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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Zweites Hauptstück.
Von der Erhaltung des Staatsvermögens.
§. 508.
I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen.

Zu dem Staatsvermögen gehören hauptsächlich nicht blos die
Bergwerke, Domänen und Forste des Staats, sondern auch die
verschiedenen mit denselben verbundenen Gerechtsame gutsherrlicher
Natur und die Finanzregalien. In der Staatshauswirthschafts-
lehre ist daher die Frage über Veräußerung oder Nichtveräußerung
dieser Vermögenstheile abzuhandeln, denn ihre Lösung hängt von
besondern Landes- und Staatsverhältnissen ab.

Ueber die Veräußerung der Staatsdomänen herrschen
zwei Hauptansichten. Für die Veräußerung derselben führt man
an: daß ihre Verwaltung kostbar sei, daß der Ertrag bei der Ver-
pachtung derselben nicht so groß sei, als wenn sie von Eigenthü-
mern bewirthschaftet würden; daß kleine Landgüter immer volks-
wirthschaftlich mehr Vortheile als große gewährten (§. 431. N. 1.)
und eine Zerschlagung hauptsächlich nur bei einer Veräußerung
zu Eigenthum den rechten Erfolg habe; daß also die Nation nicht
blos den sonstigen Mehrertrag, sondern auch noch den jetzigen We-
nigerertrag verliere; daß folglich durch die Beibehaltung die Ent-
wickelung der Volkswirthschaft und des Volkswohlstandes gehemmt
werde, folglich die Productenpreise nicht auf die sonstige Tiefe
sinken könnten; daß der Staat als Landwirth ein gefährlicher Con-
current der Bürger sei, und folglich leicht sein Interesse dem der
Nation voransetzen könnte; daß die Domänen im Besitze des Staats
keineswegs die Bürgerlasten erleichtern, weil diese bestimmt um
das Defizit in der Production für die Staatskasse wüchsen; und
endlich, daß man den Erlös aus dem Domänenverkaufe zu verschie-
denen Staatsverbesserungen, z. B. Schuldentilgung, Ablösung von
Grundlasten, Fundirung landwirthschaftlicher Kreditanstalten nütz-
licher anwenden könne. Gegen die Veräußerungen führt man
aber an: daß der Domänenbesitz die Abgaben verringere, die Re-
girung vom Volke unabhängiger mache, mehr Anhänglichkeit an
dieselbe erwecke, ein sicheres Einkommen gewähre, als Hypotheke
dienen könne, den übeln Eindruck der Steuererhebung verhüte, die
Staatsrechnungen einfacher und klarer mache, eine Verpachtung
in kleinen Parthien zu Erbe zulasse, welche so gut wie als Pri-
vateigenthum erscheine, und alle Vortheile der zerschlagenden Ver-
äußerung gewähre; daß die angeführten Besorgnisse nur von einer

Zweites Hauptſtück.
Von der Erhaltung des Staatsvermögens.
§. 508.
I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen.

Zu dem Staatsvermögen gehören hauptſächlich nicht blos die
Bergwerke, Domänen und Forſte des Staats, ſondern auch die
verſchiedenen mit denſelben verbundenen Gerechtſame gutsherrlicher
Natur und die Finanzregalien. In der Staatshauswirthſchafts-
lehre iſt daher die Frage über Veräußerung oder Nichtveräußerung
dieſer Vermögenstheile abzuhandeln, denn ihre Löſung hängt von
beſondern Landes- und Staatsverhältniſſen ab.

Ueber die Veräußerung der Staatsdomänen herrſchen
zwei Hauptanſichten. Für die Veräußerung derſelben führt man
an: daß ihre Verwaltung koſtbar ſei, daß der Ertrag bei der Ver-
pachtung derſelben nicht ſo groß ſei, als wenn ſie von Eigenthü-
mern bewirthſchaftet würden; daß kleine Landgüter immer volks-
wirthſchaftlich mehr Vortheile als große gewährten (§. 431. N. 1.)
und eine Zerſchlagung hauptſächlich nur bei einer Veräußerung
zu Eigenthum den rechten Erfolg habe; daß alſo die Nation nicht
blos den ſonſtigen Mehrertrag, ſondern auch noch den jetzigen We-
nigerertrag verliere; daß folglich durch die Beibehaltung die Ent-
wickelung der Volkswirthſchaft und des Volkswohlſtandes gehemmt
werde, folglich die Productenpreiſe nicht auf die ſonſtige Tiefe
ſinken könnten; daß der Staat als Landwirth ein gefährlicher Con-
current der Bürger ſei, und folglich leicht ſein Intereſſe dem der
Nation voranſetzen könnte; daß die Domänen im Beſitze des Staats
keineswegs die Bürgerlaſten erleichtern, weil dieſe beſtimmt um
das Defizit in der Production für die Staatskaſſe wüchſen; und
endlich, daß man den Erlös aus dem Domänenverkaufe zu verſchie-
denen Staatsverbeſſerungen, z. B. Schuldentilgung, Ablöſung von
Grundlaſten, Fundirung landwirthſchaftlicher Kreditanſtalten nütz-
licher anwenden könne. Gegen die Veräußerungen führt man
aber an: daß der Domänenbeſitz die Abgaben verringere, die Re-
girung vom Volke unabhängiger mache, mehr Anhänglichkeit an
dieſelbe erwecke, ein ſicheres Einkommen gewähre, als Hypotheke
dienen könne, den übeln Eindruck der Steuererhebung verhüte, die
Staatsrechnungen einfacher und klarer mache, eine Verpachtung
in kleinen Parthien zu Erbe zulaſſe, welche ſo gut wie als Pri-
vateigenthum erſcheine, und alle Vortheile der zerſchlagenden Ver-
äußerung gewähre; daß die angeführten Beſorgniſſe nur von einer

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[764/0786] Zweites Hauptſtück. Von der Erhaltung des Staatsvermögens. §. 508. I. Veräußerlichkeit der Staatsdomänen. Zu dem Staatsvermögen gehören hauptſächlich nicht blos die Bergwerke, Domänen und Forſte des Staats, ſondern auch die verſchiedenen mit denſelben verbundenen Gerechtſame gutsherrlicher Natur und die Finanzregalien. In der Staatshauswirthſchafts- lehre iſt daher die Frage über Veräußerung oder Nichtveräußerung dieſer Vermögenstheile abzuhandeln, denn ihre Löſung hängt von beſondern Landes- und Staatsverhältniſſen ab. Ueber die Veräußerung der Staatsdomänen herrſchen zwei Hauptanſichten. Für die Veräußerung derſelben führt man an: daß ihre Verwaltung koſtbar ſei, daß der Ertrag bei der Ver- pachtung derſelben nicht ſo groß ſei, als wenn ſie von Eigenthü- mern bewirthſchaftet würden; daß kleine Landgüter immer volks- wirthſchaftlich mehr Vortheile als große gewährten (§. 431. N. 1.) und eine Zerſchlagung hauptſächlich nur bei einer Veräußerung zu Eigenthum den rechten Erfolg habe; daß alſo die Nation nicht blos den ſonſtigen Mehrertrag, ſondern auch noch den jetzigen We- nigerertrag verliere; daß folglich durch die Beibehaltung die Ent- wickelung der Volkswirthſchaft und des Volkswohlſtandes gehemmt werde, folglich die Productenpreiſe nicht auf die ſonſtige Tiefe ſinken könnten; daß der Staat als Landwirth ein gefährlicher Con- current der Bürger ſei, und folglich leicht ſein Intereſſe dem der Nation voranſetzen könnte; daß die Domänen im Beſitze des Staats keineswegs die Bürgerlaſten erleichtern, weil dieſe beſtimmt um das Defizit in der Production für die Staatskaſſe wüchſen; und endlich, daß man den Erlös aus dem Domänenverkaufe zu verſchie- denen Staatsverbeſſerungen, z. B. Schuldentilgung, Ablöſung von Grundlaſten, Fundirung landwirthſchaftlicher Kreditanſtalten nütz- licher anwenden könne. Gegen die Veräußerungen führt man aber an: daß der Domänenbeſitz die Abgaben verringere, die Re- girung vom Volke unabhängiger mache, mehr Anhänglichkeit an dieſelbe erwecke, ein ſicheres Einkommen gewähre, als Hypotheke dienen könne, den übeln Eindruck der Steuererhebung verhüte, die Staatsrechnungen einfacher und klarer mache, eine Verpachtung in kleinen Parthien zu Erbe zulaſſe, welche ſo gut wie als Pri- vateigenthum erſcheine, und alle Vortheile der zerſchlagenden Ver- äußerung gewähre; daß die angeführten Beſorgniſſe nur von einer

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/786>, abgerufen am 27.11.2024.