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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Zweites Hauptstück.
Pflege des Kunstgewerbsbetriebes.
§. 467.
A. Gewerbsfreiheit.

Der nothwendige Verband der Kunstgewerbe mit den Urgewer-
ben (§. 434.) und die Vortheile, welche sie unmittelbar für das
Menschenleben hervorbringen, machen die Gewerksindustrie einer
besondern Aufmerksamkeit der Regirung und der bürgerlichen Ge-
sellschaft würdig. Sie sind jedoch auch schon überschätzt worden
und namentlich ist dies der Grund der verschiedenen Maaßregeln
des Mercantilsystems zur Förderung des Gewerkswesens (§. 397.
N. 3.), als da sind: Hervorrufen aller möglichen Gewerke, um im
Inlande Alles zu produciren, Begünstigung durch Privilegien,
Errichtung von Zünften, Vorschüsse aus der Staatskasse, Prämien
auf die Anlegung neuer Etablissements, eigene Etablissements auf
Staatskosten u. s. w. Der natürliche Gang der Entwickelung des
Gewerbswesens zeigt, daß es solcher künstlicher Hervorlockungen
nicht bedarf, weil das Volk in solchen Dingen von selbst auf das
Vortheilhafteste verfällt, und daß dieselben insoferne schädlich sind,
als sie die natürliche Anlage von Arbeit und Capital hemmen, und
oft an die Hervorbringung von Dingen wenden, die man vom
Auslande wohlfeiler und besser erhalten kann und folglich das In-
teresse der Consumenten (Urgewerbsleute) jenem der Gewerksleute
aufzuopfern. Es muß auch hier das allgemeine polizeiliche Prin-
zip (§. 438.) festgehalten werden. Nach diesem aber erstreckt sich
die Leitung der Gewerke von Seiten des Staats auf folgende
Punkte:

A. Die Gewerbsfreiheit. Diese ist zwar der allgemeinste
Grundsatz der ganzen Gewerbspolizei, weil sich nach ihr die Ge-
werbs- und Bevölkerungsverhältnisse am natürlichsten und zwang-
losesten gestalten. Hier aber muß sie besonders erwähnt werden,
weil sie von jeher in den Kunstgewerken am wenigsten gehandhabt
wurde, da bei ihnen der Zunftzwang eingeführt ist (§. 312. 5.).
Es ist sehr natürlich, daß das meiste Große in der Volkswirth-
schaft durch Vereinigungen hervorgebracht wird. Die Geschichte
bestätigt dies auch auf jedem Blatte, am meisten aber im Mittel-
alter durch die Handels- und Handwerksgenossenschaften
und die Hanseverbindungen, und in unsern Zeiten durch die
Actiengesellschaften. Der charakteristische Unterschied zwischen
jenen und den jetzigen Gesellschaften dieser Art ist darin zu finden,

Zweites Hauptſtück.
Pflege des Kunſtgewerbsbetriebes.
§. 467.
A. Gewerbsfreiheit.

Der nothwendige Verband der Kunſtgewerbe mit den Urgewer-
ben (§. 434.) und die Vortheile, welche ſie unmittelbar für das
Menſchenleben hervorbringen, machen die Gewerksinduſtrie einer
beſondern Aufmerkſamkeit der Regirung und der bürgerlichen Ge-
ſellſchaft würdig. Sie ſind jedoch auch ſchon überſchätzt worden
und namentlich iſt dies der Grund der verſchiedenen Maaßregeln
des Mercantilſyſtems zur Förderung des Gewerksweſens (§. 397.
N. 3.), als da ſind: Hervorrufen aller möglichen Gewerke, um im
Inlande Alles zu produciren, Begünſtigung durch Privilegien,
Errichtung von Zünften, Vorſchüſſe aus der Staatskaſſe, Prämien
auf die Anlegung neuer Etabliſſements, eigene Etabliſſements auf
Staatskoſten u. ſ. w. Der natürliche Gang der Entwickelung des
Gewerbsweſens zeigt, daß es ſolcher künſtlicher Hervorlockungen
nicht bedarf, weil das Volk in ſolchen Dingen von ſelbſt auf das
Vortheilhafteſte verfällt, und daß dieſelben inſoferne ſchädlich ſind,
als ſie die natürliche Anlage von Arbeit und Capital hemmen, und
oft an die Hervorbringung von Dingen wenden, die man vom
Auslande wohlfeiler und beſſer erhalten kann und folglich das In-
tereſſe der Conſumenten (Urgewerbsleute) jenem der Gewerksleute
aufzuopfern. Es muß auch hier das allgemeine polizeiliche Prin-
zip (§. 438.) feſtgehalten werden. Nach dieſem aber erſtreckt ſich
die Leitung der Gewerke von Seiten des Staats auf folgende
Punkte:

A. Die Gewerbsfreiheit. Dieſe iſt zwar der allgemeinſte
Grundſatz der ganzen Gewerbspolizei, weil ſich nach ihr die Ge-
werbs- und Bevölkerungsverhältniſſe am natürlichſten und zwang-
loſeſten geſtalten. Hier aber muß ſie beſonders erwähnt werden,
weil ſie von jeher in den Kunſtgewerken am wenigſten gehandhabt
wurde, da bei ihnen der Zunftzwang eingeführt iſt (§. 312. 5.).
Es iſt ſehr natürlich, daß das meiſte Große in der Volkswirth-
ſchaft durch Vereinigungen hervorgebracht wird. Die Geſchichte
beſtätigt dies auch auf jedem Blatte, am meiſten aber im Mittel-
alter durch die Handels- und Handwerksgenoſſenſchaften
und die Hanſeverbindungen, und in unſern Zeiten durch die
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jenen und den jetzigen Geſellſchaften dieſer Art iſt darin zu finden,

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[671/0693] Zweites Hauptſtück. Pflege des Kunſtgewerbsbetriebes. §. 467. A. Gewerbsfreiheit. Der nothwendige Verband der Kunſtgewerbe mit den Urgewer- ben (§. 434.) und die Vortheile, welche ſie unmittelbar für das Menſchenleben hervorbringen, machen die Gewerksinduſtrie einer beſondern Aufmerkſamkeit der Regirung und der bürgerlichen Ge- ſellſchaft würdig. Sie ſind jedoch auch ſchon überſchätzt worden und namentlich iſt dies der Grund der verſchiedenen Maaßregeln des Mercantilſyſtems zur Förderung des Gewerksweſens (§. 397. N. 3.), als da ſind: Hervorrufen aller möglichen Gewerke, um im Inlande Alles zu produciren, Begünſtigung durch Privilegien, Errichtung von Zünften, Vorſchüſſe aus der Staatskaſſe, Prämien auf die Anlegung neuer Etabliſſements, eigene Etabliſſements auf Staatskoſten u. ſ. w. Der natürliche Gang der Entwickelung des Gewerbsweſens zeigt, daß es ſolcher künſtlicher Hervorlockungen nicht bedarf, weil das Volk in ſolchen Dingen von ſelbſt auf das Vortheilhafteſte verfällt, und daß dieſelben inſoferne ſchädlich ſind, als ſie die natürliche Anlage von Arbeit und Capital hemmen, und oft an die Hervorbringung von Dingen wenden, die man vom Auslande wohlfeiler und beſſer erhalten kann und folglich das In- tereſſe der Conſumenten (Urgewerbsleute) jenem der Gewerksleute aufzuopfern. Es muß auch hier das allgemeine polizeiliche Prin- zip (§. 438.) feſtgehalten werden. Nach dieſem aber erſtreckt ſich die Leitung der Gewerke von Seiten des Staats auf folgende Punkte: A. Die Gewerbsfreiheit. Dieſe iſt zwar der allgemeinſte Grundſatz der ganzen Gewerbspolizei, weil ſich nach ihr die Ge- werbs- und Bevölkerungsverhältniſſe am natürlichſten und zwang- loſeſten geſtalten. Hier aber muß ſie beſonders erwähnt werden, weil ſie von jeher in den Kunſtgewerken am wenigſten gehandhabt wurde, da bei ihnen der Zunftzwang eingeführt iſt (§. 312. 5.). Es iſt ſehr natürlich, daß das meiſte Große in der Volkswirth- ſchaft durch Vereinigungen hervorgebracht wird. Die Geſchichte beſtätigt dies auch auf jedem Blatte, am meiſten aber im Mittel- alter durch die Handels- und Handwerksgenoſſenſchaften und die Hanſeverbindungen, und in unſern Zeiten durch die Actiengeſellſchaften. Der charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen jenen und den jetzigen Geſellſchaften dieſer Art iſt darin zu finden,

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/693>, abgerufen am 24.11.2024.