieht und Polizei genannt wird. In allen dreien tritt ſie oberaufſehend, geſetzgebend und vollziehend auf. Die Strafgewalt ergibt ſich aus der Natur der Geſetze und Menſchen von ſelbſt, wie die Strafe, als nothwendig, und gehört allen drei Staatsgewalten im objectiven Betrachte an. Die Polizei, ihrem wahren Begriffe nach und nicht in der zum Theile nothwendigen zum Theile zufälligen Vermengung mit der Juſtiz und Finanz genommen, hat keine Sorge für Rechte auszu- üben, obſchon ſie beſtändig mit ſolchen eben ſo gewiß in Berührung kommen muß, als in der bürgerlichen Geſellſchaft Güter und Rechte nicht zu trennen ſind. Sie iſt vielmehr die nach den Prin- zipien des Rechts, der Sittlichkeit und der Klugheit beſchränkte Staatsſorge (entſpr. Staatsgewalt) für die Entwickelung und Beförderung des Güterweſens der Nation nach ihren ſo eben ange- gebenen Beſtandtheilen. Näher bezeichnet, ſie iſt die ſo begränzte Staatsſorge für den Erwerb, die Vertheilung, Erhaltung und Anwendung der Güter der Nation, als Geſammtheit der Einzelnen, Geſellſchaften, Stiftungen und Gemeinden. Bringt man ihren Inhalt nach den genannten Thätigkeiten in eine logiſche Ueberſicht, ſo ergibt ſich eine Erwerbs-, Vertheilungs-, Erhaltungs- oder Sicherheits- und eine Gebrauchspolizei. Führt man aber die lo- giſche Trennung ihres Gehaltes nach den Objecten durch, auf welche ſich dieſe Thätigkeiten beziehen, ſo ergibt ſich von ſelbſt eine Polizei für die inneren Güter (Bildungs- und Sitten- und Religionspolizei), für die wirthſchaftlichen äußeren Güter (Wirthſchaftspolizei) und für die nicht wirthſchaftlichen äußeren Güter, welche Einer von den genannten polizeilichen Thä- tigkeiten anheim fällt, da ſie nur in ihrer Beziehung auf Bildung, Geſittung, Sittlichkeit, Religion und Wirthſchaft Bedeutung haben, weil das Weſen des Gutes in ſeiner Brauchbarkeit für die Men- ſchenzwecke liegt. In jedem dieſer letztgenannten Zweige tritt die Polizei als Erwerbs-, Vertheilungs-, Sicherheits- und Gebrauchs- polizei auf, denn die entſprechenden Thätigkeiten der Nation beziehen

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/644>, abgerufen am 21.11.2024.