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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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§. 44.
Beschluß.

C. Die öffentliche Wirthschaftslehre1) kann nur zwei
Objekte haben, nämlich die Volkswirthschaft und die Staats-
wirthschaft. Die Volkswirthschaftslehre (Nationalökono-
mie) zerfällt in einen theoretischen und in einen praktischen Theil,
welcher leztere auch die Lehre von der Volkswirthschafts-
pflege (Gewerbspolizei, Wohlstandssorge)2) genannt wird. Die
Staatswirthschaftslehre3) (Finanzwissenschaft) hat auch
einen theoretischen Theil (Finanzwissenschaft im engeren Sinne)
und einen praktischen Theil (Finanzverwaltungslehre). Jener
lehrt, wie das Staatseinkommen auf eine die Bürgerrechte und
den Wohlstand am wenigsten gefährdende Weise erhoben werden
kann. Der zweite aber lehrt die Maximen über die beste Art der
Einrichtung jener Erhebung, der Bereithaltung des Staatseinkom-
mens, der Controle und der Rechtfertigung, wie sie in die Finanz-
wirthschaft gehört4).

1) Auch politische Oekonomie genannt, welcher Ausdruck aber, obschon
von Rau gebraucht, nicht ganz bezeichnend, sondern mehr sagend ist. S. §. 39.
Note 5.
2) Den Ausdruck Volkswirthschaft hat Rau (Ueber die Kameralwiss.
§. 15 und §. 16.) gründlich vertheidigt, woraus zugleich das Verhältniß derselben
zur Idee einer Weltwirthschaft klar wird. Weniger überzeugend möchten die im
§. 17. ders. Schrift dargelegten Gründe sein, warum die Finanzwissenschaft auch
eine Abtheilung des praktischen Theiles der Volkswirthschaftslehre sein soll. Daß sie
a) in Betreff der Einnahmen und Ausgaben die allgemeinen Wirthschaftsregeln der
bürgerlichen Hauswirthschaft (nicht Haushaltung) benutzen könne; ferner b) daß
sie verschiedene Gewerbskenntnisse wegen Staatsgewerben und Besteuerung zu Hülfe
nehmen müsse; ferner c) daß sie vielfach auf das natürliche Staatsrecht gewiesen
sei, und d) daß sie ohne die Volkswirthschaftslehre keine Wissenschaft geworden
wäre, und ihre Ausbildung immer noch von der fortschreitenden Entwickelung jener
abhängt, indem die Finanzwirthschaft ohne Kenntniß und Befolgung der volkswirth-
schaftlichen Grundlehren den Volkswohlstand zernichten würde, -- daran ist nicht zu
zweifeln. Aber eben so gut als Rau aus lit. d. schließen zu dürfen glaubt, die
Finanzwissenschaft sei eine Anwendung der Volkswirthschaftslehre und folglich ein
praktischer Theil derselben, kann man auch schließen, daß sie eine Anwendung der
Gewerbswissenschaften und des natürlichen Staatsrechtes und ein praktischer Theil
von diesen sei. Rau wählte das Wort Anwendung sehr richtig, aber es bedeu-
tet nicht so viel wie Ausführung. In der Wissenschaft der Volkswirthschaftspflege
werden die Grundsätze gelehrt, wie die Prinzipien der Volkswirthschafts-
lehre auszuführen sind, um den Nationalwohlstand zu befördern. In der
Finanzwissenschaft wird gelehrt, wie die finanziellen Prinzivien auszu-
führen sind, ohne den Nationalwohlstand zu zerstören, weswegen die volks-
wirthschaftlichen Grundsätze hier im wahren Sinne nicht ausgeführt, sondern
blos angewendet werden. Die Ausführung, voraussetzend daß sie selbst der
nächste Zweck ist, bildet das Wesentliche des Praktischen einer Wissenschaft; die bloße
Anwendung, voraussetzend daß bereits andere Prinzipien zur Ausführung gegeben
sind, welche blos modifizirt und in der Erreichung der Zwecke unterstützt werden
sollen, bildet blos das Wesentliche der Lehnsätze (Lemmata), die aus einer anderen
Wissenschaft herbeigezogen werden. In der That zeigt auch ein Blick auf das
§. 44.
Beſchluß.

C. Die öffentliche Wirthſchaftslehre1) kann nur zwei
Objekte haben, nämlich die Volkswirthſchaft und die Staats-
wirthſchaft. Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalökono-
mie) zerfällt in einen theoretiſchen und in einen praktiſchen Theil,
welcher leztere auch die Lehre von der Volkswirthſchafts-
pflege (Gewerbspolizei, Wohlſtandsſorge)2) genannt wird. Die
Staatswirthſchaftslehre3) (Finanzwiſſenſchaft) hat auch
einen theoretiſchen Theil (Finanzwiſſenſchaft im engeren Sinne)
und einen praktiſchen Theil (Finanzverwaltungslehre). Jener
lehrt, wie das Staatseinkommen auf eine die Bürgerrechte und
den Wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe erhoben werden
kann. Der zweite aber lehrt die Maximen über die beſte Art der
Einrichtung jener Erhebung, der Bereithaltung des Staatseinkom-
mens, der Controle und der Rechtfertigung, wie ſie in die Finanz-
wirthſchaft gehört4).

1) Auch politiſche Oekonomie genannt, welcher Ausdruck aber, obſchon
von Rau gebraucht, nicht ganz bezeichnend, ſondern mehr ſagend iſt. S. §. 39.
Note 5.
2) Den Ausdruck Volkswirthſchaft hat Rau (Ueber die Kameralwiſſ.
§. 15 und §. 16.) gründlich vertheidigt, woraus zugleich das Verhältniß derſelben
zur Idee einer Weltwirthſchaft klar wird. Weniger überzeugend möchten die im
§. 17. derſ. Schrift dargelegten Gründe ſein, warum die Finanzwiſſenſchaft auch
eine Abtheilung des praktiſchen Theiles der Volkswirthſchaftslehre ſein ſoll. Daß ſie
a) in Betreff der Einnahmen und Ausgaben die allgemeinen Wirthſchaftsregeln der
bürgerlichen Hauswirthſchaft (nicht Haushaltung) benutzen könne; ferner b) daß
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nehmen müſſe; ferner c) daß ſie vielfach auf das natürliche Staatsrecht gewieſen
ſei, und d) daß ſie ohne die Volkswirthſchaftslehre keine Wiſſenſchaft geworden
wäre, und ihre Ausbildung immer noch von der fortſchreitenden Entwickelung jener
abhängt, indem die Finanzwirthſchaft ohne Kenntniß und Befolgung der volkswirth-
ſchaftlichen Grundlehren den Volkswohlſtand zernichten würde, — daran iſt nicht zu
zweifeln. Aber eben ſo gut als Rau aus lit. d. ſchließen zu dürfen glaubt, die
Finanzwiſſenſchaft ſei eine Anwendung der Volkswirthſchaftslehre und folglich ein
praktiſcher Theil derſelben, kann man auch ſchließen, daß ſie eine Anwendung der
Gewerbswiſſenſchaften und des natürlichen Staatsrechtes und ein praktiſcher Theil
von dieſen ſei. Rau wählte das Wort Anwendung ſehr richtig, aber es bedeu-
tet nicht ſo viel wie Ausführung. In der Wiſſenſchaft der Volkswirthſchaftspflege
werden die Grundſätze gelehrt, wie die Prinzipien der Volkswirthſchafts-
lehre auszuführen ſind, um den Nationalwohlſtand zu befördern. In der
Finanzwiſſenſchaft wird gelehrt, wie die finanziellen Prinzivien auszu-
führen ſind, ohne den Nationalwohlſtand zu zerſtören, weswegen die volks-
wirthſchaftlichen Grundſätze hier im wahren Sinne nicht ausgeführt, ſondern
blos angewendet werden. Die Ausführung, vorausſetzend daß ſie ſelbſt der
nächſte Zweck iſt, bildet das Weſentliche des Praktiſchen einer Wiſſenſchaft; die bloße
Anwendung, vorausſetzend daß bereits andere Prinzipien zur Ausführung gegeben
ſind, welche blos modifizirt und in der Erreichung der Zwecke unterſtützt werden
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[64/0086] §. 44. Beſchluß. C. Die öffentliche Wirthſchaftslehre1) kann nur zwei Objekte haben, nämlich die Volkswirthſchaft und die Staats- wirthſchaft. Die Volkswirthſchaftslehre (Nationalökono- mie) zerfällt in einen theoretiſchen und in einen praktiſchen Theil, welcher leztere auch die Lehre von der Volkswirthſchafts- pflege (Gewerbspolizei, Wohlſtandsſorge)2) genannt wird. Die Staatswirthſchaftslehre3) (Finanzwiſſenſchaft) hat auch einen theoretiſchen Theil (Finanzwiſſenſchaft im engeren Sinne) und einen praktiſchen Theil (Finanzverwaltungslehre). Jener lehrt, wie das Staatseinkommen auf eine die Bürgerrechte und den Wohlſtand am wenigſten gefährdende Weiſe erhoben werden kann. Der zweite aber lehrt die Maximen über die beſte Art der Einrichtung jener Erhebung, der Bereithaltung des Staatseinkom- mens, der Controle und der Rechtfertigung, wie ſie in die Finanz- wirthſchaft gehört4). ¹⁾ Auch politiſche Oekonomie genannt, welcher Ausdruck aber, obſchon von Rau gebraucht, nicht ganz bezeichnend, ſondern mehr ſagend iſt. S. §. 39. Note 5. ²⁾ Den Ausdruck Volkswirthſchaft hat Rau (Ueber die Kameralwiſſ. §. 15 und §. 16.) gründlich vertheidigt, woraus zugleich das Verhältniß derſelben zur Idee einer Weltwirthſchaft klar wird. Weniger überzeugend möchten die im §. 17. derſ. Schrift dargelegten Gründe ſein, warum die Finanzwiſſenſchaft auch eine Abtheilung des praktiſchen Theiles der Volkswirthſchaftslehre ſein ſoll. Daß ſie a) in Betreff der Einnahmen und Ausgaben die allgemeinen Wirthſchaftsregeln der bürgerlichen Hauswirthſchaft (nicht Haushaltung) benutzen könne; ferner b) daß ſie verſchiedene Gewerbskenntniſſe wegen Staatsgewerben und Beſteuerung zu Hülfe nehmen müſſe; ferner c) daß ſie vielfach auf das natürliche Staatsrecht gewieſen ſei, und d) daß ſie ohne die Volkswirthſchaftslehre keine Wiſſenſchaft geworden wäre, und ihre Ausbildung immer noch von der fortſchreitenden Entwickelung jener abhängt, indem die Finanzwirthſchaft ohne Kenntniß und Befolgung der volkswirth- ſchaftlichen Grundlehren den Volkswohlſtand zernichten würde, — daran iſt nicht zu zweifeln. Aber eben ſo gut als Rau aus lit. d. ſchließen zu dürfen glaubt, die Finanzwiſſenſchaft ſei eine Anwendung der Volkswirthſchaftslehre und folglich ein praktiſcher Theil derſelben, kann man auch ſchließen, daß ſie eine Anwendung der Gewerbswiſſenſchaften und des natürlichen Staatsrechtes und ein praktiſcher Theil von dieſen ſei. Rau wählte das Wort Anwendung ſehr richtig, aber es bedeu- tet nicht ſo viel wie Ausführung. In der Wiſſenſchaft der Volkswirthſchaftspflege werden die Grundſätze gelehrt, wie die Prinzipien der Volkswirthſchafts- lehre auszuführen ſind, um den Nationalwohlſtand zu befördern. In der Finanzwiſſenſchaft wird gelehrt, wie die finanziellen Prinzivien auszu- führen ſind, ohne den Nationalwohlſtand zu zerſtören, weswegen die volks- wirthſchaftlichen Grundſätze hier im wahren Sinne nicht ausgeführt, ſondern blos angewendet werden. Die Ausführung, vorausſetzend daß ſie ſelbſt der nächſte Zweck iſt, bildet das Weſentliche des Praktiſchen einer Wiſſenſchaft; die bloße Anwendung, vorausſetzend daß bereits andere Prinzipien zur Ausführung gegeben ſind, welche blos modifizirt und in der Erreichung der Zwecke unterſtützt werden ſollen, bildet blos das Weſentliche der Lehnſätze (Lemmata), die aus einer anderen Wiſſenſchaft herbeigezogen werden. In der That zeigt auch ein Blick auf das

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/86>, abgerufen am 21.11.2024.